Grünstadt „Lauf, Fritzi, lauf!“

Der Hamburgerin Friederike Moebus, die im Juni 2009 nach Altleiningen in die Nähe ihrer Kinder zog und eine eifrige RHEINPFALZ-Leserin ist, hat sich auch ein Erlebnis aus dem Zweiten Weltkrieg tief ins Gedächtnis eingegraben. Davon möchte die 73-Jährige erzählen und einen kleinen Beitrag zu unserer Serie „Kriegskinder“ leisten.

„Im Juli 1943 war meine Familie in Hamburg ausgebombt, dann in Bayern evakuiert gewesen und nun – noch vor Kriegsende – zurückgekehrt in unsere Heimatstadt“, beginnt sie. Die Hansestadt war zum großen Teil zerstört, und so wohnte man auf einem Schrebergartengrundstück in einem so genannten Leyhaus – benannt nach dem Nazi Robert Ley, der das Deutsche Wohnungshilfswerk errichtete, um ausgebombten Bürgern eine Bleibe zu schaffen. Doch der Krieg war noch lange nicht zu Ende. „Es muss im Frühjahr 1945 gewesen sein. Ich war drei Jahre alt und mit Oma allein zu Hause“, erzählt Moebus. Die Mutter sei zu in Dänemark dienstverpflichtet gewesen und der Vater schwer krank. Noch gegenwärtig ist der Rentnerin der durchdringende Fliegeralarm, der durch die Nacht heulte, „hastiges Aufstehen und Angezogenwerden“. „Dann hetzten wir beide den dunklen Weg vor unserer Gartentür entlang. In meiner Hand hatte ich einen kleinen Koffer, vermutlich mit meinem Lieblingsteddy drin. Hinter mir die Oma, die immerzu wiederholte: ,Lauf, Fritzi, lauf!’.“ Merkwürdig klackende Geräusche seien zu hören gewesen, vom Himmel kommend, und gelegentlich ein Lichtkegel zu sehen. Vermutlich waren das die Flugabwehrkanonen, die Flak. „Wir liefen und liefen. Schließlich erreichten wir den Luftschutzbunker, kurz vor der Landstraße mit den Geschäften, wo wir immer Schlange stehen mussten“, so Moebus. „Männer erwarteten uns ungeduldig vor der offenen schweren Eisentür, winkten uns hastig hinein und schickten uns eine steile Treppe hinunter.“ Dort unten saßen dicht gedrängt viele Menschen, alte und junge. „Permanentes Gemurmel, wir blieben eine ganze Zeit lang zusammen.“ Als die Metalltür geschlossen war, habe es draußen bedrohlich rumort und die Erde habe manchmal gebebt. „Das spür’ ich noch heute“, sagt die 73-Jährige. Irgendwann habe wieder eine Sirene geheult. Entwarnung! „Die Leute strebten nach oben, raus aus dem Bunker. Erleichterung war zu spüren, im Gegensatz zur vorherigen Unruhe und Angst.“ Diesen Moment wird die Hamburgerin auch nie vergessen. „Als Oma und ich langsam nach Hause zurückgingen, meine kleine kalte Hand in ihrer großen warmen, waren in einiger Entfernung rauchende Trümmer zu sehen. Jemand von den Heimkehrenden in unserer Nähe meinte: ,Diesmal sind wir verschont geblieben.’ Das hofften wir auch von meinem Opa“, erinnert sie sich an die Sorgen auf dem Heimweg. Der Großvater habe sich stets geweigert, in den Luftschutzkeller zu gehen. „Er hatte Angst, verschüttet zu werden“, erläutert Moebus. Stattdessen pflegte sich der alte Mann bei Fliegeralarm im Garten in einen Graben zu legen – mit einem Sägebock darüber. „Wir fanden ihn wohlbehalten wieder.“ (abf)

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