Battenberg Nach Tornado-Schaden: Kirchenglocken der läuten wieder

Völlig neu aufgebaut aus französischer Eiche ist der Glockenstuhl in der Martinskirche Battenberg, wie die Glockensachverständig
Völlig neu aufgebaut aus französischer Eiche ist der Glockenstuhl in der Martinskirche Battenberg, wie die Glockensachverständige Birgit Müller erläutert.

Gut zweieinhalb Jahre lang waren sie verstummt – jetzt sind sie wieder regelmäßig zu hören. Am Samstag wurden die drei Glocken auf dem Turm der protestantischen Martinskirche in Battenberg angeläutet. Etwa in einem halben Jahr werden sie perfekt klingen.

„Ich hätte nie gedacht, dass ich sie so vermissen werde“, sagte Battenbergs Bürgermeister Peter Schmidt am Samstag beim feierlichen Anläuten der drei Glocken, die Ende Februar wieder in den generalsanierten Turm der Martinskirche eingezogen sind. Ausgerechnet zum Kirchweihfest vor knapp drei Jahren hatte ein Tornado dem Gotteshaus einigen Schaden zugefügt. Bei den Untersuchungen offenbarte sich viel Pfusch aus der Vergangenheit. Der Herr habe wohl darauf hinweisen wollen, dass der frühgotische Sakralbau aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts bald zusammenbrechen würde, wenn man nichts täte, meinte Gunther Urban Ecker.

Versicherung zahlt 79.000 Euro

Der Architekt aus dem Saarland, der sich auf die Restauration von Denkmalen spezialisiert hat, blickte zurück auf den Hochsommer 2019: „Es war hier viel kaputt. Ich hab das Geläut erst einmal außer Betrieb genommen.“ Nicht alle Schäden habe man der Windhose zuschreiben können – die meisten Kosten habe die Beseitigung des Sanierungsstaus verursacht. „Die Bayerische Versicherungskammer hat für die Folgen des Unwetters 79.000 Euro gezahlt“, berichtete Ecker. Allein die Instandsetzung des Turms habe mit 210.000 Euro zu Buche geschlagen. Und dann sei immer mehr dazu gekommen. Unterm Strich ergab sich ein Finanzierungsbedarf von 630.000 Euro. Davon entfielen 100.000 Euro auf die Stabilisierung der Ostwand des Chorraumes: Sie bestand quasi aus losem Gestein, das nur durch Farbe zusammengehalten wurde.

Technisch ist nun alles auf dem neusten Stand

Für rund 60.000 Euro ist die Geläuteanlage wieder in Ordnung gebracht worden. 1668 hatte die Martinskirche ihre ersten zwei Glocken erhalten. 1957 wurden die jetzigen drei Produkte des Bochumer Vereins für Gussstahlfabrikation an das Gebälk gehängt, welches auf einem Sandsteinsockel auflag. „Wir haben stattdessen Stahlträger eingezogen, die dem neuen Eichen-Glockenstuhl langfristig Halt geben“, sagte die Glockensachverständige Birgit Müller. Auch technisch sei nun alles auf dem aktuellen Stand. Mit einer Fernbedienung brachte sie das h’, das d’’ und das e’’ in verschiedenen Kombinationen zum Klingen. Die etwa 70 Besucher des Anläutens lauschten andächtig, Müller dagegen eher kritisch. „Das scheppert metallisch auf einer Seite“, stellte sie fest. Zwar müssten sich Klöppel und Glocken aufeinander einspielen und diese „Flitterwochen“ könnten ein halbes Jahr dauern. Doch diese Misstöne müsse man zuvor unterbinden, kündigte sie eine beschleunigte „Eheschließung“ an.

Pfarrer Sascha Weber hofft, dass das Geläut zur Einweihung der Kirche am 24. April schön klingt. „Wo Glocken schweigen, zieht Barbarei ein“, sagte er. Über den Schützengräben hätten sie nicht geläutet, auch über den Konzentrationslagern nicht und über Charkiw höre man sie jetzt ebenfalls nicht. Der russische Systemkritiker Alexander Solschenizyn habe gesagt, dass Glockenklang uns davor bewahre, zu verwildern, so Weber, der das Geläut vorstellte. Die mit einem Durchmesser von 940 Millimetern und einem Gewicht von 358 Kilogramm größte Glocke mit der Inschrift „Memento Mori“ (Sei dir der Sterblichkeit bewusst) sei von der politischen Gemeinde für die Gefallenen der Weltkriege gestiftet worden, läute aber für alle Toten Battenbergs. Auf der mittleren Glocke stehe „Sursum Corda“ (Erhebet die Herzen), ein Teil der Abendmahl-Liturgie. Die kleine Glocke trage einen Kernsatz der Reformation: Sola Fide (Allein durch Glaube).

Restarbeiten müssen noch erledigt werden

Noch stehen laut dem stellvertretenden Vorsitzenden des Presbyteriums, Wolfgang Pahlke, ein paar Restarbeiten an. So seien noch Wände zu streichen, an der Elektrik etwas zu tun und hinter dem Altar, wo eine Bank gestanden hatte, fehle noch für rund 10.000 Euro Sandsteinboden. Da die kleine Kirchengemeinde nach all den Anstrengungen ein Minus von 30.000 Euro auf dem Konto habe, würden aktuell 40.000 Euro benötigt.

Einweihung

Offiziell eingeweiht wird die frisch sanierte Battenberger Martinskirche mit einem Gottesdienst am Sonntag, 24. April, um 14 Uhr.

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