Kirchheim Pianistin Barbara Baun und Sänger Philippe Huguet über die Coronakrise

Haben derzeit schwer zu kämpfen: die Pianistin Barbara Baun und ihr Ehemann, der Sänger Philippe Huguet, aus Kirchheim.
Haben derzeit schwer zu kämpfen: die Pianistin Barbara Baun und ihr Ehemann, der Sänger Philippe Huguet, aus Kirchheim.

Seit einem Jahr sind fast alle Konzerte und Projekte weggebrochen, für viele Monate lief der Unterricht an den Musikhochschulen nur online, staatliche Hilfe blieb aus und dann hat sie das Virus erwischt: Für die Pianistin Barbara Baun und ihren Ehemann, den Sänger Philippe Huguet, ist die Coronakrise eine besonders harte Zeit.

Plötzlich war sie da, eine bleierne Müdigkeit an einem Freitag im November. Schon am Abend kam Fieber, das mehrere Tage blieb. Infiziert mit SARS-CoV-2 hatte sich Philippe Huguet am Dienstag zuvor bei einer Studentin – trotz Abstand und ständigen Lüftens. „Und dann hab ich ganz solidarisch meine Frau angesteckt“, erzählt er schmunzelnd, obwohl Covid-19 alles andere als spaßig ist. „Wir mussten viel husten“, sagt Barbara Baun, die das Virus dann auch noch an das jüngste ihrer vier Kinder weitergab. Der Unterschied zu einer Influenza sei die extrem lange Genesungsphase. „Selbst nach etlichen Wochen japst du nach Luft, wenn du eine Treppe hinaufgehst“, berichtet die 61-Jährige und vermutet nach dem jetzigen Wissensstand, dass sie im Februar 2020 schon einmal Corona gehabt hat. Der Geruchssinn sei bei ihr immer noch verschwunden. „Aber wir sind so froh, dass wir nicht ins Krankenhaus mussten“, betont Huguet. Freunde haben für die beiden Wahl-Kirchheimer eingekauft, manchmal auch einen Topf voll Suppe vor die Tür gestellt.

Körperlich gerade mühsam von den Folgen der Infektion erholt, geht der Kampf gegen die Auswirkungen der Pandemie auf allen anderen Ebenen weiter. Das ist nicht weniger anstrengend. So arbeitet Huguet derzeit quasi Doppelschichten. Denn er muss alle durch die Krankheit und die verordnete Hochschulschließung versäumten Gesangsstunden nachholen, da er sie sonst nicht bezahlt bekommt. „Ich habe insgesamt zwei Monate aufzuholen – parallel zum jetzt wieder laufenden normalen Unterricht“, erzählt der 58-Jährige, der als Freier Mitarbeiter an den staatlichen Musikhochschulen Stuttgart und Mannheim tätig ist. „Das ist extrem kräftezehrend.“ Mühsam seien auch Onlinestunden, weil die versetzte Übertragung kein synchrones Zusammenspiel ermöglicht und weil die simplen Laptop-Mikrofone „Störgeräusche“ verschlucken.

Tücken der Technik

Mit der wenig perfekten digitalen Technik könnten Musikschulen eventuell noch ganz gut umgehen, im Studium, wo es auf feinste Nuancen ankomme, sei diese Methode grenzwertig, sagt Baun. „Wenn ich mit jemandem ein Lied via Internet einübe, nehme ich die Klavierbegleitung auf, schicke ihm die Audiodatei und dann singt er dazu“, erläutert sie das Vorgehen an der Musikhochschule Mannheim, wo sie seit 1989 Dozentin ist. Der Gesang komme aber während des digitalen Unterrichts mit Verzerrungen bei ihr an und sie wisse nicht, ob das, was sie korrigiert, tatsächlich ein Fehler des Studenten war. So schleiche sich manche Unrichtigkeit ein, die später nur sehr schwer wieder zu beseitigen sei. Auf die Studierenden habe die Coronakrise enorme Auswirkungen, sagt Baun: „Es gibt inzwischen Drittsemester, die die Hochschule noch nicht einmal von innen gesehen haben. Zudem sind durch die Einschränkungen des öffentlichen Lebens fast alle Jobs weggefallen und sie können ihre Ausbildung kaum finanzieren.“

