Kaiserslautern Publikumsnah ohne Maske

Gar nicht so dunkel: Der „Dark Tenor“ wird dem Anspruch seiner Fans in der Kammgarn vollauf gerecht.
Gar nicht so dunkel: Der »Dark Tenor« wird dem Anspruch seiner Fans in der Kammgarn vollauf gerecht.

Die Verbindung von Klassik und Moderne war in der Musik schon immer reizvoll. Da wurde etwa Beethovens neu arrangierte „Ode an die Freude“ 1970 zu einem Welthit, und die niederländische Band Ekseption machte ungefähr zur gleichen Zeit mit bombastischem Symphonic Rock auf sich aufmerksam. Jetzt hat es wieder einer versucht: Der geheimnisvolle „Dark Tenor“ zeigte in der Kammgarn, was im Cross-over-Milieu möglich ist.

Der „Dark Tenor“ präsentiert seit einiger Zeit vornehmlich eigene Kompositionen in dieser stil-übergreifenden Melange-Art. Am Samstag spielte der Künstler mit einer fulminanten Band in der rappelvollen Kammgarn. Vorher aber wurde die Stimmung aufgelockert. Sänger Hendrik Beye und sein Pianist Felix von Knebel führten als Duo „On My Isle“ in den langen Abend ein. Sehr ärgerlich dabei: Entgegen der in allen Ankündigungen bis zuletzt angegebenen Zeit fing das Konzert weit vor 20 Uhr an. Wer erst zu dieser Zeit erschien, bekam einen kompletten Supporter gar nicht mit. Mit ebenfalls wenig Personal, aber mit umso mehr Gefühl gestaltete das Trio „Anna Lux“ im Anschluss den weiteren Abend. Frontfrau Anna, in erster Linie eine fähige Sängerin und Pianistin mit expressiver Stimme, beeindruckte zusammen mit Lara (Gesang, Gitarre, Keyboard) und Rico H. (Schlagzeug) als kompakte Einheit mit direktem Draht zum Publikum. Irgendwo zwischen härterem, „gotisch“ inspiriertem Rock und leichtgängigem deutschsprachigen Pop erzählte sie in ihren meist selbst geschriebenen Titeln vor allem von den großen Gefühlen Liebe, Eifersucht, Wut („Kleiner Mann“) und Vergebung. Auch wenn da Begriffe wie „Untergang“ und „Bestrafung“ vorkamen, war danach eine gelöste, heitere Atmosphäre im Saal zu spüren. Und die wurde noch intensiver.... Bereits während der ersten Töne, noch vor dem Erscheinen des dunklen Tenors, stürmten Fans an die Bühne und blieben dort, die Handys gezückt, bis zum Ende des Auftritts stehen. Die meisten anderen erhoben sich fast zeitgleich von ihren Plätzen im bestuhlten Kasino. Wer sitzen blieb, hatte eine eingeschränkte Sicht. Ab sofort herrschte zwischen Nebelschwaden und Scheinwerfergewitter, gekonnter Publikums-Animation und vor allem erstklassiger Musikdarbietung eine ausgelassene, umtriebige, fröhliche Stimmung auf allen Plätzen. Kein Wunder. Der ausgebildete Operntenor, der seinen bürgerlichen Namen geheim hält, tat von Anfang an alles, um seine Fans zu begeistern. Von der gewissen Monotonie früherer Tage war nichts mehr zu spüren. Von einem seelenlos zusammengezwungenen Konstrukt von verschiedenen Stilen erst recht nicht. Nachdem schon in den ersten Sekunden des Auftritts Kapuze und Maske, die früheren Markenzeichen des „Dark Tenors“, gefallen waren, ging es Schlag auf Schlag hinein ins bunte, emotionale Treiben eines ausgeklügelt choreographierten und stimmlich ordentlich dargebotenen Konzerts. Selbst die launigen Plänkeleien zwischen Tenor und Keyboarder Erik trugen zur guten Unterhaltung bei. In enger Kooperation mit seinen fähigen Mitmusikern Jakob Nebel (Gitarre), Ilja Lappin (E-Bass/Cello), Erik Krüger (Keyboard) und Sebastian Rupio (Schlagzeug) wurden alte Rock-Hits wie „In The Shadows“ vorsichtig ins Klassik-Bad getaucht, Klassisches (oder klassisch Angehauchtes) modernistisch aufgemöbelt. So bekam etwa das komplett in italienischer Sprache vorgetragene „Parla piu piano“ (aus dem Film „Der Pate“) ein überaus frisches, neues Gewand verpasst. Langweilig wurde es nie. Den größten Anteil im Repertoire aber hatten eigene Werke des Sängers, Gitarristen und Komponisten wie „Change“ und „Written In The Scars“ (aus seinem aktuellen Album „Symphony of Ghosts“), die der Deutsch-Amerikaner und seine Band mit nicht unangenehmem Bombast in der musikalischen Ausführung und perfekter Artikulation in allen verwendeten Sprachen ins Publikum brachten. Apropos Publikum: Zu seinen Fans hat der gar nicht so dunkle Tenor ein spürbar inniges Verhältnis. Einmal nahm er einer Zuschauerin am Bühnenrand das Handy aus der Hand und filmte rundum das gesamte Geschehen auf der Bühne exklusiv für sie – das nennt sich echte Publikumsnähe, die das Konzert sauber abrundete.

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