Grünstadt Unterwegs wie weiland Berta Benz
„Haben wir noch Sprit?“ Christian Hoffmann öffnet die Heckklappe des 119 Jahre alten Benz Velo und leuchtet mit der Taschenlampe am Schwungrad, dem „Anlasser“, vorbei ins Dunkel. „Wir sollten nachfüllen“, erklärt er. Mit einer Plastikkanne wird Flugbenzin getankt. Diese für den modernen Automobilisten kaum vorstellbare Szene war gestern in Bockenheim beim Stopp der Oldtimertour des Allgemeinen Schnauferl-Clubs (ASC) zu erleben. Beim Landgasthaus Neuhäusel haben sich einige Nostalgie-Interessierte mit Kameras im Anschlag eingefunden. Die Spannung steigt. Da endlich taucht einer der vierrädrigen Pioniere auf. Es ist ein Buick von 1905. 23 Ein- und Zweizylinder sollen ihm noch folgen. „In dieser Massierung ist die Ausfahrt deutschlandweit einmalig“, sagt Wolfgang Presinger vom ASC Mannheim, der die erste Tour dieser Art entlang der Weinstraße organisiert hat. Teilnehmen dürfen nur Wagen bis zum Baujahr 1918 mit Metallteilen aus Kupfer-Zink-Legierung statt Chrom. „Ersatzteile muss man sich selber bauen“, erzählt Christoph Schmidt, der mit einem Benz Velo von 1896 gekommen ist. Der Wagen, in dessen Fußraum eine große metallene Wärmflasche als „Heizung für kalte Wintertage“ festgeschnallt ist, erinnert schon ein bisschen weniger an eine Kutsche als das eingangs erwähnte älteste Schnauferl der Ausfahrt. 60 Jahre lang habe das historische Autochen mit den dünnen Speichenrädern bei einer Buchbinderei herumgestanden und er habe damit geliebäugelt, erzählt der Münchner. Mehrere hunderttausend Euro, bis hin zu Millionenbeträgen, werden für solche „Oldtimer aus der höchsten Klasse“ hingeblättert. Und wenn mit solchen wertvollen Schätzen ein Unfall passiert? Achselzucken. „Dann wird halt wieder repariert. Das ist ja noch einfache Technik“, erklärt Presinger. Ein De Dion-Bouton von 1903 biegt ein, dabei fungiert der linke Arm der Beifahrerin als Blinker. Eine Besucherin deutet auf einen ebenso alten Peugeot und ruft: „Meiner ist 110 Jahre jünger!“ Paul Sczygiels grüner Brush ist „erst“ 103 Jahre alt. In Nürnberg wurde das gute Stück auf einen Anhänger geladen und zur Weinstraße gebracht. „Er hat Holzachsen aus amerikanischer Esche“, erzählt der Oldtimer-Fan von seinem Wagen, der aus den USA stammt, drei Jahrzehnte in einer deutschen Scheune vor sich hingammelte. Mit „manueller Automatik ohne Kupplung“ und zehn PS komme er „ganz gut“ die Berge hoch. Endlich rumpelt das älteste Schnauferl über den Bordstein auf den Hof, der kutschenähnliche Benz Velo von 1895. Da das Gefährt keinen Rückwärtsgang hat, wird es in die Parklücke geschoben. Anke Rückwart ist nach drei Stunden in ihrem vibrierenden Gefährt mit der nahezu wirkungslosen Bremse völlig erledigt. „Da muss man die ganze Zeit hochkonzentriert sein. Berta Benz war eine mutige Frau“, sagt die Bielefelderin, steigt vom Bock und klemmt erst einmal Keile unter die Räder.