Grünstadt Begrenzt haltbar

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„Des werd nix“, so dachte Udo Klötzer, als er erstmals den kleinen Lagerraum sah, den er und 17 weitere Teilnehmer eines Wiedereingliederungsprojekts in eine Milchbar verwandeln sollten. Doch nach einem Jahr handwerklicher Arbeit und kaufmännischer Planung ist es geschafft: Jetzt präsentierte der 47-Jährige stolz die „Milch-Oase“ in den Werkräumen des Vereins zur Beratung, Förderung und Bildung arbeitsloser Jugendlicher und Erwachsener (BFB).

Die Milch-Oase ist eine Übungsfirma. Als Teil des Projekts „Modulare Bildung für langzeitarbeitslose Erwachsene“ (Mobile) des BFB diente sie den Teilnehmern als Übungsobjekt, bei dem sie die Unterrichtsinhalte praktisch anwendeten. Das Projekt, das vom Jobcenter Deutsche Weinstraße finanziert und vom Europäischen Sozialfonds mit 88.000 Euro unterstützt wird, soll Langzeitarbeitslose in die Lage versetzten, einer Arbeit nachzugehen, wie Projektleiter Ralf Schellenberger erklärt: „Für Personen, die jahrelang ohne Arbeit waren, ist es sehr schwierig, von Null auf Hundert zu schalten. Die Maßnahme bereitet die Teilnehmer auf die Anforderungen und Belastungen einer 39-Stunden-Arbeitswoche vor.“ Ein Jahr lang absolvierten die 18 Männer und Frauen, die zwischen 25 und 53 Jahre alt sind und im Schnitt seit vier Jahren nicht gearbeitet haben, ein Programm mit Einzelcoaching und Gruppenunterricht. Sie trainierten soziale Kompetenzen, arbeiteten daran, Beschäftigungshemmnisse abzubauen und erwarben handwerkliche und kaufmännische Grundkenntnisse. Jeden Freitag arbeiteten sie an der Milchbar, die künftig als Frühstücksraum genutzt werden soll. „Um die Theorie mit einem konkreten Betriebszweck zu verbinden, hatten wir die Idee, eine Milchbar aufzubauen“, erklärt Iris Dech, die Grünstadter Dienststellenleiterin des BFB. So stellte die Gruppe die Einrichtung der Bar selbst her: Von der Theke und den Barhockern bis zum Wandbild. Sie verlegten Teppichboden, strichen Wände und erarbeiteten unter Anleitung einen Businessplan. „Wir haben zum Beispiel eine Marktanalyse zu 14 Smoothie-Rezepten gemacht, von denen wir vier ausgewählt haben“, berichtet Teilnehmer Hans Bulach. Teilnehmer und Projektverantwortliche zeigen sich von der Dynamik und dem Ergebnis des Projektes begeistert. So sehr, dass sie nun hoffen, den Geschäftsplan der Gruppe umzusetzen: „Etwa als Milchbar in einem Bus, wie ein fahrender Bäcker“, erläutert Dech. Das langfristige Ziel sei, dadurch zwei bis drei Arbeitsplätze für Projektteilnehmer beim BFB zu schaffen. Noch ist offen, ob der Traum wahr wird. Bürgermeister Klaus Wagner (CDU) machte beim Besuch der Milchbar indes Vorschläge für die nähere Zukunft: Beim Neujahrsempfang der Stadt am 15. Januar und am verkaufsoffenen Sonntag ließen sich Gelegenheiten schaffen, bei denen die Milch-Oase-Gruppe wieder zusammenfinden könnte, um Smoothies und Waffeln zu verkaufen. Geplant sei zudem ein Milchbar-Stand beim Gesundheitstag am 6. Mai und beim Inklusionsfest am 27. Mai, ergänzt Dechs Stellvertreter, Markus Landua. Außerdem werde zurzeit geprüft, ob die Milchbar an verschiedenen Wochenenden im Carré Vert öffnen könnte. „Die Projektteilnehmer sind sehr engagiert“, lobt Landua, „deshalb soll der Kontakt zu ihnen auch beibehalten werden.“ Darauf hofft auch Udo Klötzer, der beim Gedanken an das Ende der gemeinsamen Zeit traurig wird. Was jetzt kommt, weiß er noch nicht. „Wahrscheinlich eine weitere Maßnahme vom Arbeitsamt“, sagt der Grünstadter, der elf Jahre lang als Parkett- und Bodenleger gearbeitet hatte, bis das gesundheitlich nicht mehr ging. Selbstständig machen könne er sich nicht, da ist Klötzer Realist. Aber im Verkauf arbeiten, das könne er sich gut vorstellen. Gerne in einer Milchbar, sollte sich ein Unternehmer berufen fühlen, eine solche in Grünstadt zu eröffnen.

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