Grünstadt Ebertsheimer Kompositionskunst

Wunderschön musiziert: Johannes Vogt und Ute Kreidler.
Wunderschön musiziert: Johannes Vogt und Ute Kreidler.

Zwei Gesangbücher mit vierstimmigen geistlichen Chorsätzen und ein paar verstreute Vermerke in alten Akten sind von Cornelius Seyfrid, latinisiert Sigefridus, geblieben, einem Zweibrücker, der vor über 400 Jahren nach Ebertsheim kam und hier etwa von 1600 bis 1620 als lutherischer Pfarrer (auch für Mertesheim) wirkte. Ebenfalls von auswärts nach Ebertsheim gekommen und hier wenige Meter von Seyfrids Kirchlein entfernt in der Papierfabrik heimisch geworden ist die Sängerin Ute Kreidler.

Als ein Musikerkollege sie auf den Komponisten aus Ebertsheim aufmerksam machte, war sie sofort interessiert, mehr über ihn zu erfahren und vor allem, seine Musik den heutigen Ebertsheimern vorzustellen. Das tat sie am Samstagabend in Ebertsheims kleinem, auf romanische Zeiten zurückgehenden Kirchlein, begleitet von Johannes Vogt an der Laute. Kaum ein Rahmen hätte besser für den intimen Klang dieses wunderschönen Konzerts passen können als diese Kirche, und es waren auch genau so viele Zuhörer gekommen, wie hier bequem Platz finden konnten, nämlich ungefähr hundert. Sie lauschen aufmerksam den zum Teil fremdartig wirkenden Gesängen. Ganz unbekannt war Cornelius Sigefrid in der Region nicht. Der verstorbene Musikwissenschaftler Wilhelm Krumbach hat ihn in den frühen 1980er Jahren an der Unterhaardt schon einmal in den Blick gerückt, und die Grünstadter Kantorei sang damals auch den einen oder anderen seiner Chorsätze. Denn um viel mehr handelt es sich bei des Pfarrers kompositorischer Tätigkeit nicht. Die Melodien der Psalmvertonungen im zweiten Buch mag er selbst erfunden haben, im ersten Buch aber verwendete er deutsche Kirchenlieder, die seit Luther im Schwang waren, meist ursprünglich weltliche Lieder, die den Menschen geläufig waren, so dass es zweckmäßig war, diese Melodien mit geistlichen Texten zu unterlegen. So konnte die Gottesdienstgemeinde leicht mitsingen. Das berühmte „O Haupt voll Blut und Wunden“ war beispielsweise ursprünglich ein Liebeslied. Diese Melodien setzte Seyfrid ganz einfach, Note gegen Note, vierstimmig, nach einer damals recht neuen Methode: Die Liedmelodie lag nicht mehr im Tenor, sondern in der höchsten Stimme, dem Sopran, und war so wesentlich leichter herauszuhören. Man macht das bis heute so. Da Sigefridus, wie er selbst im Nachwort schreibt, einfach zu singende Musik für die Schuljugend haben wollte, und da seine musikalische Erfindungskraft offenbar auch begrenzt war, darf man sich von einem Wiederbelebungsprojekt nicht allzu viel erwarten. Die veränderte Besetzung – Sopranstimme und Laute – entspricht ganz der Musizierpraxis der damaligen Zeit, Gesangsstimmen durch Instrumente zu ergänzen oder zu ersetzen; Seyfrid weist selbst auf dem Titelblatt seines zweiten Gesangbuchs darauf hin. Die Gesänge könnten kaum eine bessere Interpretin als Ute Kreidler finden: Sie ist Spezialistin für Alte Musik und versteht sich auf eine einfache, geradlinige Singweise, ohne jedes opernhafte Pathos, dabei klangschön und durchaus strahlend. Ganz hervorragend harmonierte ihr Gesang mit dem behutsamen, subtilen und in jeder Hinsicht erfreulichen Lautenspiel Johannes Vogts, der solistisch reicher gesetzte Musik des gleichzeitigen Heidelberger Lautenisten Elias Mertel beitrug. Ab und zu streifte eine noch heute bekannte Melodie das Ohr des Hörers. Die Musik zu einem mehrteiligen Streit zwischen Seele und Leib aus dem Gesangbuch der böhmischen Brüdergemeinde wird mit dem Text „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ in der Fastenzeit noch viel in den Kirchen gesungen. Anderes wirkte hakeliger, weil Musik- und Versbetonung, wie das in damaliger Zeit noch häufig ist, nicht recht übereinstimmen wollen. Es wurde also schon eher herbe Kost geboten, so dass kaum eine Seyfrid-Euphorie ausbrechen wird. Bürgermeister Bernd Findt sprach herzliche umrahmende Worte, der Ebertsheimer Peter Scherer hatte eine informative Schautafel aufgestellt, und auch Ute Kreidler gab mit knappen, gut gewählten Worten Einblick in das Leben des musikalischen Wahlebertsheimers, so gut es eben ging. Denn vieles weiß man nicht, kann es nur vermuten. Etwa, wie es Seyfrid in die Pfalz verschlug: Er war ein Jahrzehnt lang lutherischer Pfarrer im zweibrückischen Duchroth (heute Kreis Bad Kreuznach), dann trifft man ihn übergangsweise als Schulmeister in Grünstadt und Pfarrer in Sausenheim. Die Grafen von Zweibrücken waren in jener Zeit von der lutherischen zur reformierten Konfession übergetreten und verlangten, gemäß damaligem Recht, von ihren Untertanen denselben Konfessionswechsel. Offenbar schmeckte das dem Pfarrer von Duchroth gar nicht, denn er wurde streng vermahnt, weil er in den Wohnhäusern trotzdem lutherische Gottesdienste abgehalten hatte. Offenbar motivierte das seinen Übertritt in die lutherische Grafschaft Leiningen, wo er nach einer weiteren Zwischenstation als Pfarrer von Wattenheim in Ebertsheim dauernde Wirkungsstätte und Heimat fand. Seine 1602 in Straßburg gedruckten Kirchengesänge indes widmete er seinem Schwager, dem Ratsherrn und Bürgermeister Schlatt in Worms, was für eine Verwendung des Buches dort spricht.

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