Bockenheim Winzer werben für umweltfreundlichen Wein

Erste Piwi-Weinmesse in der Pfalz in Bockenheim: Das Bild zeigt den Stand des Weingutes Wohlgemuth-Schnürr aus Gundersheim.
Erste Piwi-Weinmesse in der Pfalz in Bockenheim: Das Bild zeigt den Stand des Weingutes Wohlgemuth-Schnürr aus Gundersheim.

Die Weine heißen Cabertin, Johanniter, Sauvignac oder Vinolentus und sind „die Zukunft“. Davon sind zumindest viele der Winzer überzeugt, die bei einer Messe in Bockenheim waren. Aber was ist das Tolle an den Piwis?

Auf den ersten Blick ist nicht viel los auf der Festwiese zwischen dem Haus der Deutschen Weinstraße und der Klosterschaffnerei. Dort halten 26 Aussteller aus sechs Anbaugebieten – Baden, Franken, Mosel, Pfalz, Rheinhessen und Württemberg – 91 Produkte aus pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, sogenannte Piwis, zur Verkostung bereit. Etwa 450 Besucher dürften über das Wochenende den Weg dorthin gefunden haben. „Wir sind zufrieden mit der Resonanz“, sagt Volker Griebel, Vorsitzender des Kultur- und Verkehrsvereins, der die Weinmesse organisiert hat. 2019 hatten die Planungen begonnen, doch dann kam Corona.

„Wir sind auf dem richtigen Weg“, erklärt er. Die weiteste Anreise habe ein Mann aus London auf sich genommen: „Er ist extra gekommen, weil er einen Artikel über Piwis für ein Fachmagazin schreibt“, berichtet Griebel. Martin Darting aus Bad Dürkheim habe ebenfalls vorbeigeschaut. Dieser sei in der Jury für den Weinpreis von Piwi International. Auch die Bundestagsabgeordnete Isabel Mackensen-Geis (SPD), Mitglied im Landwirtschaftsausschus, habe durch ihr Erscheinen Interesse bekundet. Ortsbürgermeister Gunther Bechtel (SPD) ist überzeugt: „Piwis sind eine Antwort auf den Klimawandel. Sie sind die Zukunft.“ Schon 2009 sei zu Ehren der Pfälzischen Weinkönigin Patricia Frank in Bockenheim ein Patenwingert mit pilzresistenten Reben angelegt worden. Mit Genmanipulation hätten die neuen Sorten nichts zu tun: „Es sind Zuchtergebnisse durch Veredlung.“

Spritzmittel werden gespart

Mit Piwis können durchschnittlich 80 Prozent der Spritzmittel (und damit auch des Wassers) eingespart werden, sagt Griebel, der sich selbst vor 20 Jahren mit der Sorte Satin Noir auf die nachhaltige Schiene begeben hat. Normalerweise benötige man im konventionellen Anbau pro Hektar und Jahr 4000 bis 6000 Liter Wasser. „Bedenkt man, dass unsere Winzer hier zusammen rund 300 Hektar Fläche bewirtschaften und nimmt man an, dass alle auf Piwi umsteigen würden, könnten wir den Verbrauch allein in Bockenheim um 960.000 bis 1,44 Millionen Liter reduzieren“, rechnet er vor. Dazu komme, dass deutlich weniger Diesel benötigt werde, weil man seltener durch den Wingert fahren müsse.

Die Umstellung benötigt jedoch viel Zeit, denn es werden nur peu à peu jene Weinberge neu bestockt, deren Reben ihre Lebensdauer von etwa 30 Jahren erreicht haben oder aus anderen Gründen keinen Ertrag mehr bringen. Griebel hat in zwei Jahrzehnten ein Drittel seiner Wingerte mit Piwi-Sorten angelegt. Mosel-Weinbaupräsident Walter Clüsserath betont, dass sich der Umstieg nicht per Gesetz verordnen lasse. Die EU möchte den Einsatz von Spritzmitteln bis 2030 um 50 Prozent senken. „Es ist auch noch unklar, wie lange die neuen Rebsorten resistent bleiben“, wirft er ein. Zu bedenken sei zudem, dass sich die Bedingungen in den Anbaugebieten unterscheiden. „An der Mosel findet die Lese rund 14 Tage später statt als hier. Im vergangenen Jahr hatten wir Totalausfälle wegen der Schwarzfäule, in der Pfalz gab es das nicht“, nennt Clüsserath ein Beispiel.

Kunden müssen aufgeklärt werden

Gerd Grünler vom gleichnamigen Weingut aus Horrweiler (Kreis Mainz-Bingen) erzählt von seinen guten Erfahrungen mit den Piwis Donau-Riesling und Johanniter. Letzterer sei mit Grauburgunder vergleichbar. „Um das den Verbrauchern näher zu bringen, muss man es ihnen erklären“, macht Mitarbeiterin Susan Wagner deutlich, dass der Absatzmarkt aktiv erschlossen werden müsse. Ein weiteres Pendant sei der Sauvignier Gris. Die aus Bockenheim stammende Pfälzische Weinprinzessin Laura Wessa verrät, dass ihr der Sauvignac besonders mundet. „Ja, aber so ein richtiger Riesling hat schon was“, plädiert die 70. Weingräfin des Leiningerlandes Saskia Herkelrath dafür, nicht mit allem Bewährten zu brechen.

„Die Kunden sind offen für Neues“, hat der Römerberger Winzer Tobias Schmidt festgestellt. Sieben seiner 15 Rebsorten seien bereits Piwis. „Der Zuspruch steigt“, bestätigt Martin Schropp vom gleichnamigen Weingut aus Erlenbach. Die Nachfrage der Kollegen sei rapide gewachsen, „die Züchter kommen nicht mehr hinterher“, so der Winzer, der auf mineralischen Dünger verzichtet und die Wingerte stärker begrüne als früher. „Im Herzen sind wir bio“, sagt Diplom-Agraringenieurin Alexandra Schnürr aus Gundersheim (Kreis Alzey-Worms). Nach jahrelanger Vorlaufzeit habe sie 2009 den ersten Piwi ausgebaut. Inzwischen ziehe sie zehn resistente Sorten auf 60 Prozent ihrer Rebfläche. „Es ist ein ganz wichtiger Schritt für uns in Richtung Nachhaltigkeit“, sagt sie und betont: „Piwi ist die Antwort für die Zukunft.“ Derzeit stammen allerdings erst drei Prozent der in Deutschland angebauten Weine von Piwi-Reben.

Erste Piwi-Weinmesse in der Pfalz in Bockenheim. Das Foto zeigt von links die Weingräfin des Leiningerlandes Saskia Herkelrath,
Erste Piwi-Weinmesse in der Pfalz in Bockenheim. Das Foto zeigt von links die Weingräfin des Leiningerlandes Saskia Herkelrath, doe Pfälzische Weinprinzessin Laura Wessa und den Vorsitzenden des Kultur- und Verkehrsvereins Volker Griebel.
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