Kaiserslautern Die heiße Liebe auf Eis

Wenn er vom Eis spricht, dann scheint das Herz von Rocco Minicucci zu glühen. Nein, nicht das Polareis oder das Eis in der Veranstaltungshalle auf dem Gartenschau-Gelände, um nur zwei Eis zu nennen, die Schreibe ist in den folgenden Zeilen vornehmlich von Speiseeis. Purer Gaumengenuss also. Und für den sorgen der gebürtige Italiener und seine Familie seit nunmehr 50 Jahren in ihrem Eiscafé Rialto in der Mühlstraße 3.

Natürlich ist Rocco Minicucci ein alter Lauterer. Mit Leib und Seele? Er schwächt ein bisschen ab: „Also, sagen wir mal so: Ein stolzer italienischer Lauterer!“ Wohl auch deshalb, weil die Minicuccis die Hälfte des Jahres in einem kleinen Dorf in den Dolomiten verbringen, die andere, von März bis Oktober, betreiben sie ihre Eisdiele in der Mühlstraße 3, also fast Ecke Mühl- und Maxstraße. Vor 15 Jahren sind sie dorthin gezogen, vorher hatten sie in der Mühlstraße 2, fast gegenüber, ein großes Eiscafé, an der Seite mit einer kleinen Durchreiche für Anhänger von „Eis to go“. Nun ist’s wesentlich kleiner. Aber irgendwie gemütlicher. Über der Theke prangt der Spruch: „Seit 1968 eine Brücke zu purem Eisvergnügen“, an der linken Wand hängen Urkunden. Eine weist das Familienoberhaupt als Träger der Goldenen Ehrennadel des 1. FCK für 40 Jahre Mitgliedschaft aus, eine andere ist eine Gewerbekarte der Handwerkskammer der Pfalz von 1968, eine dritte ist eine Auszeichnung des Südwestrundfunks als eine der besten Speiseeis-Adressen in Rheinland-Pfalz. Und unübersehbar ist eine Zeichnung von Kindern gepinnt mit den Worten: „Vielen Dank sagt die Rote Gruppe der Kita Tausendfüßler.“ 15 aus der Rasselbande hat „Opa“ Rocco gezeigt, wie Eis gemacht wird und sie danach mit Stracciatella belohnt. An den runden Stehtischen mit hohen Hockern hat sich gerade ein frauliches Kaffee-Kränzchen gebildet, in dem leidenschaftlich „dischbediert“ wird, neben dem VdZ (Verfasser dieser Zeilen) schleckt eine Frau genüsslich die kalte Köstlichkeit, und weil sie nicht erkannt wird, darf man auch schreiben, dass oben auf den Bällchen ein dicker Schuss Sahne keck thront. Sie stamme aus Grünstadt, erzählt sie und komme öfter nach Kaiserslautern. Und bei dieser Gelegenheit sei ein Besuch im Rialto immer ein Muss. Hinter der Theke werkelt die Chefin, Teresa. „Ich habe eine gute Frau“, sagt später Rocco, und bei diesen Worten leuchten seine Augen. Vor über 50 Jahren haben seine „Knie gezittert“ (Rocco Minicucci), als er die schwarzhaarige Schönheit in einem Eiscafé in Dachau zum ersten Mal erblickte. Dorthin hatte es ihn aus dem kleinen Dorf Limosano in der Region Abruzzen/Milose in Mittelitalien nach Deutschland verschlagen. Der Arbeit wegen. Er verdingte sich in einer Fabrik, aber sein Weg führte ihn nach Feierabend stets nicht nur zum Gaumengenuss, sondern zur Augenfreude. Teresa Sperti aus Farra d’Alpago in Venetien hatte sein Herz erobert. Der italienische Essayist Enrico A. Ricciardi beschrieb die Liebesbande mit diesen schönen Worten: „Nach mehreren Jahren leidenschaftlicher, sehr intensiver, oft schwieriger Arbeit, die jedoch aus der glücklichen Verbindung zwischen der Weitsicht der Menschen aus Venetien und der abruzzesischen Starrköpfigkeit Gewinn zog (in der Tat weisen diese Regionen viele gemeinsame Charaktereigenschaften auf), konnten sie 1968 ihren eigenen Betrieb eröffnen.