Grünstadt Vertracktes Szenario gemeistert

Am Leininger Oberhof rückt die Freiwillige Feuerwehr Grünstadt mit Drehleiter und Sprungpolster, das vorn gerade aufgebaut wird,
Am Leininger Oberhof rückt die Freiwillige Feuerwehr Grünstadt mit Drehleiter und Sprungpolster, das vorn gerade aufgebaut wird, an.

Die erste am „Unglücksort“ ist Martina Hauenstein, die für die SPD im Grünstadter Stadtrat sitzt. „Ich bin verbunden mit der Feuerwehr“, sagt sie, „mein Vater und mein Bruder sind dort engagiert.“ Als Elfjährige wäre sie auch gern dazugestoßen, „aber Anfang der 1980er hat man an Mädchen noch nicht gedacht“. Hauenstein unterhält sich mit Emeric Hadtfaludi, Hausmeister im Alten Rathaus, der den Schlüssel für den Oberhof in der Tasche hat. Doch auf seine Hilfe ist die Wehr gar nicht angewiesen, wie er beim Blick nach oben erstaunt feststellt: Am Fenster stehen bereits Mitglieder der Jugendfeuerwehr und rufen um Hilfe. Derweil kommt Stadtrat Mimmo Scarmato (CDU) angeradelt. „Wo brennt’s?“, fragt er und stellt sich zu den anderen Zaungästen, die minütlich mehr werden und mit Kind und Kegel, die Smartphones in der Hand, gespannt warten. Bei der Übung zuzuschauen, sei eine Form der Wertschätzung der ehrenamtlichen Arbeit, die die Wehr an 365 Tagen im Jahr leiste, findet Hauenstein. Ein Polizeiwagen fährt die Neugasse hinunter. In der Ferne sind schon die Martinshörner des herannahenden Löschtrupps zu vernehmen, der einen Augenblick später um die Ecke biegt. Zusammen sind es sieben Fahrzeuge. Wehrleiter Karlheinz Starck erläutert: „Wir erhielten die Meldung von der Leitstelle: ,B 301’.“ Übersetzt bedeute das „Gebäudebrand, Personen in Gefahr“. Nun müsse die konkrete Einsatzlage von den zuerst am Ort des Geschehens eintreffenden Kollegen eruiert werden, erklärt er. Kurz darauf steht fest: starke Verrauchung im gesamten Haus, in dem sich neun Menschen befinden. Gerettet werden sollen sie auf unterschiedlichen Wegen: über die Drehleiter, die momentan im Hof in Position gebracht wird, und über ein Sprungpolster, in das man sich aus bis zu 15 Metern Höhe hineinfallen lassen kann und das gerade aufgeblasen wird. „Allerdings müssen für die Simulation nach den Übungsvorschriften Dummys genommen werden“, sagt Starck, der nun auch Bürgermeister Klaus Wagner (CDU), weitere Stadtratsmitglieder und etliche Verwaltungsmitarbeiter begrüßen kann. Im Laufschritt werden Schläuche ausgerollt und an den gegenüberliegenden Türen auf beiden Seiten des Gebäudes Gebläse aufgestellt, die den mit einer Nebelmaschine erzeugten Qualm vertreiben sollen. Das tun sie sogleich mit ziemlichem Lärm. Atemschutzträger stürmen in das Haus. Insgesamt 35 Wehrleute haben alle Hände voll zu tun, zudem noch zwei im Gerätehaus im Nordring, wie Einsatzleiter Jens Michel informiert. Starck kann inzwischen auch mehr zum erdachten Hergang des Unglücks sagen: „Eine Heizungsfirma hat ein Rohr geschweißt und dadurch den Brand ausgelöst. Dabei droht auch eine Druckgasflasche zu explodieren.“ Von dieser speziellen Gefahr bekommen die interessierten Bürger, die sich in beachtlicher Zahl versammelt haben, nichts mit. Sie sehen nur, wie zwei Feuerwehrmänner in dem zum zweiten Stockwerk ausgefahrenen Drehleiter-Korb mit den dort eingeschlossenen Personen sprechen. Auch sehen sie, dass sich ein paar Meter weiter Sanitäter des DRK und des ASB für die Versorgung der Verletzten richten. Sie haben neun Decken auf dem Pflaster ausgebreitet und stellen die Geräte für die Erste Hilfe bereit. Wehrleute schleppen einen Dummy durch den Hinterausgang nach draußen, legen ihn auf eine der Decken und rennen wieder hinein in das brennende Gebäude. Derweil sind noch ein paar Leute in lilafarbenen Jacken eingetroffen: Ehrenamtliche des Fördervereins Erweiterter Rettungsdienst (Ferd) zur Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV). Zwei Atemschutzträger nehmen ihre Masken ab und setzen sich erschöpft hin. Knallrot sind ihre Köpfe, der Schweiß rinnt ihnen über die Gesichter. Jetzt erst einmal eine Flasche Wasser. Länger als 20 Minuten sollten sie die volle Montur aufgrund der hohen Belastung nicht tragen, sagt Starck. Besonders heiß werde es in den Anzügen, wenn noch Chemie-Schutzkleidung darübergezogen werden müsse. Das reduziere die erlaubte Einsatzzeit. Derweil liegen mehrere Dummys und auch zwei echte Personen auf den Decken der Sanitäter. 30 Minuten sind seit dem Eintreffen der Rettungskräfte vergangen. Die lärmenden Gebläse sind abgeschaltet, die Drehleiter heruntergefahren, und es wird emsig aufgeräumt. „Ich bin beeindruckt“, sagt der stellvertretende Kreisfeuerwehrinspekteur Jürgen Hochdörfer bei der anschließenden Manöverkritik in der Neugasse. „Wir sind stolz, dass wir im Norden unseres Landkreises eine so starke Truppe haben.“ Bürgermeister Wagner bedankt sich bei der Wehr für die Demonstration ihrer Leistungsfähigkeit. „Es lief alles zielstrebig und flüssig“, urteilt er. Darüber hinaus lobt er das gute Zusammenspiel mit Rettungs- und Kriseninterventionsdienst. Auch der örtliche Polizeichef Sigfried Doll findet nur positive Worte: „Für eine freiwillige Wehr agiert sie hochprofessionell.“ Sie habe das sehr komplexe Szenario ausgezeichnet gemeistert. „Das war äußerst interessant“, meint Mimmo Scarmato und Martina Hauenstein sagt: „Ich bin begeistert, die Organisation ist gut, alles lief Hand in Hand.“

Im hinteren Hof des historischen Ensembles kümmern sich Rettungssanitäter um die Verletzten.
Im hinteren Hof des historischen Ensembles kümmern sich Rettungssanitäter um die Verletzten.
Dichter Qualm dringt aus dem Fenster.
Dichter Qualm dringt aus dem Fenster.
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