Kaiserslautern Erst rechnen, dann schlämmen

Wertstoff oder Schadstoff? Die Gruppenkläranlage Weilerbach ist eine der wenigen, in der Landwirte den Klärschlamm, den sie zum
Wertstoff oder Schadstoff? Die Gruppenkläranlage Weilerbach ist eine der wenigen, in der Landwirte den Klärschlamm, den sie zum Düngen nutzen, selbst abholen können. Sogar einen Streuwagen stellen Abwassermeister Andreas Licht und seine Kollegen den Bauern zum Ausbringen des Klärrestes zur Verfügung.

Auf den ersten Blick ist der gepresste Klärschlamm der Weilerbacher Gruppenkläranlage nicht von Erdschollen zu unterschieden. Er wird in einer seitlich offenen, überdachten Halle gelagert. Wie Abwassermeister Andreas Licht schätzt, sind es zurzeit rund 150 Tonnen. Das wird auch noch eine Zeit lang so bleiben, denn nach einer neuen, bundesweiten Verordnung darf der Klärschlamm von Oktober bis Ende Januar nicht ausgebracht werden. An dieser erweiterten Sperrfrist stört sich Albrecht Günther, Vorsitzender des Kreisverbandes Kaiserslautern im Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd, denn zuvor galt dieses Zeitfenster erst ab Mitte November bis Ende Januar. „Der gefrorene Boden erleichtert uns die Arbeit mit schweren Maschinen“, sagt er, „weiche Böden sind schlechter befahrbar.“ Dass das Ausbringen des Klärschlammes nur in wenigen Ausnahmen in den warmen Monaten möglich ist, hält er nicht für sinnvoll, auch wenn dieser unverzüglich, also innerhalb von vier Stunden, eingearbeitet werden muss. „Im Sommer steht der Pflanze weniger Dünger zur Verfügung, da durch die Verdunstung weniger Stickstoff im Boden gebunden werden kann.“ Die Weilerbacher Gruppenkläranlage bereitet die Abwässer aller Orte der Verbandsgemeinde (VG) bis auf Reichenbach-Steegen auf. Sie reinigt das Schmutzwasser von rund 24.500 Einwohnerwerten, die Maßeinheit für die Schmutzfracht von Personen und Betrieben. Bei dieser Größenordnung muss sie keine gesetzlichen Vorgaben zur Rückgewinnung von Phosphor, einem wertvollen und nicht unendlich verfügbaren Dünger, erfüllen. Durch die ausschließlich landwirtschaftliche Ausbringung wird der Mineralstoff direkt auf die Ackerflächen ausgebracht. Pro Jahr fallen hier durchschnittlich zwischen 800 und 1000 Tonnen Klärschlamm an. Ein Bauer, der einen Schlag, also ein zusammenhängendes Stück Ackerland, beschlämmen will, muss dieses nach wie vor bei der VG melden. Ebenso müssen unverändert dafür die Ergebnisse einer Bodenprobe vorliegen. In Weilerbach kümmert sich die VG-Verwaltung darum und trägt auch die Kosten. Das Klärwerk fordert auch, sollte der pH-Wert des Bodens nicht in Ordnung sein, dass Klärschlamm erst nach einer Kalkung aufgebracht werden darf. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft darf nur noch die Menge an Phosphor und Stickstoff auf den Acker ausgebracht werden, die dann mit der Ernte abgefahren wird. An sich eine gute Sache, wie Albrecht findet. Aber für ihn und für jeden anderen Landwirt beginnt damit ein enorm hoher bürokratischer Aufwand. Im Vorfeld muss für jeden Schlag eine Düngevorausberechnung erstellt werden, auf der Vorfrucht, Ertragsziel und die jeweilige Kultur berücksichtigt sind. Aus dieser freiwilligen Sache ist nun eine gesetzlich verpflichtende geworden. Der Bauer muss zudem den Bedarf an Phosphor und Stickstoff ermitteln und anhand der Erntemenge berechnen, welche Stoffe dem Boden möglicherweise entzogen werden. Doch damit nicht genug. „Alles, was den Betrieb verlässt, Tiere, Milch, Getreide, Heu oder Mist und alles, was reinkommt, muss jetzt in Stickstoff und Phosphor umgerechnet werden. Das ist ein gigantischer Aufwand“, beklagt Albrecht. Er greift daher hierfür auf staatlich vorgegebene Listen mit Durchschnittswerten zurück. Hinzu kommt eine jährliche, sogenannte Stoffstrombilanz, in die diese und weitere Angaben einfließen. Geblieben ist der jährliche Flächen- und Nutzungsnachweis. Dabei handelt es sich um einen 50-seitigen Antrag, in dem sämtliche Flächen, deren Bearbeitung sowie Hecken, Sträucher, Bäume, Steine, Wasserflächen und Wege auf den Quadratmeter genau und auch das Ausbringen von Dünger oder Klärschlamm angegeben werden müssen. Dafür erhalten die Landwirte von der Europäischen Union eine Aufwands- und Ausgleichsentschädigung. Sollten bei Kontrollen durch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier Unregelmäßigkeiten oder Fehler auffallen, wird der Bauer sanktioniert, sprich: Gelder werden gestrichen. „Das bedeutet eine enorme Herausforderung für jeden einzelnen Landwirt neben seiner alltäglichen Arbeitsleistung. So kann ein Betrieb in den Ruin getrieben werden“, kritisiert Albrecht. Vorteilhaft an der bisherigen Regelung war für die Bauern, dass sie mit der Nutzung von Klärschlamm weniger Dünger für die betroffenen Äcker kaufen mussten und eine Aufwandsentschädigung von 32,50 Euro pro Tonne von der VG dafür bekamen. Das soll auch so bleiben, wenngleich jetzt schärfere Grenzwerte für die ausgebrachte Klärschlammmenge gelten. Zweimal jährlich lassen die Weilerbacher Werke den Klärschlamm von der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt (Lufa) in Speyer auf Nährstoffe, Spurenelemente, Schwermetalle, organische Inhaltsstoffe und mikrobiologisch untersuchen. Das Ergebnis vom Mai: Er ist für die Aufbringung auf landwirtschaftlich genutzten Böden geeignet. „Für uns wird sich nicht viel ändern, außer dass wir mehr Flächen brauchen, um die gesamte Menge abgeben zu können“, hält Ludwig Groß, der Leiter der VG-Werke Weilerbach, fest. Bislang seien circa 13 bis 15 Tonnen des Klärschlamms pro Hektar ausgebracht worden, zukünftig werden es weniger sein. Damit sollen bevorzugt die Landwirte aus der Umgebung versorgt werden. Der bürokratische Mehraufwand werde durch ein Auslagern dieser Arbeiten an eine Anstalt des öffentlichen Rechts abgefangen. Die VG wird voraussichtlich dieser Anstalt des öffentlichen Rechts beitreten, die sich nicht nur um die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung kümmern, sondern auch eine Klärschlamm-Verbrennungsanlage bauen will, in der in Zukunft Phosphor zurückgewonnen werden soll. Mögliche Überschüsse des Weilerbacher Klärschlamms könnten über sie weiteren Landwirten im Umkreis zugeteilt werden. Eine Verbrennung wäre dann eine weitere, aber die letzte Option, so Groß. Er geht davon aus, dass Anfang 2018 die Entscheidung darüber im Verbandsgemeinderat fällt.

Günter Albrecht
Günter Albrecht
Ludwig Groß
Ludwig Groß
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