“ Teresa hatte nämlich ihrem Rocco klar gemacht (Beispiel Weitsicht), dass mit einem Eiscafé eine gute Zukunft zu gestalten sei. Der frischgebackene Ehemann startete mit Überzeugung und Durchsetzungsvermögen in den Beruf des Eisherstellers und begann dann den Wunsch Teresas zu realisieren (Beispiel Starrköpfigkeit). Doch längst hatte nicht nur Teresa sein Herz erobert, sondern eben auch der neue Beruf. Fast 77 ist Rocco nun. Der jüngere seiner beiden Söhne, Mario (46), in Kaiserslautern geboren, ist in seine Fußstapfen getreten, arbeitet mit im elterlichen Geschäft ebenso wie seine Frau Marika. Antonio (53) lebt mit seiner Familie in Italien, hat jedoch vom Vater wohl ein Stück Eis-Gen mitgekriegt: Für Freunde macht er stets hobbyhalber bei Festivitäten Eis. Wenn Rocco Minicucci über seine Arbeit, besser Passion, spricht, dann wird er geradezu poetisch: „Ich bin in meine Arbeit verliebt, und wenn ich könnte, würde ich jederzeit wieder von vorn anfangen. Schließlich ist Eis ein Erzeugnis, das stark mit der Erde, ihren besten Produkten, den Gezeiten und einer gesunden Umwelt verbunden ist. Ja, ich möchte behaupten, dass Eis ein sensibles und zartes Produkt ist, das sehr viel Takt und Erfahrung benötigt.“ Derzeit werden bei den Minicuccis 34 Eissorten angeboten. Mario, der als Geschäftsinhaber firmiert, betont, dass das klassische Eis im Vordergrund steht, also die kalte Köstlichkeit mit besten Zutaten. Während des Baues der neuen Shopping-Mall hatte die Familie wie andere Firmen in der Mühlstraße mit empfindlichem Umsatzrückgang zu kämpfen. Doch Rocco und seine Familie haben auch diese schwierige Phase überwunden, sich mit frischem Elan in die „neue“ Zeit gestürzt. Wie lange der „Speiseeis-Künstler“ noch tätig sein wird? Er zeigt lächelnd nach oben: „Der bestimmt das.“ Was den ansonsten stets gut gelaunten Rocco derzeit leicht traurig stimmt, ist „sein“ 1. FCK. Der Dauerkarten-Inhaber seit Jahrzehnten, der früher mit Freunden häufig auch zu Auswärtsspielen unterwegs war, meidet derzeit den Berg. „Ich kann die Aufregung nicht ertragen“, sagt er fast entschuldigend. Und dass sein dreijähriger Enkel Matteo, der übrigens vom Opa gleich nach der Geburt als Vereinsmitglied eingetragen wurde, einmal einen Bundesligisten 1. FCK erleben wird, daran mag selbst der optimistische Rocco Minicucci nicht glauben. Er hat aber seine Freude in der Eisdiele. An vielen Stammgästen, unter ihnen auch welche, die schon als Schüler „im Rialto“ eine süße Pause eingelegt haben, an zufriedenen Kunden, an neuen, die versprechen, wieder zu kommen und ihr Versprechen halten. Vor dem Gespräch des VdZ, vulgo Schreiberling, hat sich Rocco Minicucci allerdings als waschechter Italiener geoutet. Als auf sein Angebot: „Möchten Sie ein Eis, einen Cappuccino oder einen Espresso“? ein höfliches „Nein danke“ folgte, antwortete er knapp: „Dann sag’ ich nichts!“ Ein Espresso hat seine Zunge gelöst ...

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