Leiningerland Nach dem Einsatz im Katastrophengebiet: „Es waren belastende Bilder“

Wehrleiter Markus Ittel
Wehrleiter Markus Ittel

Interview: Die Bilder aus dem Katastrophengebiet im Norden des Landes wird Markus Ittel, Wehrleiter in der Verbandsgemeinde Leiningerland, so schnell nicht vergessen. Er sagt: „Ich hätte mir nie vorstellen können, solche Bilder einmal in Deutschland zu sehen.“

Herr Ittel, Sie waren mit 50 Feuerwehrleuten aus der Verbandsgemeinde Leiningerland von Donnerstag- bis Samstagabend im Katastrophengebiet im Norden des Landes eingesetzt. Ich kenne nur die Bilder und könnte heulen, wenn ich das Ausmaß der Zerstörung sehe. Wie war der Einsatz für Sie und die Kameraden?
Die Bilder sind das eine. Aber manche Sachen können Bilder nicht wiedergeben. Man bekommt einen ganz anderen Eindruck, wenn man vor Ort ist. Wenn Sie in Altenahr vor dem Friedhof stehen, der ist total verwüstet. Die Särge liegen offen auf dem Friedhof. Das kann man sich nicht vorstellen. Wir sind in Straßenzügen zugange gewesen, da war von den Häusern noch nicht einmal mehr das Fundament im Boden. Es war nur noch Schlamm. Es ist bedrückend. Ich hätte mir nie vorstellen können, solche Bilder einmal in Deutschland zu sehen. Wir haben dort mit vielen alten Menschen gesprochen. Sie haben gesagt: „So schlimm war es noch nicht einmal im Krieg.“

Bevor die Wehrleute der VG Leiningerland dann am Freitag endlich eingesetzt wurden, lief’s nicht ganz rund. Was war passiert?
Ja, es ist schleppend angelaufen, es gab eine große Chaosphase. Wir haben nicht verstanden, dass sie uns nicht gleich einen Bereich zugeteilt haben, wir hatten ja für 72 Stunden Einsatz alles dabei, was wir gebraucht hätten, Material, Verpflegung, Feldbetten ... Wir sind am Donnerstagnachmittag zum Sammelpunkt nach Emmelshausen (VG Hunsrück-Mittelrhein) an der A 61 gefahren. Die Nacht sollten wir in einem Firmengebäude dort in einem Gewerbegebiet verbringen. Die Firma hatte das Gebäude zur Verfügung gestellt, wir haben unsere Feldbetten dort aufgestellt. Nach einer halben Stunde musste ich meine Leute jedoch wecken. Es hieß: Wir sollen nach Grafschaft im Landkreis Ahrweiler fahren in den dortigen Bereitstellungsraum.

Am Freitag haben Sie dann endlich einen Auftrag erhalten und waren an den beiden Tagen in Dernau an der Ahr und in Altenahr und den dazugehörigen Orten im Einsatz. Was haben Sie dort vor allem gemacht?
Wir haben Keller leergepumpt und Erkundungen gemacht. Wir haben versucht, Bereiche zu erkunden, in die vorher noch keiner konnte, weil sie abgeschnitten waren. Da hatten wir zum Teil aber ellenlange Anfahrtswege, weil die Infrastruktur total kaputt ist: Für Orte, die eigentlich in 20 Minuten zu erreichen sind, brauchten wir 2,5 Stunden. Wir mussten Umwege fahren, über Waldwege und so weiter. Es sind ja zum Teil keine Straßen mehr da, nichts. Wir haben uns im wahrsten Sinn des Wortes durchgekämpft. Und in manchen Bereichen musste erst schweres Gerät eingesetzt werden, bevor wir durchkamen. Wir waren auch eingesetzt, um nachzuschauen, ob in den Häusern noch Personen sind.

