Grünstadt Starke Stabausbuben schnüren Strohmann

Der „Herr Winter“ wird zusammengebunden.
Der »Herr Winter« wird zusammengebunden.

Man nehme einen rund sechs Meter langen Holzstamm und schichte 28, von einem Landwirt geschenkte, dicke Strohballen sowie einen Haufen Reisig aus den Wingerten abwechselnd drum herum. Dann binde man das Ganze mit Draht zusammen: Rund anderthalb Stunden dauert die Herstellung des Neuleininger Strohmannes für den Stabaus-Umzug, dem auch am Sonntag wieder unzählige Besucher beiwohnten.

„Wir sind das einzige Dorf in der Region, wo das so gemacht wird“, sagt Wehrführer Patrick Frommherz nicht ohne Stolz. Moderator Thomas Zelinski verkündet, dass das Fest nun bereits zum 495. Mal begangen wird. Entstanden ist die Tradition allerdings aus einer Protestaktion der Bauern, die sich gegen die Abgabe des Zehnten an den Landesherren wehrten. „Da haben sie ihr Stroh lieber verbrannt“, erläutert Frommherz. Heute gilt das Gebinde als „Herr Winter“, der nach einem Umzug durch die mittelalterlichen Dorfgassen in der Sandkaut in Flammen aufgeht. Das Zusammenschnüren des Stroh-Reisig-Paketes mit zirka 40 dicken Drähten ist eine anstrengende Prozedur, an der viele kräftige Männer beteiligt sind. Ursprünglich waren das Junggesellen, jetzt sind es die Stabausbuben, eine lose Gruppe, die sich dafür in der gesperrten Mittelgasse trifft. Während ihrer schweißtreibenden Arbeit lassen sie sich reihum Rieslingschorle aus einem verkupferten, acht bis zehn Liter fassenden Krug schmecken. Hin und wieder halten sie inne, um ihr lustiges Stabauslied zu trällern. Die Blaskapelle spielt dazu. Bürgermeister Franz Adam (CDU) musste das Liedchen auch einmal vorsingen – vor einigen Jahren am Telefon. Wie er der RHEINPFALZ erzählt, habe er einen Anruf von der Gema bekommen, die sich erkundigte, was für ein Gesangsstück da öffentlich vorgetragen wurde. „Die wollten wissen, wer es komponiert hat. Das konnte ich aber nicht sagen. Dann musste ich es singen“, so Adam schmunzelnd. Von der Erhebung der Gema-Gebühren wurde daraufhin abgesehen. Jetzt singen die Kleinen der Kita St. Nikolaus und Grundschüler ein paar Frühlingslieder. Stefan Doetsch überreicht der neunjährigen Helena eine Gäsbock-Maske. „Jedes Jahr suchen wir ein Kind, das sie aufsetzt und damit oben auf dem Strohmann reitet“, erläutert er. Gleich ist es so weit, und das Stroh-Reisig-Paket wird aufgerichtet. Auch das ist eine kräftezehrende Angelegenheit. „Das gute Stück wiegt etwa eine Tonne“, weiß Frommherz. Nach der feierlichen Verbrennung wird eine Riesenbrezel beim Weingut Nippgen zugunsten des Heimat- und Kulturvereins versteigert.

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