Grünstadt Nichts für schwache Nerven

Antje Reinhard, Tänzerin und Leiterin des Projekts „Die Lichtbrunnen“, hat mit ihrem Ensemble das Parkhaus des Universitätsklini
Antje Reinhard, Tänzerin und Leiterin des Projekts »Die Lichtbrunnen«, hat mit ihrem Ensemble das Parkhaus des Universitätsklinikums Mannheim bespielt.

Der Kultur-Verein Industrietempel aus Mannheim bringt seit 1989 Kultur an außergewöhnliche Orte in der Stadt. Mit dem Projekt „Lichtbrunnen“ tauchen die Protagonisten diesmal das Universitätsklinikum Mannheim in ein völlig neues Licht. Unbedarfte Zuschauer konnten von der Inszenierung allerdings leicht überfordert werden.

Ein Krankenhaus bei Nacht. Eigentlich kein Ort, an dem sich Theater, Tanz und Musik vermuten lässt. Doch gerade deshalb hat der Kultur-Verein Industrietempel aus Mannheim diese Kulisse ausgesucht. „Urban Exploring“ – das Erkunden von verlassenen Stellen in der Stadt – nennt man diese Form des Theaters. Die Performance „Die Lichtbrunnen“ ist das erste von einer Reihe Jubiläums-Projekten, die anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Kulturvereins geplant sind. Der Rundgang vor dem Mannheimer Universitätsklinikum und der Tiefgarage ist aber nichts für schwache Nerven. Denn neben der ungewöhnlichen Kulisse besticht die Stationen-Performance durch das Thema Tod und eine zunächst gewöhnungsbedürftige Darbietung von Ausdruckstanz, Gesang und Lichteffekten. „Unser Ziel ist es, ein sonst so banales Gebäude des Alltags in einen magischen Ort zu verwandeln“, erklärt Thomas Reutter vom Industrietempel nach der Premiere. Eine Verwandlung durchleben der Klinikumspark und die davor gelegenen Schächte zur Tiefgarage tatsächlich. In buntes Licht getaucht wirkt die Szenerie fast schon gespenstig. Insgesamt werden an 13 Stationen verschiedene Darbietungen inszeniert. Dabei gibt es keine literarisch vorgeschriebene Handlung, eher einen bunten Flickenteppich, der im Groben auf die Geschichte des Klinikums und die Vergänglichkeit des Seins anspielen möchte. So können die Zuschauer von oben durch eine Art Brunnen-Schächte in die Tiefgarage blicken und dort diverse Krankenhaus-Szenen wie den Tod oder die Geburt eines Menschen beobachten. An einem anderen dieser „Brunnen“ singen vier Mitglieder der Kurpfälzer Madrigalisten mit gebrochenem Blick in ihren Krankenhausbetten ein Kirchenlied – ein beklemmender Anblick. Auch die Performance der Tanzgruppe „zwischenTanz“ löst, zumindest beim unerfahrenen Besucher, ein unbehagliches Gefühl aus. Einziger roter Faden ist die „Fackelträgerin“, gespielt von Simonetta Zilhardt, die das Publikum durch die einzelnen Stationen führt und sie mit literarischen, teilweise aber auch recht verwirrenden Texten kommentiert. Wie ein Voyeur blickt der Zuschauer von oben auf eine Szene herab. Es entsteht fast der Eindruck, als seien die 30 mitwirkenden Ensemble-Mitglieder einfach immer an diesem Ort und würden ihre Darstellung zum Besten geben. Der Blick von oben – der war vor allem für Projektleiterin Antje Reinhard ein wichtiger Faktor. Vor ihr seien viele Dramaturgen davor zurückgeschreckt, das große Parkhaus unter dem Klinikum zu bespielen, erzählt Thomas Reutter. Doch mit Hilfe der „Brunnen“ habe man die Fläche gut eingrenzen können. Am Ende wird der ganze Raum des Parkhauses ausgenutzt, alle singen gemeinsam „Guten Abend, gut’ Nacht“. Die Premiere der „Lichtbrunnen“ ist gut besucht. Rund 30 Beobachter drängen sich zum Zuschauen um die Tiefgaragen-Schächte. Und obwohl die Inszenierung teils wie eine wahrgewordene Angst-Fantasie erscheint, schafft sie es, beim Zuschauer sowohl ein Gefühl der Beklemmung als auch der Faszination hervorzurufen. Und vielleicht ist das ja genau die Magie, die der Industrietempel seit 30 Jahren vermitteln will. Als nächstes Jubiläumsprojekt veranstaltet der Kultur-Verein die Produktion „Dark“. Premiere ist am Samstag, 22. Juni. Hier sollen diesmal Zeichnungen junger Künstler an verlassene Stellen im Hafenviertel Jungbusch projiziert werden. Termine Die Performance „Die Lichtbrunnen“ wird noch einmal gezeigt am Freitag, Samstag und Sonntag, 7. bis 9. Juni, jeweils um 22 Uhr, am Haupteingang des Universitätsklinikums Mannheim (Neckarpromenade). Informationen zum Verein und zu weiteren Terminen gibt es im Internet unter www.industrietempel.de.

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