Grünstadt Portraits von großer Wirkung
Zum ersten Mal widmet sich eine Ausstellung in Wolfgang Thomeczeks Sausenheimer Kunstkabinett im Turm der Fotografie: Ab Sonntag, 7. September, zeigt das kleine „Museum auf Zeit“ im Weingut Karl-Heinz Gaul Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Barbara Klemm, jahrzehntelang Redaktionsfotografin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, heute Honorarprofessorin für Fotografie an der Fachhochschule Darmstadt.
Von 1970 bis 2004 war Barbara Klemm, 1939 in Münster in Westfalen geboren und in den 1950er Jahren in Karlsruhe zur Fotografin ausgebildet, angestellte Fotografin der FAZ-Redaktion, tätig vornehmlich in den Ressorts Politik und Feuilleton. In jenen Jahren entstanden Porträtaufnahmen namhafter Künstler und Politiker in großer Zahl, deren ganz eigener Stil gewissermaßen zu Barbara Klemms Markenzeichen wurde und sie bekanntmachte. Lange leistete sich das Blatt eine im heute für diese Zwecke nicht mehr gebräuchlichen Tiefdruckverfahren hergestellte Beilage, die mit hervorragend reproduzierten Schwarz-Weiß-Fotos prunkte. So haben sich Klemms Aufnahmen Vielen eingeprägt. Ihre letzte große Ausstellung war im vergangenen Jahr im Martin-Gropius-Bau in Berlin. Zum einen ging es Barbara Klemm fast immer darum, den Abgebildeten nicht isoliert, sondern eingebettet in seinen Lebens- und Arbeitsraum zu zeigen. Sie hat stets die Zuhilfenahme von Blitzlicht als zu zudringlich und verfälschend abgelehnt und wurde daher zur Spezialistin für Aufnahmen auch unter schwierigen Lichtverhältnissen. Bis heute entstehen ihre schwarz-weißen Bilder nicht am Computer, sondern in der Dunkelkammer. Dieses Festhalten an klassisch-handwerklicher Arbeitsweise gefällt Wolfgang Thomeczek besonders, wie er der RHEINPFALZ sagte. Barbara Klemm vermeidet es überdies, den Porträtierten allzu sehr auf den Leib zu rücken. Ganzkörperaufnahmen sind die Regel. Selten, dass ein Gegenüber so nahe an den Bildrand rückt, das es ihn zu sprengen scheint, wie es bei Barbara Klemms Hitchcock-Porträt der Fall ist. Typischer sind Aufnahmen, die Raum lassen, bei denen die Fotografin gleichsam an der Schwelle zum Reich des Dargestellten stehen geblieben und bestrebt gewesen ist, ihn in einem Moment zu treffen, in dem er ihre Anwesenheit vergessen hat. Im unteren Raum des Turms werden solche Portraits – hauptsächlich von Künstlern – gezeigt, und zwar von Woche zu Woche wechselnd. Im Oberstock gibt es einige ungemein wirkungsvolle Landschaftsaufnahmen, die Barbara Klemms Fähigkeit zu harmonischem und doch spannungsvollem Bildaufbau exemplarisch beweisen. Eine davon, die kontrastreiche Abbildung der „Windkämme“, einer Skulptur von Eduardo Chillida in San Sebastian, erscheint zur Ausstellung als Edition. Die erneut vom Kultursommer des Landes Rheinland-Pfalz geförderte Ausstellung „Augenblicke“ wird am Sonntag, 7. September, um 11 Uhr in Anwesenheit der Fotografin eröffnet. Claude W. Sui vom Forum für Fotografie der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen spricht einführende Worte, Musik machen Bernhard Vanecek und Claus Kisselbach mit Posaune und Vibrafon. (hap)