Bockenheim/Obrigheim Ukrainer im Leiningerland: Zu Gast bei Freunden

Rund 80 Menschen waren nach Obersülzen gekommen.
Rund 80 Menschen waren nach Obersülzen gekommen.

Viele Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet sind, haben sich auch auf den Weg ins Leiningerland gemacht. In Obersülzen haben sie sich am Donnerstag getroffen. Möglich gemacht haben das die ehrenamtlichen Helfer, die momentan alle Hände voll zu tun haben.

Nein, von Anfang an geplant hatten Jens und Nina Kutscher aus Bockenheim ihr Engagement nicht. Das eine kam zum anderen, und plötzlich hatten die beiden ein großes Netzwerk an Helfern aufgespannt. Zusammen mit Anna Glöckner und Alla Raumland vermitteln die Kutschers Wohnungen an ukrainische Kriegsflüchtlinge. Bisher haben sie schon fast 30 Menschen in der Umgebung untergebracht, die meisten in ihrem Heimatdorf Bockenheim, aber auch in Grünstadt und Eisenberg.

Angefangen hat alles damit, dass Jens Kutscher für das Bündnis „Obrigheim hilft“ nach Polen gefahren ist, um Hilfsgüter an die ukrainische Grenze zu bringen. Schon damals hatte er Kontakt zu einigen Polen aufgebaut. Später ist er mit einem Kleinbus hingefahren, hat Hilfsgüter gebracht und Menschen mit nach Deutschland genommen. Mittlerweile läuft die Vermittlung aber ausschließlich über private Kontakte: Ukrainer melden sich bei den Bockenheimern und die suchen dann in der Umgebung nach einer passenden Unterkunft.

Interessen müssen passen

Dabei schauen sie besonders darauf, dass die Gastgeber auch zu den Gästen passen. Wenn es beispielsweise Kinder im selben Alter gibt, können diese zusammen spielen oder das Spielzeug teilen. Aber auch für die Erwachsenen sei es besser, wenn die grundsätzlichen Interessen zueinander passen, sagt Nina Kutscher. Man müsse sich bewusst machen, dass man eine Wohngemeinschaft eingeht, deren Dauer nicht klar abzusehen ist. Es könne in ein paar Wochen vorbei sein, aber auch noch Monate dauern. Bis jetzt habe es aber in allen Familien harmoniert, ergänzt Jens Kutscher.

Die Verantwortung sollen ebenfalls die Gastfamilien tragen, etwa wenn es um die Anmeldung der Unterkunft geht, für die es von der Verbandsgemeinde Zuschüsse gibt. Die ehrenamtlichen Helfer stünden aber selbstverständlich mit Rat und Tat zur Seite.

Einmal pro Woche treffen sich die Ukrainer, die in Bockenheim und Umgebung untergebracht sind. Vor einer Woche etwa gab es ein Treffen auf der Kegelbahn des TSV. Das sei wichtig, um sich auszutauschen, so Nina Kutscher. Hier wird auch viel über die Heimat geredet und es werden Bilder gezeigt.

Eine Woche später, am vergangenen Donnerstag, ist die Gruppe nach Obersülzen gefahren. Hier engagieren sich Helfer rund um Nina Schneider beim Ukraine-Café. Rund 60 Menschen – Geflüchtete und Helfer – haben sich hier zum Austausch getroffen. Die 29-jährige Ukrainerin Tayu Krenytska, leidenschaftliche Hobbybäckerin mit eigenem Instagram-Kanal, hat die Kuchen dafür gebacken. Im Mai soll die Aktion wiederholt werden.

Die Idee für das Treffen aller Ukrainer im Leiningerland hatte Schneider zusammen mit Sabine Krück-Beyer. Die Leiterin des Grünstadter Fitnessstudios Venice Beach hatte vorgeschlagen, das Ukraine-Café auf dem Gelände des SV Obersülzen zu veranstalten. Hier können die Kinder zusammen Fußball spielen, während die Erwachsenen im „Sülzer Tor“ Kuchen essen und sich austauschen können. Über das „Familientelefon“ hatte sie sich die Erlaubnis ihres Vaters, dem SVO-Vorsitzenden Norbert Bölger, eingeholt.

Über ihren Arbeitgeber hat Krück-Beyer auch noch eine Veranstaltung ins Leben gerufen: ein kostenloses Workout in ihrem Fitnessstudio. Die Studioleiterin ist davon überzeugt, dass Sport Verbindungen schafft. Und auch kulturell hat das Team etwas erreicht: Die Grünstadter Filmwelt bietet für Geflüchtete einen kostenlosen Kinofilm auf Ukrainisch an – inklusive Popcorn und Getränken. „Das schafft hoffentlich ein bisschen Normalität“, sagte Schneider.

Dass auch wieder richtige Normalität herrscht, das hoffen auch die Kutschers. Und wenn der Krieg vorbei ist, hat Jens Kutscher schon einen Plan: „Dann werde ich mich mit meiner Frau ins Wohnmobil setzen und alle besuchen. Das wird ein wunderbarer Ukraine-Urlaub.“

Nina und Jens Kutscher sowie Anna Glöckner und ihre Kinder.
Nina und Jens Kutscher sowie Anna Glöckner und ihre Kinder.
Tayu Krenytska mit ihrer selbstgebackenen Torte.
Tayu Krenytska mit ihrer selbstgebackenen Torte.
x