Kaiserslautern Immer wieder verblüffend

Herzlicher Applaus im gut besuchten Cotton Club: Der israelische Pianist Omer Klein überzeugt auf ganzer Linie.
Herzlicher Applaus im gut besuchten Cotton Club: Der israelische Pianist Omer Klein überzeugt auf ganzer Linie.

Das war ein Auftakt nach Maß. Beim Start des 23. Kammgarn International Jazzfestivals am Freitagabend im Cotton Club (wir berichteten gestern) begeisterte das israelische Omer Klein Trio auf der ganzen Linie. Dabei erwies sich der beim New Yorker Komponisten und Pianisten Fred Hersch ausgebildete und mittlerweile in Düsseldorf residierende Omer Klein als ein verblüffender Tastenakrobat.

Die Geistesnähe von Omer Klein zu den großen amerikanischen Jazzpianisten ist eklatant. Die eingestreuten Synkopen in der rechten Hand, die meditative Ausreizung des Themas, die naive Herrlichkeit, die durch die chromatischen Einsprengsel gestört wird, die Mikro-Verzierungen und das langsame Versinken im Bass sind nur einige technische Verwandtschaften zum Tastenguru Keith Jarrett, die Klein mit Selbstbewusstsein anschlägt. Wie Jarrett besitzt der zweifach für den ECHO Jazz Nominierte auch die Fähigkeit, den Klavierton singen zu lassen, so dass sein Spiel, wie in „Wonder & Awe“ oder dem abschließenden Titel „Yemen“, fast eine sakrale Qualität gewinnt. Wie Bill Evans verfügt er über eine differenzierte Anschlagskultur, die in ihrer ganzen Bandbreite von gerade noch über dem Schweigen schwebenden Harfen-Arpeggien bis hin zu schreienden, stechenden, mit fingerbrechender Expressivität gezogenen Riffs. Dann wird er zum Inbegriff des Jazz im kraftvollsten, swingendsten Sinn des Wortes. Doch als plagiierender Gefolgsmann will der 36-Jährige nun wirklich nicht in den Annalen enden. Deshalb geht Klein bei seinen sämtlichen Eigenkompositionen nicht in die ausufernden Lüfte der Improvisation, versucht sich nicht in flächendeckender Abgründigkeit, sondern erhellt das Notenmaterial greifbar. So bleiben die Ideen im Rampenlicht, überdehnt er das Sentiment nicht zum Sentimentalen. Orientierungsstiftende Klarsichtigkeit ist hier oberstes Musikantenziel. Zupackende Spannungsgeladenheit wird zudem von faszinierender Perkussivität beseelt. Und das gelingt Klein mit schlafwandlerischer Sicherheit. „Sleepwalkers“ ist daher der perfekt passende Titel nicht nur eines Stückes, sondern auch seines siebten Silberlings als Leader. Was die meisten Stücke auszeichnet, sind die retardierenden, fast kontrapunktischen Elemente, die sich als Widerhaken unter Kleins halsbrecherische Klavierkaskaden mischen. Wo bei Modern-Jazz-Traditionalisten wie John Lewis oder Bill Evans organisch entwickelte Harmonie-Sturzbäche aus dem Flügel spritzen, zaubert Klein immer wieder verfremdende Stolpersteine, die den Zuhörer verblüffen. Ihm aber auch neue Wege aufzeigen, ohne ihn straucheln zu lassen. Trotz des vorwärtstreibenden Grooves zieht das Piano immer wieder mit unerwarteten Tönen oder verschleppten Tempi eine Notbremse, die das Abgleiten in Rockattitüden verhindert. Sogar poetisch oder lyrisch daherkommende Songs wie „One Step At A Time“ erhalten durch unerwartete Klavier-Versatzstücke eine jazzmäßige Ernsthaftigkeit. Selbst das religiös inspirierte „Spilt Milk (erste Zugabe) präsentiert trotz seiner gefühlvoll-harmonischen Ausgestaltung immer wieder Töne, die man an dieser Stelle nicht erwartet. Der Grund, warum dieses Trio so unverbraucht und frisch klingt, liegt auch an Kleins Kollaborateuren. Selten hat man eine Formation erlebt, die so symbiotisch zusammengewachsen ist. Bei der alle drei Mitglieder so absolut gleichberechtigt sind. Bei ihrem feinnervigen Spiel reagieren sie gegenseitig auf minimalste Schwingungen. Dabei erweist sich Haggai Cohen-Milo am Bass als Schwerstarbeiter. Seine Grooves bestechen durch Körperlichkeit, sein Spiel durch Transparenz und Fingerfertigkeit. Durch intelligentes, punktgenaues, vielschichtiges Spiel besticht Amir Bresler am Schlagzeug. Ein Spezialist feinnerviger, subtiler Rhythmen und mit einem großen Gespür auch für differenzierte Becken-Klänge. So verfugen sich die Klangverhältnisse von Kontrabass und Schlagzeug auf der einen und dem Klavier auf der anderen Seite zu einem geschlossenen ästhetischen System, das süchtig macht. Noch lange hätte man zuhören mögen. Ovationen der Begeisterung. Zwei Zugaben. Heute beim Festival Das Festival endet heute mit den Auftritten von Nils Wülker (20 Uhr, Kasino), China Moses (21.30 Uhr, Kasino) und Avishai Cohen (23 Uhr, Club); Restkarten gibt’s noch an der Abendkasse.

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