Haben Sie Menschen gefunden?
Ja. Wir waren dabei, als Personen geborgen wurden. Wir haben im Vorfeld gefragt, wer bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen. Das ist keine schöne Aufgabe. Es waren zum Teil belastende Bilder, es war schon nicht einfach, was wir gesehen haben. Dass bei uns mitten in Rheinland-Pfalz Menschen im zweiten OG ertrinken – das konnte man sich nicht vorstellen. Sie kommen dahin und sehen an der Hausfront einen Meter über dem zweiten OG einen Streifen Dreck, so hoch stand das Wasser dort.

Bekommen die Wehrleute nach dem Einsatz Hilfe, um das Gesehene besser verarbeiten zu können?
Ja, wir haben ja Glück, das wir in Grünstadt den Förderverein Erweiterter Rettungsdienst haben. Als wir am Samstagabend zurückkamen, war Michael Feneis vom FERD da, hat eine kurze Ansprache gehalten und den Einsatzkräften Hilfe angeboten. Ich habe meinen Einsatzführern gesagt, sie sollen die Mannschaft ein bisschen im Auge behalten. Übrigens waren auch unser Verbandsbürgermeister Frank Rüttger und Kreisbeigeordneter Sven Hoffmann nachts da, um uns zu begrüßen.

Im Gebiet wird sicherlich noch lange Hilfe gebraucht. Würden Sie wieder hinfahren?
Ich würde mit der Mannschaft sofort wieder hinfahren. Es waren Feuerwehrleute von verschiedenen Ortsfeuerwehren der Verbandsgemeinde dabei und ich muss sagen, der Zusammenhalt der Feuerwehr im Leiningerland ist extrem. Ich kann als Einsatzleiter nur sagen: Ich ziehe den Hut vor den Leuten. Und ich bin froh, dass ich sie alle wieder heil heimgebracht habe.

Zur Person

Markus Ittel (50, Großkarlbach) ist seit 2018 Wehrleiter der Verbandsgemeinde Leiningerland. Er arbeitet als Energieelektroniker bei der BASF in Ludwigshafen.

Die Bilder

Die Fotos vom Einsatz in Altenahr und Dernau stammen vom stellvertretenden Wehrleiter Jochen Lander. Zur Verbandsgemeinde Altenahr im Kreis Ahrweiler gehören 12 Ortsgemeinden, darunter Dernau und Altenahr.

Die Fotos vom Einsatz in Altenahr und Dernau stammen vom stellvertretenden Wehrleiter Jochen Lander.
Die Fotos vom Einsatz in Altenahr und Dernau stammen vom stellvertretenden Wehrleiter Jochen Lander.
Die Fotos vom Einsatz in Altenahr und Dernau stammen vom stellvertretenden Wehrleiter Jochen Lander.
Die Fotos vom Einsatz in Altenahr und Dernau stammen vom stellvertretenden Wehrleiter Jochen Lander.
Die Fotos vom Einsatz in Altenahr und Dernau stammen vom stellvertretenden Wehrleiter Jochen Lander.
Die Fotos vom Einsatz in Altenahr und Dernau stammen vom stellvertretenden Wehrleiter Jochen Lander.
Die Fotos vom Einsatz in Altenahr und Dernau stammen vom stellvertretenden Wehrleiter Jochen Lander.
Die Fotos vom Einsatz in Altenahr und Dernau stammen vom stellvertretenden Wehrleiter Jochen Lander.
Die Fotos vom Einsatz in Altenahr und Dernau stammen vom stellvertretenden Wehrleiter Jochen Lander.
Die Fotos vom Einsatz in Altenahr und Dernau stammen vom stellvertretenden Wehrleiter Jochen Lander.
Die Fotos vom Einsatz in Altenahr und Dernau stammen vom stellvertretenden Wehrleiter Jochen Lander.
Die Fotos vom Einsatz in Altenahr und Dernau stammen vom stellvertretenden Wehrleiter Jochen Lander.
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