Grünstadt Jürgen Kemp: Der Mann, der Grünstadt das Radfahren beibrachte

Umgeben von zahlreichen Bildern und Basteleien, die ihm Kinder geschenkt haben, lässt Polizeihauptkommissar Jürgen Kemp aus Grün
Umgeben von zahlreichen Bildern und Basteleien, die ihm Kinder geschenkt haben, lässt Polizeihauptkommissar Jürgen Kemp aus Grünstadt sein Berufsleben Revue passieren.

Generationen von Kindern verdanken Jürgen Kemp eine gute Vorbereitung auf die sichere Teilnahme am Straßenverkehr. Jetzt geht er in den Ruhestand. Jahrzehnte hat sich der Grünstadter Polizeihauptkommissar in der Jugendverkehrsschule engagiert. Ein angenehmer Arbeitsbereich. Nur einmal kam seine Dienstwaffe zum Einsatz.

Die meisten jungen Menschen aus Grünstadt und der Verbandsgemeinde Leiningerland sind Polizeihauptkommissar Jürgen Kemp im Laufe ihres Heranwachsens mehrfach begegnet: in der Kita, als Erst- und als Drittklässler sowie eventuell noch in der weiterführenden Schule oder auf einer Veranstaltung. Er ist so bekannt, dass er es sich niemals erlauben würde, ohne Helm in die Pedale zu treten – obwohl es nach wie vor keine Fahrradhelmpflicht gibt. „Sobald mich ein Kind ohne Kopfschutz sieht, ist meine Glaubwürdigkeit dahin“, sagt Kemp.

Ebenso wenig könnte der gebürtige Wormser, der in Bockenheim aufgewachsen ist, seinen Wagen im Halteverbot parken. Abgesehen davon, dass es natürlich verboten sei, gehe so etwas als „bunter Hund“ nicht einmal für wenige Minuten, weiß er. Der Dienststellenleiter der Polizeiinspektion (PI) Grünstadt, Sigfried Doll, bezeichnet Kemp als „ein regelrechtes Markenzeichen der Region“. Bei seinen unzähligen Kontakten habe der Beamte „stets ein positives Bild der Polizei vermittelt“, lobt er. Kemp betont, dass er seine Berufswahl niemals bedauert habe. „Es war die richtige Entscheidung“, bekräftigt er. Etwas mit Elektrotechnik hätte er sich auch noch vorstellen können, aber „nachdem ich nach dem Realschulabschluss 1978 die Aufnahmeprüfung bei der Bereitschaftspolizei in Enkenbach-Alsenborn bestanden hatte, war der Weg klar“.

Lehrzeit: Nachtübungen im Schnee

Zumal man als Anwärter bei der Polizei deutlich mehr Geld bekam als andere Auszubildende. Dafür war die Lehrzeit auch speziell. Sie war militärisch organisiert in einem streng hierarchisch strukturierten System. Kemp erinnert sich an Gewaltmärsche in voller Montur und Nachtübungen im Schnee. „Die ersten Frauen kamen erst Anfang der 1990er zur Polizei“, blickt er zurück. Heute sehe die Ausbildung vollkommen anders aus. Wer den gehobenen Dienst anstrebt, studiert an der polizeilichen Fachhochschule.

Von Enkenbach-Alsenborn ging es für Kemp zur PI Bad Dürkheim. Dort war er nur drei Monate tätig, hatte aber ein einschneidendes Erlebnis: Bei einem Verkehrsunfall musste der damals 20-Jährige seine Dienstwaffe ziehen. Ein Pferd war so schwer verletzt, dass es erlöst werden musste. Dieser Moment ist Kemp ziemlich nachgegangen. „Das Tier stand noch, ich schaute ihm direkt in die Augen, als ich schoss“, erzählt er, betont aber, wie froh er ist, dass er seine Pistole bis zum heutigen Tag nicht gegen Menschen einsetzen musste. „Zum Glück ist mir so etwas wie das Familiendrama in Kirchheim im Oktober 2018 erspart geblieben“, sagt der 61-Jährige. Damals hatte ein junger Mann seine Mutter mit einer Schere getötet und zwei Beamte schwer verletzt, bevor er von diesen erschossen wurde.

Ein begeisterter Motorradfahrer

Seit Mai 1980 gehörte Kirchheim auch zu seinem Zuständigkeitsbereich, denn Kemp konnte zur Inspektion in Grünstadt wechseln, was ihm wegen der Wohnortnähe sehr gut gefiel. 1987 bekam der begeisterte Motorradfahrer dann die nächste Chance, die er sich nicht entgehen ließ: Er übernahm die Jugendverkehrsschule. In Kindergärten zeigte er den Winzlingen das richtige Verhalten als Fußgänger, mit angehenden Erstklässlern übte er den Schulweg. Neun- bis Zehnjährigen brachte Kemp das Radfahren bei, ältere Kinder bildete er zu Schülerlotsen aus, Jugendliche bereitete er auf den Führerscheinerwerb vor und sensibilisierte sie für die Gefährlichkeit des Fahrens unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen. In der jüngeren Vergangenheit sei Verkehrstraining für Senioren dazugekommen – was seit zwei Jahren wegen Corona ausgebremst ist.

„Verkehrserziehung hat mich erfüllt. Statt mit Betrunkenen, Randalierern und Kriminellen hat man es mit Familien aus allen sozialen Schichten zu tun. In der Regel wird ein freundlicher Umgang miteinander gepflegt, es gibt kaum Konfliktsituationen“, sagt der zweifache Vater und Opa. Er habe immer Riesenspaß mit der Jugend gehabt und sei reich mit Gebasteltem und Gemaltem beschenkt worden. „Irgendwann mache ich eine Ausstellung“, sagt Kemp und lacht, weil ihm eine Anekdote einfällt: Einmal habe er mit Abc-Schützen am Zebrastreifen gestanden und gefragt, wer sich traue, den ersten Schritt zu machen. „Da meldet sich ein Siebenjähriger und sagt: ,Ich mach’s. Ich hab mein Leben gelebt.’“

Mit 1000 Kindern pro Jahr das Radeln geübt

Heutzutage trainierten oft schon Kleinkinder ihren Gleichgewichtssinn auf Laufrädern, seien aber später längst nicht mehr so beweglich wie früher, sagt Kemp. „Ich erinnere mich an einen Drittklässler, der nicht aufs Fahrrad aufsteigen konnte, weil er die Beine nicht so hoch kriegte.“ Pro Jahrgang habe er immer eine Handvoll Jungen und Mädchen gehabt, die die Radfahrprüfung nicht im ersten Anlauf schafften. Dabei sei die Ausbildung wichtiger denn je, da der Verkehr erheblich zugenommen habe. Jährlich rund 1000 Kinder aus dem gesamten Landkreis haben bei Kemp das Radeln gelernt. Im März wird er die letzten Grundschüler unterrichten.

Die Verkehrsregeln hätten sich über die Jahrzehnte nur minimal verändert, sagt der Beamte, der seit 2003 Vorsitzender der Kreisverkehrswacht Bad Dürkheim Nord ist (nachdem er seit 1992 die Position des Stellvertreters innehatte). Als er bei der Bereitschaftspolizei war, wurden die ersten verkehrsberuhigten Bereiche geschaffen. Seit 1993 dürfen unter Zwölfjährige, wenn sie kleiner als 1,50 Meter sind, nur im Kindersitz mitfahren.

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