Eisenberg „Leben ist keine Excel-Tabelle“

Der Entwurf des Gesetzes, der die Arbeit in den Kitas in Rheinland-Pfalz neu regelt, stößt auf Kritik.
Der Entwurf des Gesetzes, der die Arbeit in den Kitas in Rheinland-Pfalz neu regelt, stößt auf Kritik.

Die Landräte, Trägervertreter, Kita-Leiterinnen, Erzieher und Eltern, die im Festhaus Winnweiler zusammenkamen, vertraten 49 Kitas aus dem Donnersbergkreis und 25 Kitas aus drei Verbandsgemeinden im Kreis Kaiserslautern. Obwohl auch der neue Entwurf die Haushalte von Land und Kommunen schont, gaben sich die Politiker und Träger kämpferisch für das Wohl und die Bildung der Kinder und zeigten sich dabei bereit, höhere finanzielle Belastungen zu schultern. „Das geht schnell mal in die Millionen, vieles wird beim Kreis liegen bleiben“, erklärt Landrat Rainer Guth (Donnersbergkreis). Mit seinem Kollegen Ralf Leßmeister (Landkreis Kaiserslautern) hatte er zu einer Info-Veranstaltung zum zweiten Entwurf der Gesetzesnovelle eingeladen. „Hätten sich nicht so viele geäußert zum ersten Entwurf, dann hätten wir nicht diese zweite Fassung. Scheuen Sie sich nicht, ihrem Unmut Luft zu machen. Schreiben Sie auf, was Ihnen auf dem Herzen liegt. Wir putzen selbst Klinken ohne Ende beim Land. Gehen Sie nach Mainz, geben Sie O-Töne ab. Ihre Betroffenheit zählt. Ich komme gerne mit und schwenke Fahnen“, so Guth. Sie wurden zu Beginn über die Veränderungen im neuen Entwurf informiert mit einer Gegenüberstellung der beiden Fassungen, die Jugendamtsleiterin Heike Frey (Donnersbergkreis) präsentierte. Sie beteiligten sich fast drei Stunden lang rege mit Karten, die sie vorher auf Pin-Wände im Foyer geheftet hatten, mit ihren Fragen und Beiträgen im Verlauf der Veranstaltung. Nach wie vor bedrückt die Fachkräfte die enge Personalbemessung im Gesetzentwurf. Wenn ein Anspruch auf eine siebenstündige Betreuung der Kinder in der Kita vorgesehen ist, müssen in der Zeit des Mittagessens besonders viele Erzieher die Kinder begleiten. „Wir rechnen damit, dass alle Kinder sieben Stunden anwesend sind, Räume, Ausstattung und Personal sind darauf nicht ausgerichtet. Mittagessen als Bildungsangebot ist so nicht zu leisten“, betont Gabriele Mauer, Fachberaterin im Kreis Kaiserslautern. „Mir fehlt die Logik der Betriebswirtschaft“, sagt Anna-Maria Laupert, Kita-Leiterin in Enkenbach. „Pausen, Krankheit, Urlaub, Fortbildung, Entwicklungsgespräche sind nicht eingerechnet. Jetzt packt ein neues Gesetz was oben drauf.“ Ute Knobloch, Kita-Leiterin in Winnweiler: „Wir sind doch frustriert. Unser größtes Problem ist die siebenstündige Betreuung der Kinder unter zwei Jahren. Wir können das Niveau unserer Qualitätsentwicklung nicht mehr halten. Letztlich stehen wir mit den neuen personellen Rahmenbedingungen schlechter als bisher da. Wie sollen wir nun beziehungsvolle Pflege und Bildung von Kindern gewährleisten?“ Nach dem neuen System der Personalbemessung müssen sich die Erzieher zudem auf schwankende Stundendeputate und befristete Arbeitsverträge einstellen. „Das ist nicht einfach umzusetzen. Das Leben ist keine Excel-Tabelle“, merkt Thomas Peter (Verbandsgemeinde Göllheim) an. Für die Eltern weist Andrea Schmidt auf das Problem krankheitsbedingter Schließungen hin: „Wenn wir vor verschlossenen Türen stehen ist unsere ganze Planung in der Familie passé.“ Laupert meint, Vertretungspools würden zwar helfen. „Aber die Bezugsperson ist sehr wichtig, die sollte nicht switchen. Wir haben nicht wenige Kinder unter drei Jahren, die neuneinhalb Stunden bei uns sind.“ Ralf Leßmeister, Moderator des Abends, merkte an, gerade im ländlich geprägten Raum sei Flexibilität personalmäßig weniger gewährleistet. Mehrmals wird gefragt, welche Chance es gebe, das Gesetz noch zu kippen. „Leider gibt es nur minimale marginale Veränderungen im zweiten Entwurf. Benennen Sie die Defizite, die es noch gibt. Halten Sie den Druck aufrecht. Es gab schon eine Korrektur dank eindeutiger Stellungnahmen. Bleiben Sie aktiv“, ermutigt die CDU-Landtagsabgeordnete Simone Huth-Haage. Unzufriedenheit herrscht auch in Bezug auf die geplante räumliche Ausstattung. „Ob Neu- oder Anbau, wir haben mehr Kinder in den Kitas, in der Konsequenz müssen wir mehr Räume schaffen, für die Gruppen, zum Schlafen und Essen“, erklärt Kreisbeigeordneter Peter Schmidt (Kaiserslautern). Dieter Hartmüller (CDU), Ortsbürgermeister in Göllheim, gibt zu bedenken, dass weitere Zuschüsse fehlen könnten, wenn „wir jetzt bauen und sich später aber herausstellt, dass wir einen größeren Bedarf haben“. Rudolf Jacob (CDU), VG-Chef in Winnweiler, bemängelt, das Land setze zwar Standards, finanziere aber nicht annähernd mit. „Wir bauen in Dannenfels eine fünfte Gruppe an, unser Zuschuss wurde aber reduziert. Wir müssen viel stemmen und können nichts baulich reduzieren. Wir kommen in den illegalen Bereich, wenn wir die Kinder in den Gruppenräumen essen lassen“, so Ortsbürgermeister Ernst-Ludwig Huy. „Wenn wir für alle 140 Kinder statt jetzt 69 kochen müssen, müssen wir unsere Küche erweitern. Aber bei einen Zuschuss von 5000 Euro reicht es nur für eine bessere Spülmaschine“, so Jenny Wamser, Leiterin der Kita Louhans in Kibo. „Wir zeigen heute, dass man hätte nachbessern müssen, und tun es nicht. Wenn wir jüngere Kinder aufnehmen, fördern wir sie besonders früh mit Werten und in ihrer Sozialfähigkeit. Es muss einem Land klar sein, dass wir Menschen begleiten, die unsere Gesellschaft tragen werden.“ Lauperts Anmerkung unterstützt Leßmeister in seinem Schlusswort: „Wir haben heute gelernt, dass wir nachbessern müssen.“

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