Grünstadt Mit Doktor Faust im Weinkeller

Faust mal anders: Mit einem Mix aus Erzählkunst, Gesang und Schauspiel beleuchteten Gabi Altenbach (links) und Ines Honsel den „
Faust mal anders: Mit einem Mix aus Erzählkunst, Gesang und Schauspiel beleuchteten Gabi Altenbach (links) und Ines Honsel den »wahren« Johann Faust.

Wer beim Stichwort „Faust“ Erinnerungen an endlose Deutschstunden und trockene Pflichtlektüren hegt, konnte am Mittwochabend im Gewölbekeller der Burg Battenberg beruhigt aufatmen: Mit ihrem Erzähltheater „Faust in der guten Stube“ begaben sich Theaterpädagogin und Bühnenerzählerin Gabi Altenbach sowie Schauspielerin und Theaterpädagogin Ines Honsel eher auf Spurensuche zur Geschichte hinter der Geschichte.

In intimer Erzählatmosphäre zeichneten sie in Gesangseinlagen und Erzählpassagen mit viel Herzblut ein Bild der teils realen, teils Legende gewordenen Person Doktor Johann Faust. „Die Menschen reagieren ganz unterschiedlich auf unser Projekt: Viele wissen nicht, dass es hinter Goethes Faust einen Urstoff gibt, eine Person aus dem 15. Jahrhundert. Sie sind dann meist positiv überrascht, dass wir nicht trockenen Bildungsstoff aufbereiten“, erzählt Gabi Altenbach. „Bei Gymnasiasten ist es oft anders: Sie sind enttäuscht, dass sie bei uns nicht die Antworten auf ihre Fragen zu Goethes Faust finden, obwohl man über unsere Erzählungen durchaus einen anderen Zugang auch dazu findet“, fügt Ines Honsel hinzu. Und genau davon können sich die gut 40 Gäste selbst überzeugen: Vom ersten Moment an alles andere als trocken ziehen die beiden Akteurinnen ihr Publikum hinein ins – wie sie augenzwinkernd versprechen – „wahre“ Leben des Faust. Ein Lotterleben zwischen Wissenschaft, mehr als nur einem guten Schoppen Wein, Schwarzer Magie und Giftmischerei – und schließlich dem berühmt-berüchtigten Pakt mit dem Teufel. Als Grundlage diente den beiden Erzählerinnen die „Historia von D. Johann Fausten“, die erste umfassende Faust-Biografie von Buchdrucker Johann Spies aus dem Jahr 1587. Was sie da über Faust herausgefunden haben, verpacken sie in einen humorvollen Mix aus Erzählkunst, Gesang und Schauspiel: Im Wechsel untermalt die eine mit Geräuschen und Lauten die Worte der anderen, spielen sich die beiden ihre Erzählpassagen zu, improvisieren und halten Zwiesprache mit dem Publikum. Von Wollust und Wissenswahn, Weinorgien und Weiberei fabulieren sie, von gar wundersamen Illusionen, die Faust mithilfe des Satans, will man der Legende glauben, zu kreieren vermochte. „Weib, Wein und Gesang. Sex, Drugs and Rock’n’Roll, yeah“, ruft Honsel und reckt die geballte Faust in Rocker-Manier. Dank vollem Körpereinsatz und grandioser Mimik der zwei Erzählerinnen lässt sich das Publikum ohnehin bereitwillig in noch so absurde Reiseabenteuer und teuflische Begegnungen hineinversetzen, wird Faust immer greifbarer. „Als ich über das Programm gelesen habe, dachte ich schon, dass es ein lustiger Abend wird, aber es übertrifft alles. Ich bin sehr angenehm überrascht“, findet Ulrike Ebeling aus Mehlingen, die mit ihren Walking-Kolleginnen das Spektakel genießt. Inge Erbacher aus Kaiserslautern fasziniert vor allem eines: „Wie die beiden oft alles nur auf ihre Mimik reduzieren, das ist toll“. Tatsächlich sprechen die Gesichter Bände: Mal erstarrt im stummen Entsetzen vor den Eindrücken der Höllenquallen, mal gönnerhaft-überheblich als Versinnbildlichung für das Gehabe des Lebemanns Faust, dann wieder ängstlich und gequält im Angesicht des Todes: Mit (schau-)spielerischer Präzision transportieren die beiden jede Emotion und vergessen doch nicht, allem ein Augenzwinkern mitzugeben. Auch nicht, als Faust’ letztes Stündlein geschlagen hat. „Und was ist die Moral von der Geschicht’?“, ergeht provokant pseudo-pädagogisch die Frage. Die Antwort passt zum gut eineinhalbstündigen Programm: „Wir wissen’s nicht“.

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