Kaiserslautern Prinzipien, Projekte, Poesie

Geschafft: Markus Becherer hält am 9. Juni zum zweiten Mal den Pokal des Rheinland-Pfalzmeisters in Händen.
Geschafft: Markus Becherer hält am 9. Juni zum zweiten Mal den Pokal des Rheinland-Pfalzmeisters in Händen.

Mit dem bühnenreifen Dichten begann Markus Becherer um 2012 und 2013, im Wohnzimmer seiner damaligen Studenten-Wohngemeinschaft in Kaiserslautern. In dieser Zeit haben er und seine Mitbewohner regelmäßig kleine offene Kulturveranstaltungen bei sich zu Hause organisiert. „Da kamen Leute aus Ruanda und haben Gedichte vorgetragen, Musiker aus Peru haben Gitarre gespielt, teilweise haben unbekannte internationale Bands auf ihrer Tour durch Europa bei uns Halt gemacht und Couch-Konzerte gegeben. Das war damals sozusagen meine Kulturaufgabe in Kaiserslautern“, bemerkt das heutige Kultur-Kollektiv-Mitglied lachend. „Und da ich der Veranstalter war, dachte ich mir, ich müsste auch mal etwas beigetragen.“ Die Inspiration zum Dichten kam dem 31 Jahre alten Becherer bei der Langen Nacht der Museen in Mannheim, wo er einen „Poetry-Slammer“ live erlebte. „Ich fand, es war ein schönes Format. Ich habe davor immer mal wieder witzige Sprüche, die mal beim Abendessen gefallen sind, mitgeschrieben und dachte: ,Kann ich mal probieren.‘“ Seinen ersten Text schrieb Becherer für eines seiner eigenen Wohnzimmer-Events. Die Resonanz war so gut, dass er 2013 bei seinem ersten Poetry-Slam teilnahm – den auch noch gewann und sich damit für seine erste Rheinland-Pfalz-Meisterschaft qualifizierte, die er ebenfalls gewann. „Die fand damals auch in Koblenz statt. Und das jetzt, nach fünf Jahren, in derselben Spielstätte wieder zu gewinnen, war schon eine tolle Sache.“

Dichterlaufbahn beginnt im Wohnzimmer

Bei den Meisterschaften wurde im Juni der beste Wortkünstler des gesamten Bundeslandes ermittelt. Acht Teilnehmer standen am Ende im Finale und dichteten um die Gunst des Publikums im ausverkauften Koblenzer Theater. Als erster Slam-Poet konnte Becherer den Siegertitel zum zweiten Mal sichern und vertritt im Oktober das Land Rheinland-Pfalz bei den Deutschsprachigen Meisterschaften in Zürich. Zwei Vizemeistertitel hat er übrigens in den vergangenen Jahren auch errungen. Gewonnen hat er mit zwei Texten: einer Ode an die menschliche Neugier und einer Schilderung einer durchzechten Partynacht in einer Großraumdisco. Beides trug er im Fußball-Kommentator-Stil vor. Die Grenzenlosigkeit an Themen und Möglichkeiten, die ein Poetry-Slam erlaubt, macht für Becherer den Reiz des Formats aus. Denn über Sprache, Niveau und Thema eines Textes entscheidet der Autor selbst. „Man weiß nie, was als nächstes passiert. Es ist eine bunte Wundertüte von tiefgründig bis witzig, mit Botschaft und ein bisschen Nonsens. Ein vergleichbares Abendprogramm gibt es meiner Meinung nicht in der Kulturszene.“ Es gäbe allerdings auch „Slammer“, die ihre Texte ausschließlich darauf abrichteten, dem Publikum zu gefallen, auch wenn sie „nichts zu sagen“ hätten. Ein Ansatz, den Becherer kritisiert: „Man schreibt dann aus den falschen Gründen. Ich schreibe in erster Linie über Dinge, die mich selbst beschäftigen und mit denen ich etwas aussagen möchte. Wenn es dem Publikum gefällt, freut mich das sehr. Aber es hält mich nicht davon ab, auch mal Texte zu schreiben, die keine Begeisterungsstürme auslösen, dafür aber zum Nachdenken anregen.“

Projekt "Sprechreiz" in Kaiserslautern in Aussicht

Durch den Poetry-Slam ist Becherer mittlerweile in der Kaiserslauterer Kulturszene fest verankert. Als Mitglied beim Lautrer Kultur-Kollektiv organisiert er hauptverantwortlich die regelmäßigen Poetry-Slams im Benderhof – vier Mal im Jahr finden sie statt und sind immer sehr gut besucht. Dabei tritt er ab und an auch gerne selbst auf – mal solo, mal im Duett mit seinem Kumpel und Kollegen Philip Seiler, alias Phriedrich Chiller, als „Die Fabelstapler“. Mit dem Duo wird Markus auch bei den Meisterschaften in Zürich antreten. Und was er in seinem WG-Wohnzimmer begonnen hat, spinnt der 31-Jährige heute sogar über die Künstlerbühnen hinaus und bis in die Klassenräume weiter. Im nächsten Jahr will er sein Projekt „Sprechreiz“, das er bereits in Karlsruhe erfolgreich angestoßen hat, in Kaiserslautern fortführen. „Ein soziokulturelles Projekt, bei dem wir Kreativ-Schreibworkshops und Poetry-Slam-Workshops in den Abschlussklassen der lokalen Realschulen Plus anbieten wollen. Am Ende dürfen die Schüler ihre Werke auf der Bühne präsentieren. Wir wollen zeigen, dass Schüler sehr kreativ sind und das fördern.“ Das Projekt ist bereits komplett finanziert und abgesegnet, es fehlen allerdings noch ein bis zwei Schulen, die daran teilnehmen möchten. Ganz nebenbei ist Markus Becherer übrigens gerade im Endstadium seines Doktorats in Physikalischer Chemie. Also ein durch und durch kreativer, wortgewandter und engagierter Denker. Kontakt Schulen, die sich für das „Sprechreiz“-Projekt bewerben möchten, können sich über www.sprechreiz.org informieren und bei Markus Becherer melden.

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