Grünstadt Hettrum probt den Hexit

„Schweres Personal ist gut zu finden“: Der Musikantenstadl mit den Musikern der Band „Diamonds“ ist richtig witzig.
»Schweres Personal ist gut zu finden«: Der Musikantenstadl mit den Musikern der Band »Diamonds« ist richtig witzig.

Ob Hettenleidelheim im kommenden Jahr noch Vertreter der Verbandsgemeinde Leiningerland bei der Prunksitzung begrüßen kann, ist fraglich. Denn die Hettenleidelheimer fordern den „Hexit“ – den Austritt aus der Verbandsgemeinde Leiningerland. Warum? Das besingen die Sumpflerchen: „Wir fühlen uns verschaukelt, nicht richtig informiert …“ (Melodie: „Living Next Door To Alice“). Die Männer mit den super Stimmen fragen: Warum müssen wir als VG fürs CabaLela in Grünstadt zahlen? Und bleiben mit den Zahlungen für unsere beiden Schwimmbäder so ganz allein? Nun ja, dann wären da noch die Schulgebäude der alten VG Grünstadt-Land, die zu renovieren sind, während die in Hettenleidelheim (natürlich) auf dem neuesten Stand sind, Gleiches gilt für Wasserleitungen und Kläranlagen. Ergo: „Der Niederhöfer hat uns an der Nase rumgeführt.“ Bei der Fasnacht in Hettenleidelheim wird laut über Politik geschimpft. Dem „Roten Tunkas“ merkt man den Frust über die Vereinigung der Verbandsgemeinden immer noch an. „Totgespart“ habe sich die VG Grünstadt-Land. Die Suppe hätten jetzt alle auszulöffeln, heißt für ihn: Wir, die Hettrumer, finanzieren die von Grünstadt-Land mit. Natürlich spricht da ein Mann, der jeden Tag selbst mit dieser Suppe zu tun hat – und obendrein in der Kommunalpolitik beheimatet ist: Johannes Peter Schwalb ist Beigeordneter der VG, und das einzige Rote an ihm ist die Narrenkappe, die er trägt. Seine Kritik will nicht beleidigend sein. Deftig ist sie: Der Architektin, die für die Renovierung der Alten Schule verantwortlich ist, „fehlt Erfahrung“, der Gemeinderat Hettenleidelheim „müsste sich schämen“, und bei der RHEINPFALZ „scheint mir die Wertigkeit verschoben“. In seiner Kritik an Reinhold Niederhöfer, dem ehemaligen Bürgermeister der Verbandsgemeinde Grünstadt-Land, schießt der Rote Tunkas, seit 1973 auf der Bühne, allerdings übers Ziel hinaus! Das Thema Mann und Frau liefert bis in alle Ewigkeit zuverlässig Prunksitzungspointen: Karl Auer (Bernd Lange) und Jean Bernack (Thomas Andel) parlieren beim Guinness unbeeindruckt von allen Gender-Debatten munter vor sich hin: „Bei meiner Frau ist es wie mit dem Wein: Es gibt bessere, aber zum Kochen langt’s.“ Und Margit Deubert und Karl-Heinz Hofrath können die Nachteile des jeweils anderen Geschlechts zwar im Schlaf aufzählen, wissen aber auch die Vorteile einer Beziehung zu schätzen („Allein ist’s ja so kalt im Bett…“). Auch der „Harry vom Nackterhof“ („Wir haben dort 300 Einwohner, 250 davon haben vier Beine und wiehern“) hat Erfahrungen mit Mann und Frau. Nur: Der Bub ist 16 und die Frau seines Lebens seine Mutter („voll peinlich“). Harry Müller, mit lädiertem Arm auf der Bühne, ist dagegen alles andere als peinlich: Der junge Mann, „die Jugend vun heit“, ist gut und hält seinen Vortrag auswendig. Respekt. Respekt auch für einen anderen jungen Mann auf der Bühne: Die Leistung des Tänzers Tim Dommermuth ist mit dem Wort „atemberaubend“ nur unzureichend beschrieben. Der vielfache Rheinland-Pfalz-, Süddeutsche und Deutsche Meister im Paartanz von den Heßheimer Kiesbolle ist ein Schatz für diese Sitzung. Weniger grazil, dafür unglaublich lustig ist der Auftritt der Musiker und der beiden Sängerinnen vom Musikantenstadl: Ein Brüller, wie sie musikalisch die unterschiedlichen Arten des Furzens darstellen – eine Tuba und eine Posaune können in dieser Hinsicht wahre Wunder bewirken. Sitzungspräsident Stefan Frey darf zu Text und Musik die passenden Gesichtsausdrücke mimen – es gelingt ihm ausgezeichnet. Überhaupt die Musik: Sie trägt wesentlich zur guten Unterhaltung in der ausverkauften Gut-Heil-Halle bei. Sei es die Band „Diamonds“, die durch den Abend spielt (und aus deren Spielern sich der Musikantenstadl rekrutiert), sei es Stimmungssänger Michael Menke, der Fassenacht-Hits zum Mitsingen dabei hat, oder eben jene witzigen Musiker vom Musikantenstadel, die an die aus der Franken-Fasnacht bekannte Altneihauser Feierwehrkapell’n aus der Oberpfalz erinnern. Wo gefeiert wird, da fließt oft auch Alkohol: etwa bei Ute und Wolfgang Becker, die – super Mimik, aussagekräftige Klamotten – einen Fernsehspot für Schnaps aufzeichnen, oder beim Vocatus Suff’isant (Peter Müller), der in seinem Vortrag über eine Reise auf die Inselgruppe Spirituosen die Namen von sage und schreibe 69 alkoholischen Getränken unterbringt: Vor der Reise war er beim „Bischoff“, auf dem Flug schwitzt er „Blutwurz“, später liegt er unterm „Eichbaum“, bevor er sich einem Urlaubs-Flirt nähert (Motto: „Ich bin doch kein kleiner Feigling“). Zum Kaputtlachen! Ganz ohne Worte bleiben Jutta Oswald und Maren Deubert und es ist erstaunlicherweise ganz ruhig in der Festhalle, als sich die beiden Damen – stumm wie die Fische – mithilfe von Plakaten unterhalten. Tolle Idee! Und dann sind da noch diejenigen, die das Publikum mit Ausdauer und Körperlichkeit beeindrucken: die Tänzerinnen der Feuerio-Garde, die ihr Geschäft verstehen, das goldige Kindertanzpaar Hanna und Lorenzo sowie die „Old Bones“, die alten Fußballer-Knochen des VfR, die – und da zuckt man in Zeiten permanenter Terrorwarnungen dann doch kurz zusammen – mit roten Ganzkörperanzügen, Guy-Fawkes-Maske und Sturmgewehren (Plastik!) in den Saal schleichen, um auf der Bühne einen Banküberfall zu tanzen. Ehrensache, dass es auch für die Gangster-Bones ein Küsschen von Prinzessin Jennifer und Applaus von Prinz Sven gibt, die mit dem Elferrat des Karnevalvereins Feuerio das Geschehen von hinten betrachten. Und – wie das Publikum auch – eine Fasnachtssitzung im besten Sinn erleben.

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