Eisenberg „Mit wehleidig hat das nichts zu tun“

Heftige Schmerzen – meist während und vor der Regelblutung – sind ein typisches Symptom der Endometriose.
Heftige Schmerzen – meist während und vor der Regelblutung – sind ein typisches Symptom der Endometriose.

Von Zeit zu Zeit macht Dr. Robinson Ferrara die „Google-Probe“. „Wenn ich früher die typischen Symptome gegoogelt habe, kam der Hinweis auf Endometriose erst spät. Heute ist er an einer der vorderen Stellen“, so der Chefarzt der Abteilung für Geburtshilfe am Westpfalz-Klinikum Kirchheimbolanden. Das Wissen über die Erkrankung hat zugenommen, dennoch: „Immer noch haben betroffene Frauen jahrelange Wege hinter sich, bis man ihre Beschwerden mit Endometriose in Verbindung bringt und ihnen hilft“, so der Chefarzt. Zwischen 20 und 29 Jahre alt sind die meisten Endometriose-Patientinnen. Viele von ihnen haben eine echte Leidensgeschichte zu erzählen. Starke Schmerzen vor und während der Regel, heftigste Bauchkrämpfe und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr sind die typischen Symptome, die junge Frauen – oft immer und immer wieder – zu ihren Ärzten führen. Nicht selten gleicht die Ursachensuche dann zunächst einem Rätselraten. Auch Ultraschallbilder oder MRT-Aufnahmen bringen keine Klarheit. „Zum einen denken nach wie vor nicht alle Frauenärzte an dieses Krankheitsbild“, so Ferrara. Zum anderen sei die Endometriose auch nur schwer zu diagnostizieren, werde nicht von ungefähr das ,Chamäleon unter den Frauenkrankheiten’ genannt. „Es gibt erste Verdachtsdiagnosen, aber um sicherzugehen, muss in jedem Fall eine Bauchspiegelung gemacht werden“, sagt er. Erst vor wenigen Wochen sei eine junge Frau in seine Praxis gekommen, die eine wahre Ärzte-Odyssee hinter sich hatte. Immer wieder wurde sie von starken Bauchkrämpfen geplagt. „Psychosomatisch“ – lautete die Diagnose des Überweisers. „Das bekommen viele dieser Frauen zu hören, und am Ende glauben es die meisten gar selbst“, hat Ferrara im Laufe der Jahre festgestellt. Auch dass Schmerzen im Leben einfach dazugehörten oder sie besonders weich und wehleidig seien, hätten viele dieser Patientinnen schon von manchen Medizinern gehört. „Aber mit wehleidig hat das nichts zu tun“, so Ferrara. Die Schmerzen seien massiv. In Fall jener jungen Frau mit der Diagnose „psychosomatisch“ habe eine Bauchspiegelung Klarheit gebracht. Die Gebärmutterwucherungen hatten sich bereits im Darm breitgemacht und so für ständige Krämpfe gesorgt. Gemeinsam mit Chefarzt Dr. Michael Schmid wurde sie in der vergangenen Woche in einer Operation von den Gebärmutterwucherungen befreit. Allerdings musste auch ein Teil des Darms entfernt werden, denn der Befall hatte über die Jahre zu viel Darmgewebe zerstört. Im Grundsatz gelte, je länger die Krankheit unentdeckt bleibt, desto schwerer sei sie zu behandeln. Im schlimmsten Fall entarte das Gewebe irgendwann. „Dass sich auch ein bösartiger Verlauf entwickeln kann, wissen wir noch nicht allzu lange. Aber das muss natürlich hellhörig machen“, sagt der Chefarzt. Auch Endometriose und ungewollte Kinderlosigkeit hängen oft zusammen. „Die Gebärmutterwucherungen können die Eileiter verkleben oder verhindern, dass sich ein befruchtetes Ei einnistet“, nennt Ferrara Beispiele. Vor allem schonendere Untersuchungs- und Operationsmethoden machten es heute möglich, dass die Endometriose früher entdeckt und besser behandelt werden kann. Das sei besonders wichtig, weil es immer wieder zu Rezidiven, also Rückfällen, komme. „Früher hat man etwas verödet und die Frauen als geheilt entlassen“, so Ferrara. Heute seien die Frauen besser informiert und wüssten, dass oft Folgeeingriffe nötig würden. Doch nach wie vor komme es vor, dass den Frauen eine Hormonkur als Lösung ihres Problems vorgeschlagen werde. „Und da muss man ganz klar sagen, das funktioniert nicht. Die Schleimhautwucherungen müssen komplett entfernt werden“, macht er deutlich. Dass es sich lohnt, diesen Schritt zu gehen, das werde ihm immer wieder von Frauen bestätigt. Endlich wieder ohne Schmerzen zu leben, oder nach jahrelangen Fehlversuchen das eigene Baby im Arm zu halten – für manche Frau sei das schon nicht mehr vorstellbar gewesen.

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