Kaiserslautern Dehoga-Vorsitzende Boßert: "Kaiserslautern muss sich besser vermarkten"

Patrizia Boßert
Patrizia Boßert

Mehr Gastronomie, aber kein weiteres Zwei-Sterne-Hotel: Das wünscht sich Patrizia Boßert, die neue Vorsitzende des Hotel-und Gaststättenverbandes (Dehoga) Kaiserslautern. Touristisch muss sich die Stadt besser vermarkten, sagt sie im Gespräch mit Claudia Schneider. Und: Airbnb sei ein Problem.

Muss sich der Dehoga mehr als bisher einmischen?

Ich möchte zumindest Ansprechpartnerin sein für den Stadtvorstand und die Politik. Da geht es nicht ums Verhindern, sondern ums Beraten. Beispielsweise, wenn es um neue Hotel-Ansiedlungen geht. Gab es das bislang nicht? Nein. Als die Stadt beispielsweise das Grundstück am Messeplatz verkauft hat, damit dort ein Hampton by Hilton-Hotel gebaut wird, hat uns niemand gefragt. Was ein Fehler war. Im Vorfeld hieß es nämlich, es gebe in der Stadt Bedarf für ein Vier- oder Fünf-Sterne-Hotel. Jetzt aber kommt ein Zwei-Sterne-Haus. Mit dem Namen Hilton wurde nicht das assoziiert, was jetzt entsteht. Kann die Stadt überhaupt noch zwei weitere Hotels, im PRE-Park wird ja auch noch eines gebaut, vertragen? Die Auslastung der Häuser in der Stadt liegt im Schnitt bei 40 Prozent. Es gibt 34 Übernachtungsbetriebe mit 1600 Betten. Jedes weitere Hotel, das keine neue Nische besetzt, wird keine neuen Gäste in die Stadt bringen. Der Markt wird also nur zwischen mehr Häusern aufgeteilt. Anders wäre es, wenn wir ein Tagungszentrum bekommen würden, mit Platz für 1000 Gäste. Dafür gibt es einen Bedarf, das wäre schön. Generell ist bei der Hotellerie Vielfalt wichtig. In Kaiserslautern wurden 2017 111.000 Übernachtungen registriert. Wer schläft denn hier, wie lange bleiben die Gäste? Die Verweildauer liegt bei 2,1 Tagen. Das sind Hochzeitsgäste, Familien, die ihre hier studierenden Kinder besuchen, Militärangehörige, Mitarbeiter von Baufirmen. Als Ikea und die Shopping-Mall gebaut wurden, hat sich das extrem in den Hotels bemerkbar gemacht. Eine wichtige Klientel sind Geschäftsleute, die beispielsweise mit Firmen im PRE-Park kooperieren oder dem Einzelhandel, aber auch Wissenschaftler aus der ganzen Welt, die an der TU und den Forschungsinstituten zu Gast sind. Was viele nicht wissen: Es gibt in Kaiserslautern 2500 Fernstudenten, die immer wieder für mehrere Tage in die Stadt kommen. Gibt es auch Touristen? Die spielen leider kaum eine Rolle, machen vielleicht fünf Prozent aus. Aber da ist Potenzial. Landesweit gehen die Übernachtungszahlen hoch, bei uns sind sie rückläufig, was damit zu tun hat, dass wir uns nicht so gut touristisch vermarkten. Wir sind in der Außendarstellung nicht so toll wie wir wirklich sind. Uns sagen Gäste, wie gut sie Kaiserslautern finden, wegen der kurzen Wege und touristischer Ziele wie dem Japanischen Garten, der Kaiserpfalz, der Pfalzgalerie, dem Umland. Wir sind zu bescheiden. Deshalb wäre es gut, künftig nicht nur die Feste in der Stadt zu bewerben, sondern auch das Gesamtangebot und die Pfälzer Lebensart. Dazu müssen wir uns besser vernetzen, mit dem Citymanagement, Vereinen, die mit Herzblut zugange sind. Es bringt nichts, wenn jeder vor sich hinwurstelt. Wir haben hier alles, Seen, Wälder, tolle Radwege, den Kletterpark, man kann wandern. Der Anschluss an den Mountain-Bike-Park