Kaiserslautern Platz für ein kleines Unwetter

Riesig – aber von außen kaum zu erkennen: das Rückhaltebecken im Uni-Wohngebiet. Beim Starkregen im Juni war das Becken bis Ober
Riesig – aber von außen kaum zu erkennen: das Rückhaltebecken im Uni-Wohngebiet. Beim Starkregen im Juni war das Becken bis Oberkante voll – an den Pfeilern oben zu sehen.

Die Stadtentwässerung kann riesige Mengen Abwasser und Regenwasser zwischenspeichern – oder in die Lauter ableiten. Alles unterirdisch.

Durch einen unscheinbaren Kanalschacht auf einer Grünfläche am Fuß der Berliner Brücke beginnt der Abstieg zu einem der modernsten Regenüberlaufbauwerke in Rheinland-Pfalz, wie Stadtentwässerungs-Vorstand Jörg Zimmermann kurze Zeit später gut sieben Meter unter der Oberfläche erläutert. Das 2010 errichtete Bauwerk ist quasi eine unterirdische Kreuzung verschiedener Kanäle: Der Hauptkanal, vom Messeplatz her kommend, sorgt für den Abwasserstrom Richtung Kläranlage, in Fließrichtung von links kommt das Abwasser aus dem Bereich Kotten/Fachhochschule dazu. Etwa kniehoch fließt die braune Brühe beständig durch – ohne in die Details zu gehen ... Und im rechten Arm der Kreuzung steht trockenen Fußes die Gruppe um Zimmermann hinter einer massiven Metallplatte – mitabgestiegen sind Jörg Metzger-Jung (Sachgebietsleiter Kanalnetzbetrieb) und Kanalinspekteur Christopher Milloth.

Eine Barriere gegen Klopapier

Zimmermann: „Das Bauwerk hier kommt dann ins Spiel, wenn’s richtig regnet. Dann schwillt, je nachdem wie heftig der Regen ist, der Wasserstand ordentlich an.“ Wenn die Kapazität der Kläranlage schließlich an ihre Grenzen komme, werde das metallene Wehr je nach Wasserstand gehoben oder gesenkt, damit das durch Regenwasser stark verdünnte Abwasser durch den Kanalseitenarm in die Lauter abfließen kann. Zimmermann: „Dann steht hier niemand mehr.“ Überhaupt seien die Kanäle bei Regenfällen tabu. Um den Wasserstand an diesem wichtigen Punkt immer im Auge zu behalten, ist an der unterirdischen Kreuzung eine Kamera installiert – gut drei Meter über dem Boden. Zimmermann: „Beim Starkregen im Juni war die Kamera gerade unter Wasser.“ Das Wehr selbst wird automatisch gesteuert, ergänzt Metzger-Jung, Sonden erfassen zusätzlich die Höhe des Abwassers: „Wir versuchen natürlich, möglichst nicht so schnell Wasser in die Lauter abzuleiten.“ Eine schwimmende Barriere verhindere, dass übermäßig viel Toilettenpapier in die Lauter gespült werde. Metzger-Jung: „Das ist High-End-Ausstattung und noch nicht weit verbreitet.“

Beim Unwetter am 11. Juni: Voll nach zwei Stunden

Ortswechsel. Im Uni-Wohngebiet befindet sich eins der größten Rückhaltebecken der Stadt – von außen fast unsichtbar unter einem Bolzplatz und einer kleinen Grünanlage. Über eine steile Treppe geht’s in das riesige Bassin. Durch die Rinnen plätschern die Abwässer aus dem Wohngebiet. Metzger-Jung: „Hier kommt normalerweise außer unseren Arbeitern niemand rein, maximal Studenten der Technischen Universität bei einer Exkursion.“ Mit elektrisch gesteuerten Schiebern kann das Wasser in dem Becken aufgestaut werden. Schmunzelnd erzählt Metzger-Jung: „Bisher habe ich den Studenten immer gesagt, dass das Becken hier noch nie voll war und wohl nie voll wird.“ Beim Starkregen am 11. Juni waren die fast 15.000 Kubikmeter Speicherkapazität voll – nach zwei Stunden. Die Fachleute können es noch immer nicht glauben. In den riesigen Rückhaltebecken, weitere gibt es beispielsweise bei Opel oder unter der Lothringer Dell, wird das Ab- und Regenwasser gespeichert, um es nach dem Regen gedrosselt zur Reinigung in die Kläranlage zu leiten. Fast 300.000 Kubikmeter könnten in Kaiserslautern und den Stadtteilen zwischengespeichert werden, dazu komme die Kapazität des Kanalnetzes. Zimmermann: „Am 11. Juni war das alles voll."

Bei Extremwetter versagen Standard-Lösungen

Etwa 100 (meist kleinere) Becken gibt es laut Zimmermann in der Innenstadt und den Stadtteilen, dazu kommen offene Regenrückhaltebecken – etwa im Industriegebiet Nord. Dort werde allerdings nur Oberflächenwasser eingeleitet, kein Abwasser. Zimmermann: „In den Neubaugebieten ist das von vorneherein getrennt.“ Viele Möglichkeiten für bauliche Veränderungen, um mit künftigem Starkregen besser umgehen zu können, sieht Zimmermann nicht: „So ein Kanalsystem hat eine Laufzeit von 80 bis 100 Jahren, da kann man nicht mal eben ran. Bei solchen Extremereignissen wie im Juni versagen Standardlösungen.“ Wichtig sei es deswegen, sich nun gemeinsam Gedanken zu machen: „Stadtentwässerung, Stadt, Privatleute, Geschäftsinhaber – alle zusammen.“

RHEINPFALZ-Redakteur Benjamin Ginkel, Jörg Zimmermann, Jörg Metzger-Jung und Christopher Milloth (von links, alle Stadtentwässer
RHEINPFALZ-Redakteur Benjamin Ginkel, Jörg Zimmermann, Jörg Metzger-Jung und Christopher Milloth (von links, alle Stadtentwässerung) im Regenüberlaufbauwerk unter der Berliner Brücke vor dem stählernen Wehr.
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