Kaiserslautern Keine Blumen am Valentinstag

Die Kunst der Parodie beherrscht Philipp Tulius.
Die Kunst der Parodie beherrscht Philipp Tulius.

Wer sich zehn Jahre im mittlerweile hart umkämpften Genre von Kabarett und Comedy eisern hält, ist entweder kreativ und innovativ; oder hat gute Ideengeber wie eine reich sprudelnde Quelle der Inspiration und Information. Für das hiesige kabarettistische Quartett der „Untiere“ gilt wohl beides. Nach den beiden Jubiläumsveranstaltungen im Januar gings jetzt wieder im Doppel von Donnerstag und Freitag im Edith-Stein-Haus mit der Veranstaltungsreihe „Ein Untier kommt selten allein“ weiter. Die 14. Ausgabe dieser Reihe stand am Valentinstag unter dem Motto „Liebe, Triebe, Heiterkeit.“

Zwar gab es keine Blumen am Valentinstag, aber dennoch manches durch die Blume gesprochen: Etwa bei Wolfgang Marschalls Eröffnungsthema zum Traditionsclub FCK: Dass der Nachlass des Idols Fritz Walter sozusagen in letzter Minute vor der Heidelberger Versteigerung gerettet wurde, war eine rhetorische Steilvorlage. Marschall verwertete mit dem sicheren Instinkt eines Mittelstürmers diese und haute mit der aktuellen Tabellensituation in der Dritten Liga sarkastisch den Hammer in die Maschen: Da steht der Traditionsclub, mehrfacher Deutscher Meister und Pokalsieger jetzt sogar hinter den Sportfreunden aus Lotte mit 14.000 Einwohnern! Genüsslich ließ Marschall legendäre Glanzzeiten Revue passieren mit hoch gehandelten Dauerkarten - sogar auf dem Schwarzmarkt - und stellte die gähnende Leere im WM-Stadion gegenüber. Jeder Abend der Untiere hat seine Eigendynamik, auch durch die Interaktion mit Publikum bedingt. Am Donnerstag schlug die ganz große Stunde von Marina Tamassy, die mit eigenen Kostümen und den Fähigkeiten einer Maskenbildnerin und Visagistin in viele Rollen schlüpfen kann: So in die Doppelrolle als Kanzlerin Merkel und zuvor als deren Gegenspielerin, in die Haut und den Habitus fahrend bei der SPD-Bundesvorsitzenden Andrea Nahles. Bei Mutti traf sie in Wort und Ton deren bedächtige, überlegte, diplomatisch ausweichende Art, bei Nahles spielte sie dagegen hyperaktiv, hektisch und fahrig deren Pendant. Bei Merkels gespieltem Auftritt trumpfte sie mit einem Mambo auf, nach Art der kubanischen Folklore im pulsierenden Elan. Bei Nahles ließ sie in Anlehnung an Hildegard Knefs Chanson zwar nicht rote Rosen, aber rote Nelken regnen. Die hohe Kunst des Arrangierens der Untiere kam bei einem weiteren Knef-Titel „Sei mal verliebt“ ebenfalls zum Tragen, als Tamassy dies als gelästerte Ode auf K’town übertrug. Dabei immer stimmlich von ihr großartig vorgetragen und von allen anderen wie Marschall am Drumset, David Punstein an den Tasten und Philipp Tulius am Bass auch sehr ansprechend begleitet. Die Kunst der Parodie hat Tulius nicht nur als OB Weichel oder Bayerns Seehofer perfektioniert. Auch in den Mitternachtsspitzen des WDR imitierte er täuschend echt Gastgeber Jürgen Becker, um dann auch dessen Gäste vorzuführen: Nicht nur im jeweiligen Tonfall, sondern auch bewusst machend, dass sich deren rhetorisches Geplänkel nur in leeren Phrasen erschöpft. Dieser Abend hatte in den musikkabarettistischen Beiträgen der Untiere seinen Schwerpunkt und auch Bezugspunkt zum Valentinstag. Maßgeblich trug David Punstein mit seinen gekonnten Vorspielen, Überleitungen und geschmeidigen Umspielungen bei. Der Gast Stefan Ebert aus Mannheim verdient als kurzfristiger Einspringer für die ursprünglich vorgesehene Miss Allie vorab hohe Anerkennung. Und bringt als Multitalent auf Gitarre, Banjo und Klavier auch entsprechende Fähigkeiten mit. In der Tradition der Singer-Songwriter textet, vertont und trägt er Stücke zwischen Ballade, Chanson und Rap mit erstaunlicher Vielseitigkeit vor. Die sind noch nicht ganz ausgereift, manches erschöpft sich im trockenen Sprechgesang, dann blitzen wieder wie im „Disco-Liebeslied“ geniale Ideen durch. Wer könnte dies alles bündeln, fokussieren? Das Lied „Gorilla, Gorilla“, nach einem Zoobesuch entstanden, erinnert etwas an die Minimal Music von John Cage. Man kann auch aus nichts etwas machen, kann die Banalität zum Kunstfall erheben - wenn das Publikum (wie hier) mitspielt. einwurf

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