Eisenberg Zurück ins Leben

Uwe Reinert leitet die Einrichtung.
Uwe Reinert leitet die Einrichtung.

Vor 30 Jahren haben die ersten Methadonausgabestellen in Deutschland eröffnet. Das Opioid wird seit Jahren zur Drogenersatz-Therapie bei Heroinabhängigen eingesetzt und entweder ambulant oder stationär ausgegeben. Das Rehabilitationszentrum am Donnersberg in Kirchheimbolanden bietet Platz für vier Suchtkranke, die Methadon verabreicht bekommen. Das Ziel der mehrwöchigen Reha: der vollständige Verzicht des Substitutionsmittels Methadon sowie die Abstinenz von Drogen und Suchtstoffen.

Kriminalität, Gewalt, Alkohol und Kontrollverlust – Schlagwörter, die man oft mit Drogenkonsum in Verbindung bringt. Nicht ohne Grund. Uwe Reinert, Einrichtungsleiter des Rehabilitationszentrums am Donnersberg: „Suchtkranke kommen in eine Spirale, aus der sie ohne professionelle Hilfe nicht mehr herauskommen. Ihr Tagesablauf dreht sich oft um das Konsumieren von Drogen. Somit spielt Beschaffungskriminalität bei einigen Abhängigen eine Rolle. Sie rutschen gesellschaftlich ab.“ Heroin, so erklärt der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, sei eine der gefährlichsten Droge, wenn nicht die gefährlichste. Schon der ein- oder zweimalige Konsum könne abhängig machen. Die Folge: körperliche Beeinträchtigungen, Wesensveränderungen oder Kontrollverlust. Methadon, das als Substitutionsmittel, also als Ersatzstoff für Heroin, in der Klinik verabreicht wird, sei im Vergleich zu Heroin vollsynthetisch hergestellt und auf dem Weg zu einem drogenfreien Leben das wirksamste Mittel, so die Erfahrung des Mediziners. In der Realität sei dieser Weg schwierig, sagt Reinert, der seit zwei Jahren die Einrichtung für Männer leitet. Denn der Beikonsum, das bedeutet die Patienten nehmen noch weitere Suchtmittel wie Amphetamine, Speed oder Alkohol zu sich, sei ein großes Problem. „Bevor der Patient zu uns kommst, muss er von anderen Suchtmitteln frei sein. Das heißt im Einzelfall, der Substituierte muss etwa in einem Akut-Krankenhaus von anderen Drogen entgiftet werden“, erklärt Reinert. Dann kann er in Kibo in der Klinik aufgenommen werden. Einmal täglich bekommen die Patienten in der Klinik eine Dosis Methadon. Je nach Abhängigkeit variiere die Dosierung, sagt der Facharzt. Im Gegensatz zu Heroin, das der Abhängige sich spritzt, werde Methadon oral eingenommen – entweder als Tropfen oder in Tablettenform. Rund 21 Wochen daure ein Aufenthalt in der Klinik. Wobei dies im Einzelfall auch kürzer sein könne, so Reinert. Die Kosten von 134 Euro pro Tag für die Verpflegung, sowie unterschiedliche Therapien wie Ergo- und Psychotherapie oder Angebote, um die Patienten wieder fit für den Arbeitsmarkt zu machen, übernehme die Krankenkasse oder die Rentenversicherung. 15 bis 20 Prozent der Patienten werden rückfällig Mit der Rückfallquote von 15 bis 20 Prozent in seiner Klinik zeigt sich der Einrichtungsleiter zufrieden: „Das ist ein gutes Ergebnis. Wir versuchen die Patienten so zu stärken, dass sie nach ihrem Aufenthalt keinen Kontakt mehr ins Drogenmilieu haben.“ Damit das gelingt, bietet das Zentrum, dessen Träger die Evangelische Heimstiftung Pfalz ist, zwölf Adaptionsplätze an. Im Anschluss an die Reha können die Männer im Alter zwischen 17 und 60 Jahren in Wohngruppen in Kirchheimbolanden leben. „Wir versuchen Praktika zu besorgen, sie auf dem Arbeitsmarkt zu vermitteln, damit sie dann selbstständig leben können“, sagt der Einrichtungsleiter. Die Männer müssten zunächst einen geregelten Tagesablauf lernen. Generell sei es auch möglich, das Methadon nach dem Klinikaufenthalt weiter einzunehmen. Reinert erklärt die Gründe: „Es gibt Patienten, die jahrelang eine geringe Dosis benötigen, sich aber dank des Methadons wieder in die Gesellschaft eingegliedert haben.“ Es komme auf den Einzelfall an. Allerdings verursache Methadon Nebenwirkungen wie Herz-Kreislaufprobleme, sagt der 57-Jährige. Den typischen Heroinnutzer gebe es nicht Auf die Frage, ob es einen typischen Heroinabhängigen gebe, sagt Reinert: „Die Menschen kommen aus allen Schichten, vom Akademiker bis zum Straßenkehrer. Allerdings sind unsere Patienten zwischen 30 und Mitte 40. Die Jüngeren nehmen heute andere Drogen wie Speed oder Ecstasy.“ Das bedeute, dass die Zahl der Heroinsüchtigen zurückgehe, dafür aber andere, „moderne Drogen oder Partydrogen“ wie etwa Crack, in den Vordergrund rückten. Auch mehr Männer als Frauen würden zu Heroin greifen. Um sich in einer Rehaklinik wie in Kirchheimbolanden behandeln zu lassen, muss der Suchtkranke zunächst eine Drogenberatungsstelle aufsuchen. Danach wird ein ärztlicher Befund und ein Antrag für eine Therapie ausgestellt. Die Patienten kommen aus ganz Deutschland. Es sei sinnvoll, dass der Abhängige keine Reha in seiner Heimat mache, so Reinert. So könne der Patient Distanz zu seinem „alten Milieu“ aufbauen, In der Klinik herrschen klare Regeln: Wer Drogen „vertickt“, klaut oder Gewalt anwendet, fliegt raus. „So was akzeptieren wir nicht. Konsumiert der Patient aber wieder Suchtmittel, gibt es ein Gespräch, wie es weitergeht. Er muss uns klar machen, dass er die Therapie wirklich möchte, dann bekommt er eine weitere Chance“, erklärt Reinert, der zu den Einzelschicksalen seiner Patienten professionelle Distanz wahrt: „Ich betrachte den ganzen Menschen, nicht nur die Drogenabhängigkeit. Natürlich fühlt man mit und es geht einem nahe, aber ich leide nicht mit.“ Das Schwerpunktthema In den kommenden Wochen wenden wir uns dem Thema „Drogenmissbrauch in der Region“ zu und beleuchten es aus mehreren Perspektiven.

Das Rehabilitationszentrum am Donnersberg kann 72 Patienten gleichzeitig behandeln.
Das Rehabilitationszentrum am Donnersberg kann 72 Patienten gleichzeitig behandeln.
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