Apropos Verdienst: Während Baun als Lehrbeauftragte ein relativ sicheres Einkommen hat und nur hin und wieder als kleines Zubrot Konzerte gibt, ist Huguet sowohl als Dozent wie als Musiker freiberuflich unterwegs. Diese beiden Standbeine wackeln derzeit mächtig. „Normalerweise habe ich rund 30 Auftritte pro Jahr. Von März 2020 bis jetzt waren es gerade vier: im Juli auf Rügen, im September in Frankfurt sowie im Oktober in Gütersloh und in Kaiserslautern“, bilanziert er. Zusätzlicher Wermutstropfen: Nach manchem Vertrag hängen die Einnahmen auch noch von der Zuschaueranzahl ab, die in Pandemiezeiten sehr stark reduziert ist. „Bei kleinem Publikum auf Abstand schwingt auch nur wenig Energie im Saal mit“, bedauert Huguet, dem der direkte Kontakt mit anderen Menschen sehr fehlt. Einmal durfte er Interaktion aber sogar im Lockdown erleben: „Weil Livekonzerte nicht möglich waren, präsentierte ich hinter einem Fenster Jacques-Brel-Chansons, während sich die Besucher zuvor bestellte Speisen abholten und auf einer Bank sitzend aßen. Im Anschluss ergaben sich oft nette Begegnungen durch die Scheibe.“ Wie viel Gage er letztendlich bekommt, weiß er noch nicht, denn es wurde nur um Spenden gebeten. Solche Fensterkonzerte seien – ebenso wie virtuelle Darbietungen – ganz nett, „aber sie sind keinesfalls die Lösung“, betont der Sänger, der sich für alle Kulturschaffenden staatlich subventionierte Kurzarbeiter-Honorare wünscht. Seine eigentlich für eine neue Gesangsanlage gedachten Rücklagen seien aufgebraucht, auf die aus Berlin versprochene „unbürokratische Soforthilfe“ warte er vergeblich. „Die Politik nimmt uns Künstler nicht wahr, hat lediglich die Wirtschaft im Blick und da auch nur die Großunternehmen“, klagt er. Und man könne nichts planen, um die Situation zu verbessern.

„Etliche unserer Kollegen leben von Hartz IV und ein beachtlicher Teil wechselt sogar den Beruf“, weiß Baun, die im vergangenen Jahr gerade mal zwei wenig lukrative Konzerte in Freiburg und Neustadt hatte. Den 2007 von ihr, ihrem Mann und dem Bassbariton Dominik Wörner initiierten Kirchheimer Liedersommer habe sie 2020 sehr kurzfristig absagen müssen, weil das finanzielle Risiko unter den Hygieneauflagen zu hoch war. Jetzt plant sie die Veranstaltung unter dem Titel „Von fernen Wundern“ mit denselben Künstlern für den 12. bis 18. September. Auf die Werkstatt Lied als Vorbereitung, bei der Studierende die Texte von Schülern vertonen, müsse allerdings verzichtet werden. Das Leininger-Gymnasium in Grünstadt hat beschlossen, bis zu den großen Ferien keine außerschulischen Aktivitäten zuzulassen. Insgesamt soll der Liedersommer nicht ausfallen. „Wir müssen aber ein Konzept finden, das uns nicht ruiniert“, sagt Baun, die als Plan B ein übers Radio ausgestrahltes Geister-Konzert im Kopf hat. Das ginge aber nur, wenn ein Sender die Aufnahme übernimmt, macht sie klar. „Wir als Verein können uns kein Profi-Equipment und kein Technik-Team leisten.“

Zur Person: Barbara Baun und Philippe Huguet

Philippe Huguet wurde im Oktober 1962 im ostfranzösischen Besançon geboren. Der Grundschullehrer nahm Gesangs- und Schauspielunterricht am Konservatorium seiner Heimatstadt, wechselte nach Mulhouse im Elsass, ging 1989 nach Deutschland und erwarb 1993 sein Diplom zum Opernsänger an der Musikhochschule Mannheim. Nach Jahren als Sänger, Schauspieler, Regisseur, Autor und Komponist nahm er 2011 einen Lehrauftrag an der Musikhochschule in Stuttgart an und wurde 2013 auch Dozent in Mannheim. Dort unterrichtete Barbara Baun, die er 1999 heiratete, bereits seit 1989. Sie erblickte im Juli 1959 in Stuttgart das Licht der Welt und studierte in Frankfurt. Ihre künstlerische Reifeprüfung zur Klavierlehrerin und Solopianistin sowie in den Bereichen Liedgestaltung und Kammermusik legte Baun 1986 ab. Neben ihrer Lehrtätigkeit sind die in Kirchheim lebenden Eheleute als freiberufliche Musiker tätig.

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