Leiningerland Bürgermeister: „Bezahlen mit Geld, das wir nicht haben“

Bei der Night of Light war das Grünstadter Rathaus im Juni 2020 knallrot illuminiert, um auf die existenzbedrohende Situation de
Bei der Night of Light war das Grünstadter Rathaus im Juni 2020 knallrot illuminiert, um auf die existenzbedrohende Situation der Veranstaltungsbranche hinzuweisen. Aber auch die Kommunen hätten allen Grund dazu, ihre Gebäude in Alarmrot anzustrahlen.

Als der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil vom 16. Dezember 2020 das Land aufforderte, den Kommunalen Finanzausgleich neu zu regeln, waren die Hoffnungen sehr groß. Die Erwartung: Städte und Gemeinden würden mit mehr Geld ausgestattet. Doch nun macht sich Ernüchterung breit. Zwei Bürgermeister beschweren sich beim Innenministerium.

Der zum 1. Januar 2023 in Kraft tretende Kommunale Finanzausgleich bleibe hinter den Erwartungen zurück, sagt Grünstadts Bürgermeister Klaus Wagner (CDU). Als Vorsitzender der Kreisgruppe Bad Dürkheim des Gemeinde- und Städtebundes (GStB) hat er eine Stellungnahme zu dem neuen Gesetzeswerk ans Innenministerium geschickt. „Die geplanten Regelungen werden die Kommunen faktisch zwingen, die Last der ohnehin durch Inflation und Energiekrise stark belasteten Bürger und der Wirtschaft weiter zu erhöhen“, so Wagner.

Die Rede ist von Steueranhebungen. Die sind nie populär. In den aktuell schwierigen Zeiten treiben Forderungen danach jedoch so manchem Kommunalpolitiker schier die Zornesröte ins Gesicht. Landauf, landab wird gegenwärtig in den Räten heftig darüber diskutiert. Das Gros der Mandatsträger will „Nein“ sagen, muss aber über kurz oder lang gehorchen. Das Land droht den Städten und Gemeinden nämlich, sonst die Haushaltspläne nicht zu genehmigen und sie damit zur Untätigkeit zu verdammen. Und Fördermittel gebe es auch nur, wenn von den Kommunen alle Einnahmemöglichkeiten ausgeschöpft würden.

Grundsteuer auf 520 Prozent

Von den untersten Ebenen wird verlangt, die Hebesätze der Realsteuern heraufzusetzen, und zwar mindestens auf die Höhe der Nivellierungssätze, die das Mainzer Parlament vorgibt. Ab 1. Januar 2023 sind das 345 Prozent bei der Grundsteuer A für landwirtschaftliche Flächen, 465 Prozent bei der Grundsteuer B für Bauland und 380 Prozent für die Gewerbesteuer. Bleibt eine Kommune darunter, wird sie bei den Umlagen so gestellt, als hätte sie Einnahmen mit Hebesätzen erzielt, die so hoch sind wie die Nivellierungssätze – sie zahlt also letztlich drauf.

„Für die Kreisumlage ist die Basis das Gewerbesteueraufkommen“, erklärt Wagner. Bei dieser Steuer hat Grünstadt bereits einen Hebesatz von 380 Prozent und muss deshalb nicht unbedingt erhöhen. Das Gleiche gilt für die Grundsteuer A. Anders sieht es bei der Grundsteuer B aus, bei der nach der Erhöhung im vergangenen Jahr der Hebesatz bei 420 Prozent liegt. „Das sind aktuell 55 Prozentpunkte mehr als der noch geltende Nivellierungssatz von 365 Prozent“, erklärt Wagner. Die daraus resultierenden Mehrerträge dürfe die Stadt behalten. „Wenn wir uns 2023 wirtschaftlich weiter so stellen wollen wie bisher, müssen wir den neuen Nivellierungssatz auch um 55 Prozentpunkte überschreiten. Ich werde deshalb heute im Haupt- und Finanzausschuss einen Hebesatz von 520 Prozent vorschlagen“, kündigt der Bürgermeister an.

Übergangsfrist gefordert

Die Grund- und Gewerbesteuern sind neben der vergleichsweise unbedeutenden Hundesteuer und ein paar Gebühren die einzigen Stellschrauben, an denen eine Kommune drehen kann, um ihre Einnahmen zu verbessern. Wagner kritisiert, dass das Land die Nivellierungssätze zum Jahresbeginn 2023 anhebt. Denn das wirke sich direkt aus: Der neu festgesetzte Wert für die Grundsteuer B, der bei 465 Prozent liegt, werde rückwirkend für die Berechnung der Umlagen aus dem vierten Quartal 2021 (da lag der Hebesatz in Grünstadt noch bei 370 Prozent) und den ersten drei Quartalen 2022 (Hebesatz: 420 Prozent) herangezogen.

