Kreis Kaiserslautern „Pure Abzocke, reinste Schikane“

Jutta Scherer ist nicht die einzige Anwohnerin, die fürs Parken in einem fertig gestellten Abschnitt der Dauerbaustelle Hirschho
Jutta Scherer ist nicht die einzige Anwohnerin, die fürs Parken in einem fertig gestellten Abschnitt der Dauerbaustelle Hirschhorn ein saftiges Bußgeld bezahlen soll. »Es gab Knöllchen für alle.« Mittlerweile wurde das Verbotsschild zur Baustelle verschoben und es darf geparkt werden.

Was Bürger ärgert: Jutta Scherer soll wegen Falschparkens in einem fertigen Bauabschnitt 60 Euro zahlen

Jutta Scherer ist sauer auf das Ordnungsamt der Verbandsgemeindeverwaltung Otterbach-Otterberg – und sie ist nicht die einzige in der baustellengeplagten Gemeinde: Die Hirschhornerin hat im Januar zwei Bußgeldbescheide über 30 Euro erhalten, weil sie an der Baustelle in der Ortsdurchfahrt geparkt hatte. „Wohlgemerkt in einem bereits fertig gestellten Teilstück, das kurz vor der Freigabe stand“, betont sie. Das Problem: Die Parkverbotsschilder standen noch. Seit Sommer 2017 läuft in der Lautertalgemeinde der Ausbau der Ortsdurchfahrt. Die Dauerbaustelle ist für Pendler mit langen Umwegen und für die Anwohner zusätzlich mit viel Ungemach verbunden: „Wir mussten vor dem Ort parken und fast einen Kilometer zu unseren Wohnungen laufen, auch mit Einkäufen“, schildert Jutta Scherer die Situation vom Januar. Da sei die Versuchung groß gewesen, nachdem die Baufirma Feierabend hatte, auf dem bereits fertig gestellten Teil bis zum nächsten Morgen zu parken. Auch weitere Anwohner sowie Besucher wie Scherers Freundin aus Kaiserslautern hätten dort ihre Autos abgestellt. „Wir haben niemanden behindert“, betont sie. Die Strafe folgte dennoch auf dem Fuße – allerdings zunächst ganz im Geheimen. Denn am nächsten Morgen fand keiner der Falschparker ein Protokoll unterm Scheibenwischer. Und so parkten die Anwohner dort auch am Abend darauf – was allerdings genau dokumentiert worden sei, wie Scherer und ihre Freundin berichten: „Ein Mitarbeiter des Ordnungsamts hat nach Dienstschluss mit dem Handy die Autos fotografiert. Und am Morgen danach im Amt die Bußgeldbescheide fertig gemacht.“ So flatterten dann wenig später auch gleich zwei Bußgeldbescheide in Jutta Scherers Briefkasten, datiert auf den 9. und 10. Januar. Und ein jeder über 30 Euro. Genauso ging es auch Scherers Freundin, die abends einmal für 20 Minuten in Hirschhorn parkte: 30 Euro waren fällig. „Das ist Abzocke und die reinste Schikane“, ärgern sich die beiden Frauen und beklagen „mangelndes Fingerspitzengefühl“. An einem Tag habe es 16 Protokolle gegeben: „Knöllchen für alle!“ Nachdem zahlreiche Bürger im Rathaus „den Aufstand gemacht“ hätten, seien die Parkverbotsschilder inzwischen direkt an die Baustelle verschoben worden, so dass nun in dem strittigen Straßenabschnitt ganz regulär geparkt werden dürfe. Im Raum stehen allerdings noch die Bußgeldbescheide, die schätzungsweise 20 bis 30 Hirschhorner erhalten hätten. „Wir werden nicht bezahlen!“, betont Jutta Scherer und berichtet, dass sich auch weitere Anwohner weigern, der Zahlungsaufforderung nachzukommen. Sie hoffen auf Kulanz seitens der Behörde: „Wenn wir die Knöllchen bezahlen müssen, dann wäre das der Hammer!“, findet Jutta Scherer. Was sagt die Verwaltung zu den Beschwerden aus Hirschhorn? „Ich habe großes Verständnis für die schwierige Parksituation der Anwohner“, antwortet Bürgermeister Harald Westrich (SPD) auf RHEINPFALZ-Nachfrage. „Die Bürger haben schon große Umwege zu fahren und auch längere Fußwege bis zu ihren Fahrzeugen zu bewältigen.“ Eine Kulanzregelung ist aber trotzdem offenbar nicht in Sicht, denn Westrich stellt sich vor sein Ordnungsamt: Es gelte gleiches Recht für alle, betont er. „Es gibt einen Grundsatz bei uns in der Verwaltung: Der Bürgermeister mischt sich nicht in die Maßnahmen des Ordnungsamtes ein. Würde ich rechtmäßige Maßnahmen aufheben, dann würde sich das herumsprechen und ständig würden Bürger zu mir rennen, damit ich Bußgelder aufhebe“, befürchtet er. Und aus Westrichs Sicht waren die Maßnahmen des Ordnungsamts in Hirschhorn „aufgrund der klaren Beschilderung rechtmäßig“: „Es war erkennbar, dass in diesen Bereich gar keine Fahrzeuge einfahren durften, auch wenn dort gerade frisch asphaltiert war.“ Die Bürgersteige seien teils noch nicht fertig gewesen. Westrich stellt klar: „Die Baufirma und der Landesbetrieb Mobilität definieren, wann ein Bauabschnitt für den Verkehr freigegeben wird. Das kann ein Autofahrer nicht für sich selbst definieren.“ Darüber hinaus verweist er auf Beschwerden von Baufirma und Ortsgemeinde: „Diese hatten sich bei uns im Dezember massiv beschwert, dass wir zu kulant mit den Parkverstößen umgehen würden.“ Anwohner oder Besucher hätten in der Baustelle so geparkt, dass die Bauarbeiten behindert wurden.

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