Grünstadt „Anhänger von Populisten sind meist Männer“

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Speyer. Häufig sind es Männer, die populistische Parteien wählen. Dieser Auffassung ist der aus Passau stammende Politikberater Florian Hartleb, der Vorträge unter anderem im Bundespräsidialamt und im Europäischen Parlament gehalten hat. Er spricht über die Ursachen.

Herr Hartleb, warum sind Männer besonders anfällig für Populismus?

Die Anhänger und Mitglieder von populistischen Parteien sind überwiegend Männer. Man spricht sogar von Männerparteien, wobei sich das mittlerweile abgeschliffen hat. Es ist nicht mehr so, dass Männer eine solche Partei anführen müssen. Zum Beispiel gibt es bei der AfD ja Frauke Petry oder Beatrix von Storch. In Ungarns Fidesz-Regierung finden sich keine weiblichen Minister. Unter den 133 Fidesz-Abgeordneten im Parlament gibt es nur neun Frauen. Der Parlamentspräsident László Köver vertrat am Fidesz-Parteitag von 2015 in einer Rede die dazu passende Meinung, dass Frauen es als höchste Form der Selbstverwirklichung betrachten sollten, Kinder zu bekommen. Fühlen sich Männer besonders „abgehängt“? Suchen Sie besonders nach kultureller Identität? Die kulturelle Identitätsfrage spielt generell eine große Rolle. Männer fühlen sich mitunter abgehängt. Man kennt dieses Phänomen von Ost-Deutschland. Dort ist in den ländlichen Gegenden die Arbeitslosigkeit groß. Dort sind die Männer unzufrieden und offen für solche autoritären Verführungen. Durch die grundlegenden Umwälzungen, die im Zuge der Digitalisierung des Arbeitslebens bevorstehen, dürften die Sorgen nicht weniger werden. Menschen müssen mehrere Jobs annehmen und haben wenig Chancen auf beruflichen Aufstieg, wenn sie sich nicht schnell an die Automatisierungsprozesse gewöhnen. Sie sagten in Ihrem Vortrag, solche Menschen wünschten sich Macho-Typen wie Trump. Wie passt das zusammen damit, dass Frauen diese Parteien führen? Auch diese Frauen agieren relativ tough. Sie übernehmen gewisse Männereigenschaften, sind sehr aggressiv im Auftreten mit Blick auf die EU, mit Blick auf die Situation des eigenen Landes und der Terrorismusbekämpfung. Diese klassischen Geschlechterrollen lösen sich dann irgendwo auf. Die populistische Partei hat die Anti-Establishment-Einstellung als Alleinstellungsmerkmal, gepaart mit Strategien wie „wir gegen die da draußen“, die zum Beispiel gerichtet sind gegen Muslime, gegen Flüchtlinge. Was kann man dem als Demokrat entgegensetzen? Es ist die Frage, ob man die analoge Demokratie in die virtuelle Welt übertragen kann – ob man die Zahl der Demonstrationsteilnehmer, die in den 1980er Jahren auf der Straße waren, übertragen kann auf Facebook-Likes oder -Fanpages. Die Frage ist, ob ich die analoge Demokratie formen kann zu einer Mitmach-Demokratie im virtuellen Raum. Im arabischen Raum hatten wir diese Entwicklung vor einigen Jahren. Stichwort Arabischer Frühling. Oder auch die Maidan-Revolution in der Ukraine. Jetzt herrscht unter dem Eindruck des Twitter-Präsidenten Donald Trump eher die Angst vor Manipulation der sozialen Medien. Die Medien sind mit in der Krise. Stichwort Lügenpresse. Wie bewerten Sie das? Die Medien haben an Glaubwürdigkeit verloren. Die traditionellen sind sehr stark in Auflagendruck geraten, auch dadurch, dass Finanzierungsmodelle auf der Kippe stehen. Auch dadurch, dass Artikel in den sozialen Medien breitgetreten werden und dass es eine Propagandamaschinerie gibt von Extremisten. Dadurch stehen die traditionellen Medien unter Druck. Insgesamt befinden sich die Demokratien im inflationären Sog von Meinungsauguren. Die jüngsten Ereignisse haben drastisch gezeigt, dass genauere Prognosen immer schwieriger werden. Der Brexit wurde ebenso wenig vorausgesagt wie die 2008 einsetzende Finanzkrise oder der Aufstieg von Donald Trump und der AfD.

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