Grünstadt Ein Sohn Grünstadts

Seekatz-Werk: „Gesellschaft mit Wahrsagern“.
Seekatz-Werk: »Gesellschaft mit Wahrsagern«.

Johann Conrad Seekatz (1719-68) war ein mäßig bekannter Maler des 18. Jahrhunderts, der in der Hauptperiode seines Schaffens als Hofmaler in Darmstadt wirkte und nach seinem Tod rasch vergessen worden wäre – wenn ihm nicht Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe durch Erwähnung in „Dichtung und Wahrheit“ einen Platz im Gedächtnis des bildungsbeflissenen 19. Jahrhunderts gesichert hätte. Seekatz ist ein Sohn Grünstadts. Sein Todestag jährt sich heute zum 250. Mal.

Nach Ausweis des lutherischen Kirchenbuchs kam Seekatz am 4. September 1719 als Sohn des gräflich leiningischen Hofmalers Johann Martin Seekatz und seiner Frau Juliana Magdalena auf die Welt. Die Eltern stammten aus Westerburg, dem zweiten Sitz des gräflichen Hauses. Was Johann Martin in Grünstadt zu malen hatte, weiß man nicht. Vielleicht stammt das Deckengemälde im Oberhof (Stadtbücherei) von ihm. Sohn Johann Conrad hat in Grünstadt nur fünf, sechs Jahre verlebt. Schon 1725 gab sein Vater die wohl wenig einträgliche Grünstadter Hofmalerstelle auf und folgte seinem Vetter Georg Christian Seekatz nach Worms. Der war als nassau-weilburgischer Hofmaler nach Kirchheimbolanden gekommen. Von ihm stammen die drei Wechsel-Bilder für den Kanzelaltar der dortigen Paulskirche. Jetzt aber hatte er die Bemalung beider Emporenbrüstungen der neuen Heiliggeistkirche in Worms mit Ornamenten und biblischen Bildern übernommen und konnte die Hilfe seines Vetters brauchen. In Worms waren auch mehr Aufträge aus der Bürgerschaft zu erwarten. Aber schon vier Jahre später, 1729, stirbt Johann Martin. Sein 18-jähriger Sohn übernimmt den unvollendeten Auftrag, Johann Conrad, zehnjährig, wird ihm dabei geholfen und dabei die Künste des Malerhandwerks erlernt haben. Selbstständig wird er erst 1747, mit 28 Jahren greifbar. Mit seinem jüngeren Bruder Georg Christian übernimmt er Anstrich und Vergoldung des Pfarrstuhls, der Kanzel und der Emporenbrüstungen in der Bergkirche in Osthofen. Dazu gehören auch zehn in raschem Strich gemalte Emporenbilder mit biblischen Szenen, die dort noch erhalten sind, aber keinen großen Künstler zeigen. Es handelt sich um gemalte Übernahmen von Kupferstich-Illustrationen der Merian-Bibel. Johann Conrad muss gefühlt haben, dass er im Familienkreis wenig lernen konnte. Denn er nimmt schon ein Jahr später die Chance wahr, Schüler des Mannheimer Malers Philipp Hieronymus Brinckmann zu werden. Hier, am Hof des Pfälzer Kurfürsten, gibt es eine Gemäldegalerie, in der er ausgiebig die Malerei erster Künstler studiert. Brinckmann ist ein Allrounder, der alles liefert, was der Hof verlangt. Geschätzt werden besonders seine Landschaftsbilder. Auf welchem Weg Seekatz Hofmaler in Darmstadt wird, ist unbekannt; möglicherweise hängt es damit zusammen, dass die damalige Landgräfin aus einer Leininger Seitenlinie stammt. Er ist nur zweiter Hofmaler und hat so wenig Beschäftigung und Honorar, dass er sich nach Aufträgen umsehen muss. Etwa im Frankfurter Bürgertum. So kommt er mit der Familie Goethe in Kontakt. Johann Caspar Goethe, der Herr Rat, ein wohlhabender Honoratior der Stadt, gibt viel Geld für zeitgenössische Malerei aus und hat ein Kabinett mit Gemälden einheimischer Künstler, das die Aufmerksamkeit des Königsleutnants François de Théas de Thoranc weckt, sobald er im Januar 1759 sich als ungebetener Gast in das prächtige Goethehaus am Hirschgraben einquartiert. Thoranc ist Anführer französischen Militärs, das im Zuge damaliger Kriegsunternehmungen die Pfalz besetzt. Er bleibt zweieinhalb Jahre. Rat Goethe missbilligt dies zutiefst, weil er entgegengesetzte, nämlich preußische Gesinnungen hegt, und weigert sich, mit dem Besatzungsoffizier in erfreuliche Beziehungen zu treten – ganz anders indes seine Frau und der zehnjährige Johann Wolfgang, der spätere Dichter. Thoranc studiert interessiert das Gemäldekabinett des Rates, und als er hört, dass die Maler alle unweit leben, beschließt er, sie zu versammeln, damit sie das Familienpalais im südfranzösischen Grasse mit Staffelgemälden und gemalten Wandtapeten ausschmücken. Die großteils erhaltene Gemeinschaftsarbeit, an der Seekatz wesentlichen Anteil hat, folgt neuester französischer Mode. Seekatz trägt vor allem Genrebilder bei: spielende Kinder, Jahrmarktszenen, Volksleben, wobei er die Landschaften inmitten gemalter Rokokokartuschen eher altniederländisch anlegt. Die Köpfe sitzen den Gestalten oft auf sehr zweifelhafte Weise auf und auch sonst ist die Anatomie eher unsicher aufgefasst. Farbigkeit und Gesamteindruck sind indes angenehm, dekorativ. Goethe schildert viele Jahre später in „Dichtung und Wahrheit“, dass er sein Dachzimmer räumen musste, damit es den Malern als Atelier dienen konnte. Das erweckt den Eindruck von Weiträumigkeit; faktisch konnten in dem engen Dachstübchen kaum mehrere Maler ihre Staffelei aufstellen. Man hat hier wohl eher konferiert, gesichtet und gelagert. Auch anderes, was sich in Goethes Schilderung amüsant liest, scheint eher der Kategorie Dichtung anzugehören. Die Erinnerung an den aus Grünstadt gebürtigen Maler hat es indes wachgehalten. Goethe: „Seekatz übernahm ländliche Szenen, worin die Greise und Kinder, unmittelbar nach der Natur gemalt, ganz herrlich glückten; die Jünglinge wollten ihm nicht ebenso geraten, sie waren meist zu hager; und die Frauen mißfielen aus der entgegengesetzten Ursache.“ Auch das, was damals in Frankfurt gemalt wurde, ist in großen Teilen erhalten: einige Wandtapeten noch in den Salons des Gebäudes in Grasse, für die sie gemalt wurden; anderes kann im Frankfurter Goethemuseum studiert werden. Vieles, was noch in Familienbesitz war, wurde 1988 versteigert. Seine Reife als Maler zeigte Seekatz in einem zweiten zyklischen Großauftrag: Ab 1765 malte er für Schloss Braunshardt in Weiterstadt, Residenz des Prinzen Georg Wilhelm von Hessen-Darmstadt, 17 Supraporten – als Gemälde für Wandfelder oberhalb der Türen. Johann Conrad Seekatz war noch nicht mal 50 Jahre alt, als er am 25. August 1768 in Darmstadt starb.

Johann Conrad Seekatz – Ein Selbstporträt.
Johann Conrad Seekatz – Ein Selbstporträt.
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