Grünstadt Worms als Wohnstadt entwickeln

Der neue Wormser Oberbürgermeister Adolf Kessel (CDU) vor seinem künftigen Arbeitsplatz, dem Rathaus. Seine Amtszeit von acht Ja
Der neue Wormser Oberbürgermeister Adolf Kessel (CDU) vor seinem künftigen Arbeitsplatz, dem Rathaus. Seine Amtszeit von acht Jahren sieht er gelassen. Er dürfe schon einmal etwas wagen, sagt er, denn nochmals zur Wahl kann er aus Altersgründen nicht antreten.
Herr Kessel, zwischen der Wahl und Ihrem Amtsantritt lagen sechs Monate. Wie waren Sie in der Übergangszeit in die Arbeit eingebunden?

Michael Kissel und ich haben wichtige Projekte besprochen. Und beispielsweise große, weitreichende Themen von der Tagesordnung des Stadtrats heruntergenommen, die erst nach der Kommunalwahl von den neu gewählten Gremien entschieden werden sollen. Den Tagesablauf im Amt lerne ich dann frühestens ab 2. Juli kennen. Dabei habe ich den großen Vorteil, dass meine ersten Wochen in die sitzungsfreie Ferienzeit fallen. Was sehen Sie als wichtige Projekte in den nächsten Jahren an? Meine Schwerpunkte habe ich im Wahlkampf genannt. Etwa das Thema Sicherheit und Ordnung, da komme ich ja als gelernter Schutzmann her. Der kommunale Vollzugsdienst soll zum Rund-um-die-Uhr-Dienst ausgebaut werden, damit er wirklich da ist, wenn man ihn braucht. Und für Abfallsünder muss ein Kontrolldruck entstehen: Das Risiko erwischt zu werden, muss größer sein, als das, nicht erwischt zu werden. Dann stehen viele Schulsanierungen, Um- oder Neubauten an, das Mobilitätskonzept muss umgesetzt werden, ein Jugendzentrum soll im Soziale-Stadt-Quartier Grüne Schiene entstehen. Und natürlich muss Wohnraum geschaffen werden. Das alles kostet Geld. Ja, wir brauchen eine bessere Finanzausstattung seitens des Landes, aber auch vom Bund. Das Geld aus Steuereinnahmen reicht nicht einmal für die Pflichtaufgaben. Die Stadtverwaltung soll aus Ihrer Sicht wirtschaftlicher arbeiten? Ja, dort, wo es möglich ist, sollen Kosten eingespart, Synergien genutzt werden. Wir haben etwa beim Gebäudebewirtschaftungsbetrieb eine eigene Bauabteilung. Die soll mit der Kernabteilung im Rathaus zusammengeführt werden. Insgesamt sollen Verwaltungsabläufe, wo es Sinn macht, zusammengeführt und zum Nutzen der Bürger und Mitarbeiter auch stärker digitalisiert werden. Wo sehen Sie Worms in acht Jahren? Wir liegen mitten zwischen den Metropolregionen Rhein-Main und Rhein-Neckar. Hier kann die Kulturstadt Worms die wichtige Funktion einer Wohnstadt erfüllen. Worms gehört zu den sogenannten Schwarmstädten entlang der Rheinschiene. Wir haben in den letzten acht Jahren knapp 10.000 Einwohner dazu bekommen. Wohnraum für alle Schichten zu schaffen, das ist das Ziel. Gestehen Sie Bürgern auch ein Mitspracherecht zu? Transparenz ist wichtig, dass wir erklären, was wir tun. Im Baubereich soll es eine Prioritätenliste geben, gestaffelt nach der Dringlichkeit der Projekte. Bürgerbeteiligung soll es dort geben, wo es möglich ist. Es wird Anwohnerinformationen geben und auch die Bürgersprechstunde werde ich fortführen. Wobei hier auch die Brückenfunktion von Ortsvorstehern, -beiräten und Stadträten zu den Bürgern zu erwähnen ist. Übrigens hat der Wormser Stadtrat in seiner jüngsten Sitzung gerade die Ortsbeiräte durch einen neuen Passus in der Geschäftsordnung gestärkt. Das heißt, deren Beschlüsse dürfen nicht mehr wie bisher von der Verwaltung bearbeitet, entschieden und ohne Begründung abgelehnt, sondern müssen in einem städtischen Gremium beraten werden. Die Ortsbeiräte haben dadurch ein stärkeres Gewicht erhalten. Befindet sich Worms auf der Zielgeraden zur Bewerbung als Kulturhauptstadt? Tatsächlich hat sich Worms kulturell in den letzten Jahrzehnten fantastisch entwickelt. Ich denke an die Nibelungen-Festspiele, das Jazz-and-Joy-Festival, das Spectaculum, das Backfischfest und die vielen Vorstadtkerwen. Wir haben aber auch eine stark ausgeprägte Jugendkulturszene und natürlich sehens- und erlebenswerte Museen. Das Museum Andreasstift wird zurzeit für große Schauen tauglich gemacht und zeigt 2021 eine einzigartige Themenausstellung zu dem Jubiläum 500 Jahre Luther vor dem Wormser Reichstag. Werden Sie sich künftig auf eine Mehrheit im Rat stützen können? Mir ist es wichtig, dass ich eine gestaltungsfähige Mehrheit habe. Aber das zu erreichen, ist Sache der Fraktion. Gibt es Koalitionspläne? Die CDU, mit 15 Ratsmitgliedern stärkste Fraktion vor der SPD mit 14, konzentriert sich bei Koalitionsgesprächen derzeit auf die Mitte, führt also keine Gespräche mit AfD oder Linken. Denkbar wäre eine Zweierkoalition mit CDU und SPD mit 29 von insgesamt 52 Stimmen im Stadtrat oder eine Dreierkombination mit CDU, Grünen und FWG-Bürgerforum mit 28 Stimmen. Auf eine Koalition zu verzichten und jeweils zu Sachfragen Mehrheiten suchen, das wäre denkbar, aber das kostet Kraft und Zeit. Werden Sie als Oberbürgermeister auch per Youtube über Beratungen im Stadtrat informieren? Ich denke, das ist eine gute Sache. Die sozialen Medien werden immer wichtiger, man muss informieren, auch jene, die keine Zeitung lesen, aber Youtube gucken. Oberbürgermeister zu werden – war das Pflichterfüllung oder Traumjob? Mittlerweile freue ich mich auf das Amt. Meine ursprüngliche Lebensplanung war allerdings eine andere. Nachdem ich jedoch von meiner Partei als Kandidat aufgestellt wurde, wollte ich die Wahl auch gewinnen. Ich habe auch einen großen Vorteil: Ich darf kein zweites Mal antreten. In acht Jahren bin ich 69 Jahre alt. Die Gemeindeordnung schreibt vor, dass der OB-Kandidat am Wahltag die 65-Jahr-Grenze nicht überschritten haben darf. Diese Aussicht gibt mir ein Stück Gelassenheit. Ich muss nicht ständig auf eine mögliche Wiederwahl schielen. Wenn die Bürger nach acht Jahren dann sagen, er hat es ganz gut gemacht, bin ich zufrieden. Wie entspannt der künftige OB, und wie hält er sich fit? Ich fahre Fahrrad und jogge mindestens einmal in der Woche. Das ist eine tolle Entspannung, da wird der Kopf frei. Und seit zwei Jahren gehen meine Frau und ich wieder in die Tanzschule. Das ist Bewegung und, was uns besonders wichtig ist, wir haben viel Spaß dabei. Herr Kessel, haben Sie denn Lampenfieber? Nein, ich fühle mich gut vorbereitet.

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