Grünstadt Grünstadts Polizei-Chef Sigfried Doll: Abschied vom Traumberuf

Sigfried Doll hat in der Inspektion keine Uniform getragen, bei offiziellen Anlässen schon. Das Foto zeigt den Grünstadter Inspe
Sigfried Doll hat in der Inspektion keine Uniform getragen, bei offiziellen Anlässen schon. Das Foto zeigt den Grünstadter Inspektionsleiter beim jüngsten Weinstraßen-Marathon: »Er fordert uns zwar, aber es ist eine superschöne Veranstaltung. Der Marathon war immer ein Highlight«, sagt er.

Sigfried Doll war 45 Jahre lang bei der Polizei – jetzt wird der Grünstadter Inspektionsleiter in den Ruhestand verabschiedet. Er ist dankbar für die Zeit – und würde den Beruf immer wieder ergreifen, auch weil er die Polizei als Familie kennengelernt hat.

Sigfried Doll ist in seinem Berufsleben immer in Bewegung geblieben – vom ersten bis zum letzten Arbeitstag am selben Ort zu arbeiten, hätte er sich nicht vorstellen können. Und so hat er sich in seinen 45 Jahren bei der Polizei häufiger neu orientiert: Er war bei der Schutzpolizei und bei der Kriminalpolizei, er war in Ludwigshafen und Worms, in Mainz und Kirchheimbolanden – und zuletzt in Grünstadt, wo er zehn Jahre lang die 50 Männer und Frauen zählende Inspektion geleitet hat. Bald wird Doll 62 Jahre alt, am Freitag wird er in den Ruhestand verabschiedet.

In den Tagen zuvor trifft man einen wehmütigen Mann: Doll freut sich auf die freie Zeit, auf Radeln, Reisen, Motorrad fahren und die Auftritte bei der Fasnacht und er ist sich sicher, dass er nicht in das berühmte Ruhestands-Loch fallen wird. Aber eines weiß er auch: „Die Kollegen werden mir fehlen.“ Auf sie lässt er nichts kommen: „Ich habe Menschen kennengelernt, die wirklich motiviert sind und für den Beruf und für Gerechtigkeit einstehen. Sie meistern sehr mutig Situationen, in denen andere vielleicht zögern würden, holen Menschen aus verrauchten Häusern, wenn die Feuerwehr noch nicht da ist. Diese Menschlichkeit, diese Kollegialität werden mir fehlen.“

Doll hat seinen Beruf gern ausgeübt, es war sein Traumberuf. Ein Vorbild zu sein, das vorzuleben, was man sagt, sei ihm wichtig gewesen, sagt Doll. „Ich bin gern bei meinen Leuten und stehe zu den Rollen, die ich habe“, betont Doll. Dazu gehörten neben der Kommunikation mit den Vorgesetzten in Ludwigshafen ein offener und transparenter Umgang mit den eigenen Leuten und eine gute Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeit – Kommunen, Netzwerken, Presse.

Der Präsident in Mainz

Die Kommunikation mit der Öffentlichkeit war beispielsweise besonders gefragt, als der amerikanische Präsident George W. Bush 2005 in Mainz war. „Der Besuch verwandelt Mainz in eine Hochsicherheitszone, wie sie Deutschland noch nicht erlebt hat“, schrieb der „Spiegel“ damals. Doll gehörte zu den Tausenden von Beamten aus der ganzen Republik, die damals für Bushs Sicherheit sorgten und sagt: „Wir hatten die Aufgabe, die Öffentlichkeitsarbeit zu machen und zu gucken, dass die Anwohner ein Verständnis für die Absperrmaßnahmen entwickeln. Wir waren so ein bisschen Sorgentelefon, Blitzableiter ...“ Nach der Abreise des Präsidenten sei er auch stolz gewesen, dass alles glatt lief und sich gedacht: „Du hast deinen Teil dazu beigetragen.“

Mit Freude erinnert sich Doll an die Aktion „Wer nichts tut, macht mit“ in Kirchheimbolanden, wo er von 2001 bis 2012 stellvertretender Inspektionsleiter war. Ziel der gemeinsamen Kampagne mit der VG Kirchheimbolanden, die 2007 startete, war es die Zivilcourage der Bürger zu fördern. „Dafür haben wir einen Bundespreis bekommen“, erinnert sich Doll.

Doch es gab auch weniger schöne Dinge in jenen Jahren unterhalb des Donnersbergs: Anfang der 2000er Jahre musste die Polizei oft in den Einsatz zu Skinhead-Konzerten in Dreisen, 2009 wurde in Stetten ein Rockerclub-Chefs durch Mitglieder eines anderen Clubs getötet.