ist viel zu wenig im Blick. Hier gibt es Single-Trails, die Mountain-Bike-Anlage in Trippstadt, das wissen aber nur Insider. Nur in wenigen Regionen darf im Wald gefahren werden. Es gibt in Kaiserslautern viele Airbnb-Angebote. Gut oder schlecht? Airbnb ist ein großes Problem. Die Internetplattform wurde gegründet, um freien Wohnraum, meistens eine Couch, jungen Touristen in Großstädten anzubieten. In Kaiserslautern werden darüber tageweise ganze Häuser vermietet. Die Zimmer fehlen dann auf dem freien Wohnungsmarkt, wo es große Engepässe gibt, vor allem in der Innenstadt. Es kann nicht sein, dass die Stadt für Flüchtlinge Hotelzimmer anmieten muss, wenn pro Nacht Zimmer für 22 Euro an Handwerker vermietet werden. Das verzerrt den Wettbewerb. Städte wie Freiburg und Berlin haben Privatvermietungen über Airbnb einen Riegel vorgeschoben. Auch in Kaiserslautern sollte geprüft werden, ob da nicht eine Zweckentfremdung von Wohnraum stattfindet. Wie beurteilen Sie die Gastronomie-Szene in Kaiserslautern? Die Qualität ist gut, aber bei der Quantität ist noch Luft nach oben. Wer am Samstagabend mit vier Personen essen gehen möchte und nicht reserviert, kriegt keinen Platz. Ich sehe Bedarf für weitere gastronomische Angebote – für alle Altersklassen. Es ist wichtig, dass die Leute spontan ausgehen können. Da würden mehr kostenfreie citynahe Parkplätze am Abend helfen. Gastronomische Neugründungen könnten Immobilienbesitzer mit anschieben, in dem sie bei den Mieten etwas Entgegenkommen zeigen. In Ihrem Haus wird überschüssiges Essen an die Glockenstube abgegeben. Ein Modell auch für andere? Unbedingt. Wir haben beim Frühstück Brötchen übrig, frische Wurst, Käse, Joghurt, Obst. Das holen die Leute von der Glockenstube ab. Wir wollen als Verband auch andere ermutigen zu überlegen, ob es eine Alternative zum Wegwerfen von Lebensmitteln gibt. Es gibt in der Stadt eine große Foodsharing-Szene, mit der wollen wir in Kontakt treten. Was liegt Ihnen am Herzen? Wir müssen uns bei der Ausbildung dringend vernetzen. Vielleicht können sich kleinere Betriebe künftig auch mal einen Auszubildenden teilen. Weil wir sehr viele internationale Gäste in der Stadt haben, würde ich gern ein interkulturelles Training anbieten. Es ist ein deutlicher Unterschied, ob sie einen Chinesen oder einen Japaner bewirten. Chinesen lieben beim Frühstück Vielfalt, da muss Gemüse dabei sein, der richtige Tee. Unsere Gastfreundschaft ist gut, vor allem mit den Amerikanern haben wir es ganz gut drauf. Aber wir müssen uns auch für die Zukunft rüsten. Ein Anliegen ist es mir auch, die Dehoga-Mitglieder enger zusammenzubringen. Ich möchte die Mitgliedsbetriebe besuchen und Probleme abfragen. Welche Probleme kennen Sie schon? Es muss sich was bei der Internetanbindung im Umland tun. Das Waldgebiet um den Bremerhof, das Naherholungsziel von Kaiserslautern, ist ein Nirwana beim Handyempfang. Und das in einer digitalen Stadt. Wenn sich dort ein Spaziergänger verletzt, muss jemand zum Bremerhof laufen und den Notarzt verständigen.

„Die Außendarstellung von Kaiserslautern muss besser werden“, sagt Patrizia Boßert, die beispielsweise den Japanischen Garten ga
»Die Außendarstellung von Kaiserslautern muss besser werden«, sagt Patrizia Boßert, die beispielsweise den Japanischen Garten ganz besonders findet.
x