Kreis Kaiserslautern Das Gewissen der Genossen

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Keine leichte Entscheidung für viele SPD-Mitglieder: für oder gegen einen Koalitionsvertrag mit der CDU zu stimmen.

Knapp wird es, aber sie geht durch, die große Koalition: Das vermuten zumindest die SPD-Mitglieder im Landkreis, die sich bei einer RHEINPFALZ-Stichprobe zur angelaufenen Mitgliederabstimmung äußern. Das Koalitionspapier hat beim ein oder anderen auch ein Umdenken vom Nein während der Sondierung zum Ja beim Abstimmen bewirkt.

Konsequent ist der Hochspeyerer Ortsbürgermeister Hans-Norbert Anspach. Er hatte vor gut einem Monat – vor der Abstimmung des SPD-Parteitags – gesagt, dass er gegen eine große Koalition ist. Und er bleibt dabei: „Ich habe das Koalitionspapier gelesen – und so abgestimmt wie damals angekündigt.“ Zwar seien einige Nachbesserungen in dem Entwurf erkennbar, wie die Abgabe des Finanzministeriums von der CDU in SPD-Hand, aber letztlich sind ihm zu viele Absichtserklärungen darin. „Ich bin für Erneuerung“, sagt er deutlich, und die sehe er nicht in einer GroKo. Für ihn wäre eine Minderheitsregierung immer noch die beste Lösung, denn dann wäre für die CDU-Regierung Überzeugungsarbeit nötig, die nur mit inhaltlicher Auseinandersetzung und guten Argumenten gelingen könne. Natürlich sei ihm schon bewusst, dass sein Handeln eine Neuwahl bewirken könne und er habe dies abgewogen. „Aber das Risiko muss man eingehen“, zeigt er klare Kante. Was das Abstimmungsergebnis angeht, tippt er: „Es wird knapp, aber die GroKo wird durchgehen.“ Eine Wende hat der Sembacher SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Wansch bei dem Thema gemacht. „Was im Koalitionsentwurf steht, ist deutlich besser als das, was sich bei der Sondierung abzeichnete“, sagt er, „und das bringt mich dazu, dafür zu stimmen.“ Das Konnexitätsprinzip – Wer bestellt, bezahlt –, das in der Sozialgesetzgebung eingeführt werden soll, werde etliche Verbesserungen für die Kommunen bringen, lautet einer der Punkte, die ihn umgestimmt haben. „Auch die Parität bei den Krankenkassenbeiträgen, dass Arbeitgeber so viel wie Arbeitnehmer zahlen, bedeutet eine Verbesserung. “ Wenn er dies ablehne, könne er bei einem möglichen Wahlkampf vor einer Neuwahl dem Bürger nicht klar machen, warum. Trotz solcher Änderungen bleibt Wansch bei der Grundsatzaussage: „Ich bin kein großer Verfechter der GroKo.“ Wie die Abstimmung der 460.000 SPD-Mitglieder ausgehen wird, vermag Wansch nicht zu sagen. Bei „sehr kritischen Diskussionen“ in der Region habe er „einen leichten Überhang für die Zustimmung erkannt“. Und wegen jener sehr lebhaften Auseinandersetzungen kommt er zu dem Urteil: „Politik macht Spaß!“ Denn „bei uns in der Partei kann man Politik mitgestalten“. Im Gegensatz zu Anspach sieht er deshalb auch eine „Erneuerung, die jetzt gerade einsetzt“. Zustimmung bekommt die große Koalition auch vom ehemaligen SPD-Landrat Rolf Künne aus Frankelbach. Auch bei ihm stand die Entscheidung nicht von Anfang an fest. „Während der Sondierungsgespräche war ich noch unentschieden, jetzt habe ich zugestimmt.“ Bewogen dazu haben ihn „die vielen Einzelheiten, die das Leben der Menschen im Alltag deutlich verbessern können“. Als Beispiel nennt er eine höhere Entlohnung von Pflegekräften und den Wegfall der Bezahlung der eigenen Ausbildung, was mehr Menschen in Pflegeberufe bringe. „Damit wird es für den Durchschnittsverdiener leichter, eine Betreuung für den Pflegefall zu finden.“ Auch die „Milliarden“, die in die Sanierung und bessere Ausstattung der Schulen, gerade im digitalen Bereich, fließen sollen, hält er für eine gut angelegte Investition. All diese Punkte gehören zum sozialen Bereich, seien also „SPD-Themen“. „Wenn man gegen die GroKo stimmt, dann wären sie weggeschmissen“, urteilt Künne. Die Mehrheit werde zustimmen, sagt ihm sein Gefühl, denn „repräsentativ sind die Meinungen, die ich hörte, ja nicht“. Auch er habe nach der Wahl die SPD in der Opposition gesehen, aber als dann überraschend die Sondierungsgespräche mit der FDP und den Grünen gescheitert waren, „gab es eine ganz andere Situation“, verteidigt Künne die Linie der SPD-Führung. Die Alternativen hätten dann nur noch Neuwahl oder GroKo geheißen, meint er; für eine Neuwahl sieht er kein besseres Ergebnis voraus, eher im Gegenteil. Eine Minderheitsregierung erachtet er als illusorisch: „Merkel wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, das wäre Amok!“ Wie Wansch hat auch Martin Müller, SPD-Stadtbürgermeister von Otterberg, inzwischen seine Meinung zur GroKo geändert: „Obwohl ich eigentlich ein Gegner der GroKo war und grundsätzlich noch bin, werde ich dem Koalitionsvertrag zustimmen“, sagt er, denn: „Das was in dem Vertrag von uns ausgehandelt und vereinbart wurde, ist für die Menschen und aus sozialdemokratischer Sicht viel zu wichtig, um es nicht zu tun.“ „Wenn ich das nur wüsste“, sagt hingegen Heribert Sachs auf die Frage, wo er bei der Mitgliederbefragung sein Kreuzchen machen wird. „Ich bin noch am Studieren des Koalitionsvertrags und hin- und hergerissen“, gesteht der stellvertretende Vorsitzende des Gemeindeverbands Landstuhl/Kaiserslautern-Süd. Die jüngsten Umfragewerte, die die SPD bei nur noch 16 Prozent sehen, spielten ebenso eine Rolle wie die Personaldebatten der vergangenen Wochen. „Unter Berücksichtigung der derzeitigen Situation wäge ich das Für und Wider ab, bin aber noch nicht zu einem endgültigen Ergebnis gekommen“, sagt der Mittelbrunner und lacht: „Zum Glück hab ich ja noch ein bisschen Zeit.

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