Kaiserslautern Auf der Suche nach dem Brüller

Immerhin selbstironisch: Sven Hieronymus.
Immerhin selbstironisch: Sven Hieronymus.

Wenn dem Comedian nichts mehr einfällt, macht er ein Best-of-Programm. So auch der Mainzer Sven Hieronymus am Donnerstagabend in der Kammgarn. „Das Beste vom Rocker – Der Rocker wird 50!“ lautete sein Programm. 250 Besucher hatten ihr Vergnügen. Richtige Brüller gab es jedoch nicht.

Nein, mit dem Kirchenvater, großen Gelehrten und Theologen Hieronymus (347 bis 420), der die lange Zeit maßgebliche Bibelübersetzung „Vulgata“ verfasst hat, hat der Mainzer nichts gemein. Wenn er auch mit seinem zerknautschten Gesicht und dem langen, struppigen Haar gewisse Ähnlichkeiten hat. Dem niederländischen Maler der Renaissance, Hieronymus Bosch, sowie dessen Gemälden „Garten der Lüste“ und „Die sieben Todsünden“ kommt er da schon näher. Der Rocker wird 50. Da sei es Zeit zurückzublicken. „Wie fing vor zwölf Jahren alles an?“, fragt sich der Spätberufene aus Mainz, „der linguistisch schmeichelhaftesten Stadt Deutschlands“. Die „Määnzer“ hätten eine „Ch/sch-Schwäche“, erklärt er, und sie wüssten sich fein auszudrücken: „Das hääßt net ,hä?’, das hääßt ,was?’“ Dabei erklärt und deutet die ausgestreckte linke Hand fortdauernd, während das rechte Knie dabei zuckt. Die Lippen flöten währenddessen bei weit aufgerissenen Augen wie beim Küssen, mal presst er sie schmeichelhaft zusammen, und dann wiederum zieht er eine Schnute und macht ein Petzauge dazu. Ganz der alte Rocker. Bloß die Nickelbrille will nicht recht dazu passen. Seine Witze sind so spritzig wie drei Tage abgestandenes Mineralwasser und so unschuldig wie die Bisse von Lämmchen. Jeder gehe doch heute aufs Gymnasium, behauptet er. „Da kannst du so dumm sein wie Toastbrot.“ Und das Abitur „kriegst du mit’m Würfelzucker hinten rein gesteckt“. Über die Waldorfschüler herzuziehen, ist auch nicht gerade aktuell. Dabei äfft er die Schüler nach, indem er sich auf den Boden kniet und singt: „Ich bin ein kleines Eselchen und wackle durch die Welt, iah, iah, iah.“ Die heutige Jugend könne nur noch über Whats App mit ihren Freunden kommunizieren. Die deutsche Sprache würde dabei auf Kürzeln reduziert. „Was bedeutet a-b-f?“, fragt Hieronymus. Prompt kommt die Antwort aus dem Publikum: „Allerbester Freund.“ „Und was heißt l-d-ü-a-i-d-w?“, will er wissen. „Lieb dich über alles in der Welt“, ruft fix ein Zuhörer. „Streber!“, antwortet ihm der Comedian. Viel zu empfindlich sei die heutige Jugend, behauptet er. „Früher, da ham wir Völkerball gespielt. Da ham wir den Ball aus zwei Metern Entfernung dem Gegner auf den Körper geworfe. Der is umgefalle wie’n nasser Sack.“ Genüsslich analysiert er die Mathe- und Physikaufgaben von heute. Ein Diagramm sollen die Schüler erstellen, um die Breite eines Gartenzauns auszurechnen. „Ein Diagramm! Wir früher ham mitm Bohrer ein Loch in die eine und ein Loch in die gegenüberliegende Wand gebohrt, den Zaun eingehängt, des Kaninchen hinein geschmisse – und ab uff die Kerwe.“ „Leuchte mit einer Taschenlampe jemand ins Auge. Was siehst du?“ So laute eine Aufgabe im Physikbuch. „Was siehst du?“, wiederholt der Rocker empört. „Nix! In die Fresse hätt’st du früher gekriegt!“ So deftig ging es in der Jugendzeit des Comedian zu, und so deftig ist seine Sprache heute immer noch. Was hasst der Rocker wohl am meisten? Sie werden es nicht erraten: Sankt Martin. „Da triffst du dich mit all den Helikopter-Müttern und ihren ADHS-Kindern um zu basteln. Jetzt hockst du als erwachsener, langhaariger Rocker da und musst mitm Scherche Sterncher ausschneide. Des geht net!“ So geht es weiter. Ein Abend voller Lacher und unfassbarer Geschichten für die einen, andere meinen: „Reiß mir mal ein Bein aus, dass ich lachen muss.“ Das muss man dem selbst ernannten Rocker aber lassen: Für Selbstironie und -verspottung ist er sich nicht zu schade. So befreit er sich von sich selbst, indem er seine eigenen Schwächen verspottet. Und ohne Zynismus kann es in seiner Komik gar nicht gehen. Denn sich an Tabus vergreifen, seinen Mitmenschen die Achtung versagen, das ist es doch, was jeder Witzbold tut.

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