Grünstadt Mit Rittersleut’ und Scharfrichtern

Ins Mittelalter versetzte auch dieser Motivwagen.
Ins Mittelalter versetzte auch dieser Motivwagen.

Zwei Jubiläen haben den sehenswerten Kerweumzug am Sonntag geprägt: 700 Jahre Tiefenthal und 40 Jahre Kerweborsch und -mäd. Fast alle Umzugsteilnehmer versetzten mit Kostümen, Ritterrüstungen, Gefährten und Utensilien in die Zeiten von anno dazumal, zur Freude der vielen Besucher.

Der urkundlichen Ersterwähnung des Dorfes 1318 geschuldet, folgten dem Tiefenthaler Fahnenwappenträger geistliche und weltliche Vertreter, letztere in Form einer prächtig gekleideten Mittelaltergruppe rund um die Familien Happersberger und Selwitschka. Da durfte auch ein kurzes Schaugefecht unter wagemutigen Rittersleuten nicht fehlen. Pfarrer Joachim Voss von der Pfarrei Heiliger Lukas, unterstützt von Gemeindereferentin Sabine Fehrenbach, erschien mit Barett und Soutane samt Chorrock. Im Lutherrock ging die protestantische Pfarrerin Monica Minor mit: Den Kirchenvertretern folgte der Motivwagen „Wallfahrtkirche zum Hl. St. Georg und Scharfrichter“ (beide einst in Tiefenthal ansässig). Mit aufgebaut hat die Kirche in Miniaturformat Ilse Selwitschka, die zudem mit Kolleginnen viele Kostüme nach historischen Vorbildern selbst genäht hat, wie sie am Rande erzählte. Der örtliche Jugendraum entsandte kleine Prinzessinnen, Rittersleut’ und Bauern, die süße Teilchen ausgaben. Einen urigen, 150 Jahre alten Heuwagen, verziert mit alten Milchkannen und Trinkgefäßen, steuerte Reiner Koch. Regina Gaub schob einen betagten, für frühere Zeiten wohl hochmodernen Kinderwagen, eine Wäscheflickerin mit Nähzeug gehörte auch dazu. „Die gute alte Zeit – so war sie“ lautete das Motto des Motivwagens der Landfrauen, mit Schleifstein, Kartoffelernter, Egge und Waschbrett samt Zuber. Mit einem Köfferchen in der Hand erinnerten Alt-Tiefenthaler an einstige Auswanderer nach Amerika. Die Diefedahler Hexe schenkten auch Alkoholfreies aus, die Ewwertsemmer Eisbachhexe grüßten in historischer Kleidung. Mit Gerätschaften früher und heute fuhr die Feuerwehr mit, die zudem für die Verkehrssicherung während des Umzuges sorgte. Unterm großen Sonnenschirm – auf einem 700-Jahre-Tiefenthal- Anhänger – ließen Ortsbürgermeister Edwin Gaub (CDU) und Ratsmitglieder wissen, dass sie sich auf „Spurensuche“ (so der Titel der Ortschronik) begeben und jetzt die „neue Mitte“ für das Dorf der Zukunft im Visier haben. Mit dabei beim Umzug waren die erfolgreichen TSG-Faustballer mit Alten Herren und Nachwuchs („Wir sind noch Küken, ist doch klar, wir rocken die TSG noch die nächsten paar Jahr“) und eine Hinweistafel auf das Gutemorgen-Turnen. Mitglieder des Radfahrvereins Einigkeit Rodenbach fuhren in passender Kleidung auf Fahrrädern von gestern und heute, ein Hingucker war das Draisine-Laufrad aus Holz. Die Tiefenthaler Kerweborsch präsentierten zum 40-jährigen Bestehen mittels Pinnwänden alle Kerweredd-Titelseiten der letzten vier Jahrzehnte. Beim Umzug mitfuhren auch ein Wagen des Masurenhofes und Oldtimer. Eine große Zuhörerschar fand sich zur Kerweredd ein, die Sarah Mann, Tochter von Oberkerweborsch Thomas Mann, verlas. Glossiert wurden der westliche Ortseingang „no de S-Kurv“, wo nach der Erneuerung der Straße jetzt mehr Lärm vernommen werde als vorher, und die Geschwindigkeitstafel, die zum Schnellerfahren verleite. Einem Schildbürgerstreich ähnele die Bepflanzung durch den Landesbetrieb Mobilität: Der hatte in der Nähe einen Laubbaum gesetzt. Dass der im Herbst Blätter verliere, wisse jedes Kind. Das gebe „do owwe die reinscht Schlidderpartie“. Auch der beim Kinderspielplatz wegen der Wespen gefällte „Beerebaam“ kam aufs Tapet. „Im Zaun hän die Weschbe jetzt ihr Lager uffgeschlah, isch glab, des iss ä greßerie Gefahr“, merkte Mann zu dem Zwist im Dorf an. Rühriger Kerwehelfer und Umzugsteilnehmer seit 40 Jahren sei ein Bewohner des Masurenhofes. Sarah Mann verkündete, dass Wolfgang „ab heit Kerweborschehrenmitglied“ sei. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Kerweredd sollten dem Kinderspielplatz im Dorfkern zugute kommen, sagte Thomas Mann im Nachgang: zur Instandhaltung und für einen neuen „Beerebaam“.

Kurze Schaugefechte bot die prächtig gekleidete Mittelaltergruppe.
Kurze Schaugefechte bot die prächtig gekleidete Mittelaltergruppe.
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