Grünstadt Fremdartig und doch ganz nah

In stimmungsvolles orangefarbenes Licht getaucht: Mehmet Ungan, Ute Kreidler und Johannes Vogt (von links).
In stimmungsvolles orangefarbenes Licht getaucht: Mehmet Ungan, Ute Kreidler und Johannes Vogt (von links).

Am Samstagabend hat im neuen Kulturzentrum Klangraum 21 in Ebertsheim einfach alles gestimmt: Hervorragend dargebotene Musik, ein interessiertes, aufmerksames Publikum von vielleicht 50 Zuhörern und eine erfrischende und stärkende Bewirtung: ein uneingeschränkter Erfolg für die seit Jahren in der Alten Papierfabrik lebende Sängerin Ute Kreidler, die nicht nur Initiatorin des Klangraums ist, sondern vorher Plätzchen gebacken hatte und vor allem hinreißend sang.

Das Konzert war Teil der neue Reihe der Ebertsheimer Sommerkonzerte, die am Tag vorher von Ortsbürgermeister Bernd Findt (FWG) mit herzlichen Worten und dem Wunsch eröffnet wurde, dass mehr und mehr Ebertsheimer den Weg in den Klangraum 21 finden mögen. Das Samstagskonzert war mit „Schönheit der Vielfalt – Begegnung von Orient und Okzident in Mittelalter und Renaissance“ überschrieben – ein anspruchsvolles Programm, das Gesänge der Heiligen Hildegard von Bingen ebenso enthielt wie muntere Strophenlieder des türkischen Sufi-Poeten Yunus Emre, sehnsuchtsvolle Liebeslieder der sephardischen Juden wie Verse von Chrétien de Troyes. „Die weltweite Migration, die für viele Menschen Sorge und Ängste hervorruft, war zugleich immer in der Weltgeschichte Befruchtung für Neues, Chance und Belebung“, sagte Burkhart Braunbehrens einleitend und stellte pointiert anhand zweier lebender Elefanten, die im Mittelalter zu Zeiten Karls des Großen und später Friedrichs II. über die Alpen kamen und in Deutschland große Sensation machten, wesentliche Aspekte der Polarität zwischen christlicher und islamischer Welt dar. Alter Musik aus beiden Kulturkreisen war das Konzert gewidmet. Im schlicht, klar und offen gestalteten Klangraum musizierten Ute Kreidler (Gesang), Mehmet Ungan (Ney und Oud), der Gründer der Akademie für orientalische Musik in Mannheim, und Ute Kreidlers langjähriger musikalischer Partner an der Laute, Johannes Vogt, der eine Theorbe spielte, also eine Langhalslaute mit klangverstärkenden Resonanzsaiten. Sie musizierten, um es kurz zu sagen, ganz vorzüglich. Ute Kreidler ist die ideale Interpretin für diese Musik, die nicht in Taktstriche eingezwängt ist. Sie lässt die melodischen Linien lebendig und differenziert atmen; der Klang ihrer Stimme ist klar und in jedem Register unangestrengt und wohltönend. Und die beiden Lautenisten spielten so einträchtig, dass man immer wieder meinen möchte, es sei nur ein Musiker am Werk. Es ist bei dieser alten Musik so, dass nur einstimmige Melodielinien überliefert sind, so dass das, was zur Begleitung oder besser Umspielung des Gesangs erklingt, von den Interpreten entwickelt wird. Mehmet Ungan und Johannes Vogt fanden hier stets hervorragend zusammen und bereicherten dezent, aber eigenständig. Schließlich ist die orientalische Oud nichts anderes als die europäische Laute (La Oud). Zeitsprung ins Jahr 1215: In altprovenzalischer Sprache singt Ute Kreidler „rumreicher König“ von Giraut de Bornelh, ausdrucksstark und voller Ruhe. „Ich habe mich in den Duft einer schönen Frau verliebt. Aber es war Nacht. Wenn ich mich wieder einmal in den Duft einer schönen Frau verliebe, werde ich darauf achten, dass es Tag ist.“ Das ist der Text eines sephardischen Lieds – Traditionsgut jener Juden, die Jahrhunderte lang in Spanien unter islamischer und christlicher Herrschaft lebten, bis sie im 15. Jahrhundert vertrieben wurden. Es erfreute eine in weiten Bögen ausschwingende Melodie, mit kräftiger Leichtigkeit, makellos klar und mit fein geführter Stimme vorgetragen, dazu spanisch anmutendes Saitenspiel. Es folgte etwas ganz Seltenes: Von Beatrice de Dia, einer Troubadourin des Mittelalters, sind genau vier Lieder überliefert, davon eines mit Noten – Beweis dafür, ebenso wie der folgende Gesang Hildegards von Bingen, dass Frauen damals nicht in jedem Fall von künstlerischer Produktion ausgeschlossen waren. Manchmal sang Mehmet Ungan kernig und greift zur Ney, einer Schilfflöte, die hauchig klingt und Tonmodulationen erlaubt, die für die einstimmige orientalische Musik typisch sind, im Abendland eher als unsauber gelten, weil sie im Zusammenklang mehrerer Töne stören würden. Und er wusste, ebenso wie Ute Kreidler, Wissenswertes über die Stücke zu erzählen, die sie dem Hörer näherbringen. Reizvoll die Kombination orientalischer Tonskalen mit der Musik Hildegards, schwungvoll ein hübsches Strophenliedchen, dem man sein hohes Alter gar nicht anhört, und manches andere, etwa das Volkslied „Üsküdara“, um dessen Ursprung sich die Türkei mit mehreren Balkanländern streitet, „Can vei la lauzeta mover“ von Bernart de Ventardon (1130-1190) oder das „Lamento di Tristano“ aus dem 14. Jahrhundert. Das Publikum war von alledem entzückt und freute sich, zum Schluss einen Refrain engagiert mitsingen zu dürfen.

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