Leininger Nachlese Warum Kerwe nicht nur ein Fest ist

Für die Burschen ist Kerwe ein Gefühl.
Für die Burschen ist Kerwe ein Gefühl.

Kerwe ist nicht nur ein Fest. Es ist ein Gefühl. Wer wie ich von früh an dabei war, wird das sicher kennen. Kerwe ist, von Oma und Opa 20 Euro Kerwegeld zugesteckt zu bekommen. Anfangs werden damit Süßigkeiten und Karussellfahrten bezahlt. Später wird es eher für Schorle eingesetzt.

Kerwe bedeutet den ersten Wein, den ersten Kuss, das erste Mal zu spät heimkommen. Das Kerwe-Gefühl fängt – für mich als Bockenheimer – an der Asselheimer Kerwe an. Wenn man am Dorfanger steht und weiß: Nächste Woche sind wir dran. Ab Montag wird dann aufgebaut. Bierzeltgarnitur für Bierzeltgarnitur füllt sich der Kerweplatz. Es wird sich schon mal eingestimmt. Manche Nachbarn sind genervt, andere kommen auf ein Bier vorbei.

Wenn am Freitag die Kerwe beginnt, richtet sich die gesamte Zeitrechnung nach dem Programm. Es sind die immer selben Rituale, die nach Jahren bei den Mitgliedern der Burschenschaft in Fleisch und Blut übergegangen sind. Selbst Kleinigkeiten wie das Zuschneiden der Kreppbänder für das Schmücken der Kerwesträuße sind zum Ritual geworden. Alles ist durchgetaktet bis zur Kerwebeerdigung, bei der am Kerwemontag Punkt Mitternacht die Tore des Ausschanks schließen und die Kerwe mit einer Fackelprozession zu ihrem Grab getragen wird.

Auf Außenstehende mag das verstörend wirken. Aber es ist das Kerwe-Gefühl, das dafür sorgt, dass in vielen Orten des Leiningerlands jedes Jahr erneut junge Menschen alte Traditionen aufleben lassen.

An diesem Wochenende wäre in Bockenheim Kerwe gewesen. Beziehungsweise: Es ist Kerwe. Sie wird nur nicht gefeiert. Das ist auch gut so, denn steigende Infektionszahlen lassen es unvernünftig erscheinen, dieses Risiko einzugehen. Aber natürlich tut das auch ein bisschen weh.

Ich wünsche Ihnen eine schöne Kewe! Oder wie man in Bockenheim sagt: Und dass ihr Geischt werd nimmie merb – bis zu de nächscht Bockrumer Kerb!

Timo Benß

x