Kaiserslautern Gäste steigern den künstlerischen Ertrag

Aus der Not geboren – und doch gewonnen: Das zwangsweise Verlegen des traditionellen Wednesday-Night-Jazz-Club vom Storchenturm wegen eines Wasserschadens in den Musikclub Luther im Europahaus (wir berichteten) hat der Veranstaltungsreihe von Helmut Engelhardt einen deutlichen Aufschwung bereitet. Gute Publikumsresonanz und -frequenz und beste Bühnen- und Raumverhältnisse machen diesen Rahmen offenbar auch für hochrangige Gäste der überregionalen Jazzszene attraktiv. So geschehen am vergangenen Mittwoch.

Offene Jazz-Jam-Sessions mit spontanem Musizieren, Experimentieren und Einbeziehen von Gästen oder Reagieren auf Publikumswünsche haben etwas von Probieren, was im Wort Musikprobe ja auch steckt. Das durfte man am Mittwoch nur ganz bedingt mit Engelhardts Veranstaltung assoziieren: Die Klassiker aus Swing wie „Georgia on my mind“ (bekannt geworden durch Ray Charles) oder Mancinis „The Days of Wine and Roses“ (ein Welthit von Frank Sinatra), die Latinerfolge von Carlos Jobim oder Herbie Hancocks Funkystil mit den stilbildenden Kreuzrhythmen sowie Charlie Parkers virtuoser Bebopstil haben die Musiker um Engelhardt in jahrzehntelanger Adaption und Interpretation verinnerlicht. Dies galt neben Engelhardt für das Urgestein der Szene, Volker Klimmer, mit superber Kunst der Figuration und Modulation an den Tasten, den in stoischer Ruhe eisern den Groove prägenden und haltenden Bassgitarristen Jörg Kirsch sowie den zum harten Kern gehörenden Schlagzeuger Christoph Jung. Letzterer ist ein Drummer, der sich wohltuend in diesem familiären Rahmen als Mannschaftsspieler versteht und nicht versucht, mit Breaks alles an sich zu reißen. Diese Hausband ist so blendend aufeinander eingespielt, da klappt der Wechsel vom Tutti zum Chorus mit jeweiligem Improvisationsteil so vorzüglich und nahtlos, dass sich Gäste schwer tun, da mit zu halten. Wer dies auf Anhieb (sogar mitten im Stück!) schafft, dann sogar noch – bei „Georgia on my mind“ – den künstlerischen Ertrag steigert, ist immer wieder Pierre Paquette. Der gefragte Altsaxophonist und Absolvent des berühmten Berklee College Boston ist als Gründer diverser eigener Formationen bekannt. 1979 kam er als Leadspieler der Ambassador Bigband nach Deutschland, spielte dann bei der HR-Bigband und ist seit 2001 Mitglied der SWR-Bigband Stuttgart und eben eine Klasse für sich. Vor allem das intonatorisch heikle Zusammenspiel mit dem Tenorsaxophon von Engelhardt gelang ihm in nahtloser, klanglicher und spielerischer Übereinstimmung. Paquette verlässt auch bewusst den gängigen Stil, um mit ungewohnten Umspielungen und Modulationen eigene Akzente zu setzen. Dabei durchläuft er die ganze Skala seines Altsaxophons in perfektionierter Tonansprache. Weiterhin profitierte die Veranstaltung von den mitreißenden Soli des Gitarristen André Goncalvez von der USA-Army-Europa-Bigband, der sich mal mit füllenden, perkussiven Akkorden und dann wieder mit kreativen Soli wirkungsvoll einbrachte. Katrin Wilking erlebte zwar – auf dem Altsaxophon – einen mitgesogenen Höhenflug, konnte aber nicht ganz diesen Glanz verbreiten. Dagegen sorgte mit der Jazz- und Soulsängerin Djulia ein Komet für Furore: Die als Geheimtipp vor Jahren in der Szene gehandelte Nachwuchssängerin startet mittlerweile voll durch und hat an Bühnenpräsenz, an Charme und Charisma enorm zugelegt. Sie hauchte ihren Balladen wie „Moonglow“ Leben und Expressivität ein. Zu vorgerückter Stunde kamen noch mit Flügelhornist Tobias Weber und Posaunist Jochen Scheerer weitere Leistungsträger der Szene und neue Klangfarben hinzu.

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