Grünstadt … und ihr seid raus!

Christoph Rehm empfiehlt den Rauswurf per Twitter-Nachricht.
Christoph Rehm empfiehlt den Rauswurf per Twitter-Nachricht.

Eine spektakuläre Entlassung passiert nicht von allein. Sie erfordert zumindest ein paar Minuten Aufwand. Toni Schumacher, deutsche Torhüterlegende und rehabilitierter Skandalautor, feierte vergangene Woche seinen 65. Geburtstag. Eine schöne Gelegenheit, sich an all die großen Momente aus der Karriere des „Tünn“ zu erinnern. Zum Beispiel, wie er Ende der 90er Jahre in einer Halbzeitpause als Trainer von Fortuna Köln entlassen wurde. Fortuna-Präsident und Mäzen Jean Löring hatte ihm während des Zweitligaspiels gegen Waldhof Mannheim in der Kabine sogar einen Kurzurlaub in ein deutsches Mittelgebirge nahegelegt: „Du machst meinen Verein kaputt! Hau ab in die Eifel, du hast hier nichts mehr zu sagen!“ Eine charmante Anekdote, über die Schumacher heutzutage in regelmäßigen Abständen sicherlich herzlich lacht. Womit wir in der Gegenwart angelangt wären und bei der Frage, wie man in der heutigen Zeit den Rauswurf eines Trainers oder Spielers möglichst würdelos gestalten kann. Der Bundestrainer hat in dieser Hinsicht vergangene Woche hervorragende Pionierarbeit geleistet und mit der Entlassung von gleich drei (!) Spielern neue Maßstäbe gesetzt. Und zwar nicht ein paar Bankdrückern, sondern drei echten Leistungs- und Sympathieträgern. Den stets gut gekleideten Boateng. Mats Hummels, der immer so verschmitzt grinst, dass er an der Fleischtheke eine Scheibe Lyoner auf die Hand bekommt. Und, nun ja, Thomas Müller. Einzig die Tatsache, dass Jogi Löw extra nach München gereist ist, um die drei Weltmeister persönlich über ihren Rausschmiss zu informieren, stößt jedem Fan öffentlicher Erniedrigungen sauer auf. Einen hoch dekorierten Fußballstar vor seinen 80 Millionen Mitbürgern zu demütigen – das muss doch auch einfacher gehen? Stimmt! Beispielsweise, indem man schlichtweg die Schlösser am Trainingsgelände austauschen lässt. Die betroffenen Spieler stehen am nächsten Morgen ganz schön blöd da, die anwesenden Boulevard-Journalisten bekommen ihre Titelseite, und der Hausmeister hat auch noch etwas zu lachen. Wer dann beim Vorbeigehen süffisant lächelt und kurz mit dem Schlüsselbund winkt, hat den Jean-Löring-Gedächtnispreis schon so gut wie in der Tasche. Apropos Jean Löring: Der hätte angesichts der vielfältigen Möglichkeiten, die die sozialen Medien bieten, vor Begeisterung mit der Hand auf den Tisch gehauen! Twitter – was für ein Geschenk der Fußballgötter! Eine Kurzmitteilung reduziert den Inhalt nicht nur auf das Wesentliche, sie verleiht einem Rausschmiss auch noch den Hauch der großen Weltpolitik: „Die drei Bayern-Dussel brauchen nächste Woche nicht ins Training kommen. So sad! Viel Spaß in der Eifel!“ Dass Jogi Löw in diesen Bereichen nicht so ganz up to date ist, sei ihm verziehen. Doch keine Sorge: Der nächste Rauswurf kommt bestimmt. Und mit ihm vielleicht auch ein jüngerer Bundestrainer mit eigenem Twitter-Account. Die Kolumne Unser Autor kann auf eine lange und erfolglose Karriere in den Niederungen des Amateurfußballs zurückblicken. Hier schreibt er wöchentlich über Schwalbenkönige, Kabinenrituale und Trainingsweltmeister – rein subjektiv natürlich, denn die Wahrheit liegt sowieso auf dem Platz.

x