Grünstadt Kühle Schönheit und ein großartiger Brahms

Kamen gut an: der Geiger Giora Schmidt (links) mit Villa-Musica-Stipendiaten in der Friedenskirche beim Brahms-Quintett.
Kamen gut an: der Geiger Giora Schmidt (links) mit Villa-Musica-Stipendiaten in der Friedenskirche beim Brahms-Quintett.

Groß und verdient war der Applaus, den das Kammerkonzert des amerikanisch-israelischen Geigers Giora Schmidt, 1983 in Philadelphia geboren, bei Pinchas Zukerman und Itzhak Perlman ausgebildet, und einer Schar von Stipendiaten der Villa-Musica-Kulturstiftung beim Grünstadter Kulturverein erntete. Ein sensationell schönes, leuchtend-transparentes Klangbild und spannungsreiches, wenn auch recht kühles Musizieren gefielen ungemein und machten das Konzert von Anfang bis Ende fesselnd.

Auf dem Programm: Quintette von Mendelssohn und Brahms, dazu das unvollendete Fragment eines Streichquartetts von Leo Smit. Letzterer war ein jüdischer Komponist in Amsterdam und ist 1943 von den Nationalsozialisten im KZ ermordet worden. Einfallsreiche und vielfältige Musik aus seiner Feder gibt es zu entdecken. Das Streichquartett hat Smit 1939 begonnen und – wohl unter dem Eindruck des ausbrechenden Weltkriegs – unvollendet liegen lassen. Es bricht im zweiten Satz unvermittelt ab. Smit schreibt tonale Musik, harmonisch herb zwar, aber sehr verständlich, von nachvollziehbarem, interessantem Bau, fesselnd und einfallsreich. Der kraftvolle Kopfsatz, von Schmidt zusammen mit dem armenischen Geiger Dzafer Dzaferi, der deutschen Bratscherin Lisa Klotz und dem spanischen Cellisten Adrià Cano Rocabayera schwungvoll, leuchtend, und klar vorgetragen, gefiel ungemein, der leise zweite Satz verhaucht leider allzubald. Mit 17 Jahren schrieb Felix Mendelssohn-Bartholdy für ein sonntägliches Konzert im Elternhaus sein erstes Streichquintett in A-Dur op. 18, bei dem die US-amerikanische Bratscherin Arianna Smith den Kreis der Ausführenden komplettierte. Es nimmt sofort Fahrt auf, man muss gleichsam eilig hören, es gibt kein Verweilen, keine Fermate, auch nichts Romantisch-Pastoses. Der leichte, schlanke, sehr transparente Klang, der jede leidend-quietschende, notorisch protestierende Färbung vermeidet, ist hier und im weiteren Verlauf durchaus herrlich. Die Haltung ist nicht gefühlig-schwelgerisch, sondern eher sachlich-kühl, dabei durchaus lebhaft akzentuiert und gegliedert. Schmidt spielt ungemein fein und filigran, sein Ton ist schlank und seidig, dabei raumfüllend und kraftvoll, seine Technik bemerkenswert – und genau in der gleichen Art musizieren seine jungen Kollegen, alles ist homogen, ganz aus einem Guss. Was Mendelssohn mit seiner Musik meint, erfährt man indes nicht: der Vortrag ist in außergewöhnlichem Maß nicht Träger von Empfindung, sondern Ausdruck abstrakter Schönheit, herrlich ziseliert und durchscheinend verwirklicht, und besonders zum Ende des Kopfsatzes hin mit vielen klanglichen, erstklassig gebotenen Finessen erfreuend. Der zweite, einen toten Freund gewidmete Satz ist geprägt von filigraner Präzision, und das Scherzo gerät zum wahren Wunderwerk virtuoser Präzision, gepaart mit flirrender Klangschönheit. Wie hier das vom Komponisten vorgeschrieben Pianissimo-Staccato ausgeführt wird, dürfte an Kunstfertigkeit und Delikatesse kaum zu überbieten sein. Das abschließende Allegro vivace ist ungemein energiereich, wie von einer Uhrfeder gespannt, gestaltet. Schmidt spielt zurückhaltend differenziert und gibt seiner Stimme doch ganz klare Führung. Das zeugt von großer Kunst. Kaum größer sein kann das Glück des Hörers als beim abschließenden großen Klarinettenquintett in h-Moll op. 115, einem Spätwerk von Johannes Brahms, welches seine großen Schönheiten in besonderem Maß – das ist bei Brahms meist anders – schon beim ersten Hören erschließt. Seit seiner Uraufführung wird es begeistert gefeiert. Hier verbindet sich lebendiger Ausdruck aufs Schönste mit virtuosem Glanz, hier nehmen sich die Musiker auch mal mehr Zeit, und der spanische Klarinettist Hugo Rodriguez lässt sein Instrument blitzsauber singen und leuchten.

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