Grünstadt Tanz von einem geschundenen Kontinent

Wieder hat der scheidende Intendant Hansgünther Heyme über die nächste Spielzeit ein Zitat Ernst Blochs gestellt. In seinen literarischen Aufsätzen schreibt Bloch: „Es gibt noch eine andere Schienenweite im Bedenken und Befahren der ,Natur’, eine moralische, vor allem ästhetische“. Das Motto passt so recht zu dem immer auch mit einem politischen und sozialen Anspruch auftretenden Theatermann Heyme. Und es passt zu seiner eigenen letzten Inszenierung in Ludwigshafen, einer Bühnenfassung des Gilgamesch-Epos aus dem zweiten Jahrtausend vor Christus, dem er nicht nur die Themen Freundschaft, Tod und ewiges Leben entnimmt, sondern auch den Blick auf die schon in der ältesten bekannten Erzählung der Menschheitsgeschichte angesprochene Naturzerstörung lenkt. Der Satz passt aber auch dazu, dass die zehnten, einst von Heyme initiierten Festspiele Ludwigshafen, die in diesem Jahr vom 9. Oktober bis 7. Dezember stattfinden, den Blick auf den geschundenen Kontinent Afrika lenken. Und er passt zu einer der Uraufführungen während des Festivals: zu Helena Waldmanns „Made in Bangladesh“, das die erbärmlichen Arbeitsbedingungen und die Ausbeutung der Arbeiterinnen in der Textilindustrie tänzerisch vor Augen führt. Bei seiner Bühnenadaption des Gilgamesch-Epos stützt sich Heyme auf die neue Übersetzung des Heidelberger Altorientalisten Stefan Maul. Christoph Klimke, bekannt durch seine Libretti für Tanztheaterproduktionen Johann Kresniks und Bühnenbearbeitungen von Filmen Pier Paolo Pasolinis, hat eine Theaterfassung daraus gemacht. Professor Maul wird vor den Aufführungen am 9., 10. und 11. Oktober am 29. September einen Einführungsvortrag halten. Der Schriftsteller Christoph Klimke wird nach den Vorstellungen am 18. November eine Verbindung zwischen Gilgamesch-Epos und eigenen Büchern herstellen. Auf dem Tanzfestival „Africtions – Captured by Dance“ werden Produktionen von Choreographen aus dem Kongo, aus Südafrika, Madagaskar, dem Tschad und Benin zu sehen sein. Von dem bedeutenden Choreographen Alain Platel wird „Coup Fatal“ gezeigt, von dem Bremer Choreographen Helge Letonja „Boxom“, was in der Sprache des Senegal ein gestisches Bild bedeutet, wie der künstlerische Leiter erklärt. In seinem Tanzstück, das in Ludwigshafen seine deutsche Erstaufführung erlebt, geht es um die gesellschaftlichen Widersprüche in dem Land. Ein afrikanischer Zirkus, der Cirque Susuma mit Musikern, Artisten und Clowns aus Westafrika, ist ebenfalls Teil des Festivals. In leicht veränderter Gestalt wird das Ludwigshafener Festival-Programm danach in Bremen und Bielefeld gezeigt. La Lanterne Magique aus Frankreich wird unter dem Titel „Zirkus, Gaukler und Artisten“ zum zweiten Mal während der Festspiele im Pfalzbau auftreten. Das Schauspiel Köln kommt mit Brechts Stück „Der gute Mensch von Sezuan“, das Maxim Gorki Theater mit Tschechows „Kirschgarten“. Roberto Ciullis „Clowns zweieinhalb“ wird zu sehen sein und vom Jungen-Spiel-Theater (Just) Witold Gombrowiczs Stück „Yvonne, die Burgunderprinzessin“ über Schönheit, Hässlichkeit und den Mut zu Fehlern . In der Spielzeit 2014/15 gibt es wieder hochrangige Ballettproduktionen, etwa von Philippe Decouflé und Sharon Fridman, zu sehen. Das Pfalztheater Kaiserslautern gastiert unter anderem mit Schillers „Don Carlos“ und Beethovens „Fidelio“. Es gibt wieder die Theatertage „Orientierung“ und eine Festwoche Türkei.

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