Grünstadt Unaufgeregt

Kein Mann der großen showmännischen Geste: Les Holroyd.
Kein Mann der großen showmännischen Geste: Les Holroyd.

„Valley’s deep and the mountain’s so high – If you want to see God you`ve got to move on the other side.“ Auf diese Zeilen des Hits „Hymn“ hatten die meisten Besucher des letzten Neuleininger Burgsommer-Konzertes sehnsüchtig gewartet. Vieles, was Barclay James Harvest featuring Les Holroyd am Samstag spielten, war den Zuschauern unbekannt, weshalb lange nicht so recht Stimmung aufkommen wollte. Geboten wurde aber handwerklich guter Progressive Rock.

Rainer Klundt, neben Tobias Ueberschaer Organisator des Open-Air-Festivals, hat BJH vor allem als Jugendlicher gehört. So dürfte es bei den meisten der rund 1000 Konzertbesucher gewesen sein, die von den Rock-Opas in die Festung gelockt worden sind. Das, was die Band in den Neunziger Jahren veröffentlicht hat, ist an den meisten vorbeigegangen. Doch mit Songs aus dieser Ära beginnt das Quintett, das sich vor 20 Jahren von der Ur-Band, die Holroyd 1967 mitbegründet hat, abspaltete. Auftakt ist „Who Do We Think We Are?“ von der 1993 erschienenen CD „Caught In The Light“, gefolgt von dem Pop-Stück „Time Of Our Lives“ (1997). Die sphärischen Klänge im bunten Kunstnebel, die in Richtung Psychedelic Rock gehen, woran die beiden Keyboarder Colin Browne und Steve Butler großen Anteil haben, sind wunderschön. Grandios ist der Leadgitarrist Mike Byron-Hehir. Gefühlvoll gleiten seine Finger über die Saiten, zaubern schöne Soli, der Vibratohebel sorgt für Effekte. Dabei steht er ganz ruhig da, so wie auch der Rest der Band das Publikum nicht wirklich mitreißt. Große Gesten sind nicht die Sache von BJH. Den Schlagzeuger Louie Palmer, der nach langer Suche eines Nachfolgers für den 2004 verstorbenen Mel Pritchard seit 2011 dazugehört, kann man nur erahnen. Er sitzt hinter hohen Plexiglas-Wänden, um die Lautstärke seines Instrumentes zu dämpfen. Holroyds hohe Stimme ist dünner geworden, hat nicht mehr so viel Power wie damals, als BJH Hallen und Plätze mit mehr als 100.000 Besuchern füllte. Auch liegt der 70-Jährige immer wieder ein, zwei Töne daneben. Fotos, so lautet die strikte Anweisung, dürften nur von vorn und nur während der ersten drei Lieder geschossen werden. Allerdings: Ihre Instrumente beherrschen die Herren wie im Schlaf, mühelos wirkt es, wenn sie spielen und sie tun es mit viel Gefühl. Bassist Les Holroyd registriert lächelnd, wenn das Publikum eines der langen Lieder mit frenetischem Applaus belohnt. Die Besucher sind aus einem großem Umkreis angereist, unter anderem sind Autokennzeichen aus Koblenz zu sehen. Sie machen es sich gemütlich, haben Klappstühle, zumindest aber Kissen oder Decken mitgebracht. Viele bleiben fast das ganze Konzert über sitzen, lauschen dem sanften Rockstück „Mocking Bird“, dem Song „Sip Of Wine“, das 1978 veröffentlicht wurde, oder dem von Holroyd geschriebenen „Rock’n’Roll Star“, träumen zum „Poor Man’s Moody Blues“ oder schwelgen beim symphonisch klingenden „Ring Of Changes“ in Erinnerungen an die Achtziger. Etliche Leute unterhalten sich aber auch angeregt oder beschäftigen sich mit ihren Smartphones. Bewegung und eine stärkere Aufmerksamkeit kommen erst nach und nach in die Menschenmenge. „Friend Of Mine“ von der Schallplatte „Gone To Earth“ (1977) animiert zum Mitklatschen, das erst wenige Jahre alte Lied „Fly Away“ lässt die Zuhörer gedanklich abheben und der maschinenartige Rhythmus von „Love On The Line“ lässt Füße mitwippen. Aber so richtig zum Beben gelangt die historische Festung erst bei „Hymn“, einem der erfolgreichsten Titel der Band, der in den Siebzigern und Achtzigern oft im Radio lief. Geschrieben worden ist dieses Kirchenlied, dem am Samstag noch Zugaben folgten, von BJH-Gründungsmitglied John Lees (Gesang/Gitarre), nach dem 1998 die andere BJH-Band benannt wurde.

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