Kaiserslautern Der Staatsfeind Nummer eins

Kann sich mit linker Politik nicht mehr anfreunden: Wolfgang Welsch, der in DDR-Gefängnissen gefoltert wurde.
Kann sich mit linker Politik nicht mehr anfreunden: Wolfgang Welsch, der in DDR-Gefängnissen gefoltert wurde.

Es war eine Geschichtsstunde der ganz besonderen Art: Wolfgang Welsch berichtete in der vergangenen Woche vor Schülern der Integrierten Gesamtschule (IGS) Bertha von Suttner von seinen Erfahrungen mit dem Stasi-Regime in der DDR. Welsch saß als politischer Gefangener insgesamt sieben Jahre in Haft.

Wolfgang Welsch wurde 1944 in Berlin geboren, arbeitete als Schauspieler. Nach einem Fluchtversuch wurde er 1964 verhaftet und zunächst für zwei Jahre inhaftiert. Eine weitere Haftstrafe saß er ab 1967 ab. Der Vorwurf lautete auf Hochverrat. „Wir waren Staatsfeinde, Kakerlaken, Abschaum“, sagt er bei seinem Vortrag. Welsch spricht eindringlich: „Die DDR war ein Unrechtsstaat.“ Wenn er über die damaligen Haftbedingungen mit Folter, schweren Misshandlungen und eine an ihm vollzogene Scheinhinrichtung spricht, sind ihm noch heute die Wut und der Zorn von damals anzumerken. „Die DDR war ein Staat, in dem man sich total unterwarf, um zu überleben oder immer und immer wieder Widerstand leistete“, erklärt er. Für letzteren Weg entschied sich auch der Berliner. Er schmuggelte beispielsweise geheime Aufzeichnungen aus dem Gefängnis, die beweisen sollten, wie mit den Häftlingen verfahren wurde. Die westdeutsche Bundesregierung kaufte Welsch schließlich 1971 frei. So entkam er der DDR, wurde schließlich zum Fluchthelfer von über 100 DDR-Bürgern. Doch die Stasi ließ nicht locker: Verbrieft sind insgesamt drei Mordanschläge, die er allesamt überlebte. Seine Geschichte handelt auch von Verrat durch Freunde und nahe Angehörige. Immer wieder unterbricht er seinen Vortrag vor den Zehnt- bis Zwölftklässlern und zeigt Ausschnitte aus dem Film „Der Stich des Skorpions“. Er ist an seine Lebensgeschichte angelehnt. Die geht auch den Schülern nahe. Am Ende der fast dreistündigen Geschichtseinheit haben sie allerlei Fragen an den Zeitzeugen: Wie es sich anfühlt, seine eigene Geschichte immer wieder zu erzählen? Antwort: „Die junge Generation soll das alles wissen.“ Ob er sich selbst aufgrund seiner Rolle als Fluchthelfer als Held empfindet? – „Nein, ich habe nur meine Pflicht getan.“ Wie er sich 1989 beim Fall der Berliner Mauer gefühlt habe? Und was er danach als erstes getan habe? – „Ich bin mit meiner Frau nach Berlin gefahren.“ Und ein bisschen geht es den Schülern auch um aktuelle Politik. „Wie stehen Sie eigentlich zur Linken und dem Aufschwung, den sie erfahren?“, will einer wissen. Für Welsch ist die Antwort klar: „Ich habe ja von meiner ersten Begegnung mit einem Linken im Westen berichtet, das war mein Professor, der Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei war“, leitet er ein. Von ihm habe er Repressalien erfahren, weil er die DDR und den Sozialismus angeprangert habe: „Man kann Linker sein, eine linke Meinung haben. Da bin ich sogar dafür, weil jeder die Meinung haben darf, die er will. Aber ich teile sie nicht.“

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