Kaiserslautern Krabbelkonzert in der Fruchthalle ist Veranstaltung für alle Sinne

Nein, nicht auf der Bühne, sondern mitten im Publikum führte der Konzertpädagoge der Staatsphilharmonie Rehinland-Pfalz, Andrea Apostoli, am Mittwoch in der Fruchthalle seine Zielgruppe an die Musik und Instrumente heran. Das Krabbelkonzert für Kleinkinder und deren Angehörige ist des Musikers „liebstes Kind.“ Dort verlässt er den gewohnten Rahmen, breitet den Zuhörern einen (nicht nur sprichwörtlichen) Teppich aus, der umgeben ist von Musikern, die auf die krabbelnden, krähenden und auch mal quengelnden Kleinkinder einwirken.

Hautnaher Kontakt anstelle von räumlicher Distanz, Herzblut anstelle von Routine, ständige Interaktion anstatt abgespultem Programm – das Krabbelkonzert hat eine Eigendynamik. Dementsprechend ist die Vortragsfolge auch nicht zyklisch oder chronologisch zusammengestellt, sondern hat einen kurzweiligen, abwechslungsreichen Charakter. Da finden sich zur Entspannung meditative Stücke, wie etwa langsame Sätze aus Bach-Sonaten: Von Apostoli auf der Flöte zelebriert, von Vicente Castello auf der Oboe dezent in geschmeidigen melodischen Linien ziseliert. Und das große Ungetüm, der Kontrabass, wird bewusst vom Begleit- und Bassinstrument auch mal zum Solovortrag genutzt, wenn Joachim Stever das Charakterstück von Elgar „Salut d' amour“ zum Besten gibt. Die tänzerische Seite kam dann bei Hindemiths Klangbeispiel für Klarinette und Kontrabass zum Tragen, wobei Klarinettist Julius Kircher locker und beschwingt das Stück anging, um die Aufmerksamkeit geschickt auf sich zu ziehen und allen „Beine zu machen.“

Apostoli geht aber nach Kostproben aus verschiedenen Bereichen noch einen Schritt weiter, er komponiert eigene Stücke – etwa im heiklen Fünfer-Takt – greift Vorlagen wie die gespielte Fuge von Shostakovich auf, um sie in freier Bearbeitung weiterzuspinnen. So macht er aus Instrumentalmusik Vokales und auch umgekehrt, stellt die Instrumente solistisch vor und führt sie dann wieder mit Holzbläserquintetten von Taffanel und Milhaud in kurzen Ausschnitten zusammen. Hier war auch die Hornistin Anne-Eli Olsen mit von der Partie, deren golden funkelndes Instrument viele Krabbler anlockte. Eben ein Konzert für alle Sinne.

Krabbelkonzerte haben eigene stilistische Ausrichtungen

Jedes dieser Krabbelkonzerte hat eine eigene thematische und stilistische Ausrichtung, erklärte Apostoli im RHEINPFALZ-Gespräch, auch das einbezogene Instrumentarium wechselt. Apostoli fordert von sich und seinen Musikern wie auch von den Kindern ein universelles Einbeziehen von verschiedenen Eindrücken. Und die Präsentation – etwa der Fagott-Sonate von Saint-Saens – darf nicht dogmatisch und ritualisiert sein. Den Kindern zugewandt und mit ständigem Blickkontakt agiert hier der Solist (Johannes Hund), nur der Pianist muss auf der Bühne bleiben. Doch im Anschluss an das Konzert rückt auch der Korrepetitor vom Mannheimer Nationaltheater, Lorenzo die Toro, in den Mittelpunkt des Geschehens, Kinder können - im wahrsten Sinn - Instrumente auch begreifen, Tasten drücken und eigene Eindrücke gewinnen.

Eltern und Kinder tanzen zum großen Finale

Das große Finale mit tanzenden Eltern und ihren Kindern – teilweise auf dem Arm – brachte alle noch mal, nach zuvor meditativen Klängen, in Schwung: Shostakovichs Walzer sorgte für einen unbeschwerten Ausklang und war der Ohrwurm für den Heimweg. Zuvor wurden die beteiligten Instrumente aus der Nähe bestaunt, begrapscht, beschnuppert: Diese Zielgruppe hat nämlich ihre eigene Erlebniswelt, lernt mit allen Sinnen. Nachweislich nach Studien auch, wenn sie sich vorübergehend anderen Dingen zuwendet.

Dennoch hatten alle Programmpunkte aber auch hohes künstlerisches Format, hätten also auch konventionellen, konzertanten Anlässen zur Ehre gereicht. Vor allem das Holzbläser-Quintett demonstrierte Kammermusik in Zusammenspiel, Koordination der Stimmen und lupenreiner Spieltechnik in Vollendung.

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