Die Zeit in Mainz – wo Doll von 1994 bis 1999 „im Rauschgift“ war – war auch nicht ohne, aber: „Es war eine tolle Zeit, die ich nicht missen möchte“, sagt Doll und berichtet von Einblicken in die Szene. Damals sei eine Großraum-Disco bei Mainz, in der „Ecstasy vertickt wurde wie verrückt“ hochgenommen worden.

Kleine Sachen, die Wirkung erzielen

Es sind nicht nur die „großen Geschichten“, es sind auch die weniger spektakulären Dinge, die einen Unterschied machen. „Es sind viele kleine Sachen, die man als Polizist bewirken kann.“ Dazu gehöre das Erfolgserlebnis, wenn durch gezielte Streifenfahrten die Anzahl der Einbrüche in einem Gebiet zurückgehen oder wenn durch Kontrollen verhindert werde, dass Betrunkene am Steuer sitzen.

Die Polizei kommt nicht mit dem Blumenstrauß, sie lobt auch keinen, wenn er sich an die Tempovorgaben hält – die Beamten sind (außer bei Präventionsaktionen) eigentlich immer dann gefragt, wenn es brenzlig wird. Eine gewisse Stressresilienz ist da unabdingbar. Das lernten die Polizisten in der Ausbildung, sagt Doll, dem es Spaß macht, zu sehen, wie sich die jungen Leute entwickeln. Überhaupt keine Freunde macht ihm hingegen, wenn seine Leute beleidigt werden: „Mir tut es superleid, wenn die aufs Übelste beschimpft werden“, sagt der Erste Kriminalhauptkommissar, der jüngst bei einer der Montagsdemonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen selbst angegiftet worden ist. Er sieht das abgeklärt: „Die beleidigen nicht mich persönlich, sondern meine Uniform.“

Schwierige Situationen

Manchmal bleibt es nicht bei Beleidigungen, manchmal werden die Polizisten im Einsatz angegriffen. 2015 haben Polizisten in Grünstadt einen Mann erschossen, um ihr eigenes Leben zu schützen, 2018 in Kirchheim. „Das waren schwierige Situationen“, sagt Doll. Hier sei es als Vorgesetzter wichtig, den Druck von den Kollegen zu nehmen. Und es sei wichtig gewesen, dass die Verantwortlichen des Polizeipräsidiums in Ludwigshafen damals mit „hohem Respekt und Verständnis“ auf das Geschehen reagiert hätten, so Doll. Die Grünstadter Polizeiführung wiederum stand mit den Familien und Angehörigen der Getöteten in Kontakt und nahm an den Trauerfeiern teil.

Sigfried Doll hat in den vergangenen zehn Jahren in Grünstadt 20 Kollegen in den Ruhestand verabschiedet. Zudem waren in der Dienststelle „rund 60 Kollegen“ im Durchlauf, sie waren einige Zeit im Leiningerland im Einsatz und wechselten dann – oft (weil sie von dort kamen und heimatverbunden waren) in die Westpfalz. Neben Doll gehen in den nächsten zwei Jahren fünf weitere Kollegen in den Ruhestand: „Die Dienststelle hat sich dann verjüngt“, sagt Doll, der Ideen der jüngeren Kollegen durchaus „erfrischend“ findet. Erfrischend ist auch, was er und seine Frau neben den „Aktiv-Plänen“ noch im Ruhestands-Repertoire haben: „Wir nehmen ein Glas Wein, legen uns in den Garten und dann chillen wir einfach mal.“

Zur Person

Sigfried Doll ist in Oberweiler-Tiefenbach (Kreis Kusel) aufgewachsen und wohnt mit seiner Frau in Sausenheim. Seit 2012 war er Leiter der Polizeiinspektion Grünstadt, von 2001 bis 2012 war er stellvertretender Inspektionsleiter in Kirchheimbolanden. Von 1999 bis 2001 arbeitete Doll bei der Polizeidirektion Worms als Sachbearbeiter für Kriminalitätsbekämpfung, von 1994 bis 1999 bei der Kriminaldirektion in Mainz (Rauschgift). Von 1990 bis 1994 absolvierte Doll für den Wechsel von der Schutz- zur Kriminalpolizei den Kommissarlehrgang in Koblenz. Von 1985 bis 1990 war er in Kirchheimbolanden als Schutzpolizist im Streifendienst. Doll begann seine Ausbildung 1977 in Enkenbach („Es war fast eine militärische Ausbildung“) und war in seinen Anfangsjahren unter anderem auch in Ludwigshafen tätig. Bevor Doll die Zusage für die Ausbildung zum Polizisten bekam, lernte er für ein halbes Jahr Starkstromelektriker bei den Pfalzwerken.

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