„Dadurch müssen wir sehr viel Geld aus Einnahmen abführen, die wir gar nicht gehabt haben“, verdeutlicht Wagner und fordert eine Übergangsfrist: „Die Nivellierungssätze sollten erst zum Januar 2024 angehoben werden, dann wären nur die Zahlungen des letzten Quartals 2022 ein Problem“, so der Bürgermeister von Grünstadt, das im Ergebnisetat ein Defizit von knapp vier Millionen Euro aufweist.

Immer nur Steuererhöhung

Auch Carlsberg hat ein Defizit im Ergebnishaushalt. Der Fehlbetrag fällt mit 71.000 Euro zwar moderat aus, aber die größte Kommune in der Verbandsgemeinde Leiningerland ist zudem mit mehreren Millionen Euro verschuldet. Der Ortschef Werner Majunke (CDU) hat ebenfalls einen Brief an Innenminister Michael Ebling (SPD) geschrieben. Er findet es unerträglich, dass „uns als unterster Verwaltungsebene immer wieder nur das Rezept an die Hand gegeben wird: ,Erhöht eure Realsteuern!‘“. Der Rat werde der Forderung „mit großem Unbehagen in allen Fraktionen“ Folge leisten. Allerdings schwinge die Befürchtung mit, dass dieser Prozess der fortwährenden Hebesatz-Anpassungen sich in Zukunft munter fortsetze.

Seit Jahren habe Carlsberg große Schwierigkeiten, zwei zentrale Forderungen in Einklang zu bringen: Zum einen die Haushaltswirtschaft so zu führen, dass die stetige Erfüllung der kommunalen Aufgaben gesichert ist, und zum anderen, den Etat auszugleichen. Um dem zweiten Ziel ein Stückchen näherzukommen, müssten die Gebühren für essenzielle Arbeiten wie etwa auf dem Friedhof „dramatisch verteuert und die ohnehin schon spärlichen Freiwilligen Leistungen für Kinder, Senioren, Vereine und Kultur noch mehr reduziert werden“, so Majunke.

Bedarfe nicht erfasst

Im neuen Finanzausgleich vermisse er eine dauerhafte Stärkung insbesondere kleinerer Ortsgemeinden. Ein großer Fortschritt im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung wäre es für ihn, wenn Bund und Land der untersten Ebene mehr von den Steuereinnahmen überließen. Stattdessen würden diese weitestgehend abgeschöpft, „und dann in aufwendigen und teuren, wenn auch gut gemeinten Förderprogrammen teilweise zurückverteilt“.

In der von Wagner unterzeichneten GStB-Stellungnahme wird kritisiert, dass obwohl die Landesregierung den gerichtlichen Vorgaben formal gefolgt sei, die angelegten Maßstäbe von vornherein die Bedarfe der Städte und Gemeinden nicht auskömmlich erfassten. Völlig außer Acht gelassen worden sei im neuen Regelwerk, „dass wir seit zwei Jahrzehnten einen immer größeren Investitionsstau vor uns herschieben“. Deshalb würden auch in Zukunft weiter die dringend erforderlichen Mittel für Schulen, Schwimmbäder, Verkehrsanlagen und Kindertagesstätten fehlen.

„Es wäre besser, wenn die Kommunen mehr von ihren Einnahmen behalten könnten, um eigenverantwortlich Projekte umzusetzen“, gibt Wagner seinem Carlsberger Amtskollegen Recht. Er ist gespannt, wie sich der neue Finanzausgleich auf den städtischen Haushalt auswirkt: Ersten Berechnungen seien widersprüchlich. Majunke hofft darauf, im fünfstelligen Bereich zu profitieren. Da der VG durch die neuen Regeln jedoch mehr als eine Million Euro fehlen werden, seien Umlageerhöhungen zu erwarten, wodurch das zusätzliche Geld für Carlsberg wohl wieder aufgefressen werde.

Klaus Wagner, der Bürgermeister von Grünstadt, beklagt den jahrzehntelangen Investitionsstau.
Klaus Wagner, der Bürgermeister von Grünstadt, beklagt den jahrzehntelangen Investitionsstau.
Werner Majunke, der Bürgermeister von Carlsberg, vermisst die Stärkung der kleinen Kommunen.
Werner Majunke, der Bürgermeister von Carlsberg, vermisst die Stärkung der kleinen Kommunen.
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