Eisenberg „Immer mit dem Arzt sprechen“

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Es war einer der größten Arzneimittelskandale in der Geschichte der Bundesrepublik: 1968 begann vor der Großen Strafkammer des Landesgerichts Aachen der Contergan-Prozess. Das Schlafmittel mit dem Wirkstoff Thalidomid hat bei ungeborenen Kindern schwere Missbildungen verursacht. Das Arzneimittelrecht wurde damals reformiert. Welche Lehren man aus dem damaligen Fall gezogen hat und worauf Schwangere heute achten sollten, darüber sprach die RHEINPFALZ mit einer Gynäkologin und einer Hebamme.

Elisabeth Birl arbeitet seit November 2017 in der gynäkologischen Praxis von Bernhard Rainer in Eisenberg. Sie ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe sowie Ärztin für Naturheilverfahren und selbst Mutter von zwei Kindern. „Grundsätzlich sollte jedes Medikament, das man während der Schwangerschaft und in der Stillzeit einnehmen möchte, vor der Einnahme mit dem Arzt besprochen werden“, sagt die Medizinerin. Birl rät dabei auch, der Internet-Seite www.embryotox.de einen Besuch abzustatten. Dabei handelt es sich um den Webauftritt des Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin. „Über diese Seite besteht die Möglichkeit, ein Medikament, das man einnehmen möchte, einzugeben, und man erhält dann umfassende Informationen und Erfahrungsberichte sowie Empfehlungen zur Einnahme während der Schwangerschaft und in der Stillzeit“, erklärt sie. Auch Ärzte würden hin und wieder auf diese Seite zugreifen. „Man kann dort auch anrufen oder seine Fragen schriftlich stellen“, so Birl weiter. Das sagt die Hebamme Seit 2015 ist Cindy Paulus Hebamme am Westpfalz-Klinikum in Kirchheimbolanden. Auch sie weiß, dass es für Schwangere grundsätzlich sinnvoll ist, sich vor der Einnahme eines Medikamentes genau zu informieren. „Mittlerweile ist es zwar auch Standard, dass auf sämtlichen Beipackzetteln von Medikamenten steht, ob eine Einnahme während der Schwangerschaft oder Stillzeit problematisch ist oder nicht, aber trotzdem rate ich immer, vor der Einnahme zum Gespräch mit einem Arzt“, so Paulus. Es gebe auch Broschüren, die vom Deutschen Hebammenverband herausgegeben werden, die eine Hilfe sein könnten. „Sicher gibt es manchmal eine Alternative zur Schulmedizin“, meint sie. Sie denke dabei an homöopathische Arzneimittel oder – beispielsweise bei Rückenschmerzen – an Krankengymnastik, Entspannungsübungen oder Taping. „Es gibt oft mehrere Varianten, die Abhilfe verschaffen können, ohne gleich zum Medikament zu greifen“, betont sie. Auch hier gilt: den Arzt fragen. Trotz aller Vorsorge kommen heute immer wieder auch Kinder mit körperlichen Behinderungen zur Welt. Die Ursachen können ganz unterschiedlich sein, nicht selten sind es Folgen von Alkohol- oder Drogenkonsum während der Schwangerschaft oder auch Infektionskrankheiten, sagen Hebamme und Ärztin. Dabei sei das ungeborene Kind während der Frühschwangerschaft besonders gefährdet, da in dieser Zeit die Organe gebildet werden. „Ich höre leider immer wieder, ein Gläschen Alkohol am Tag macht doch nichts, aber das ist nicht belegt“, gibt Paulus zu bedenken. „Natürlich gibt es auch Frauen, die aufgrund einer Erkrankung schon vor einer geplanten Schwangerschaft regelmäßig Medikamente einnehmen müssen“, so Paulus. Ihnen rät sie, frühzeitig – am besten schon bei der Planung einer Schwangerschaft – mit einem Arzt oder einer Hebamme die Dosierung abzustimmen und eventuell auch eine Alternative zu suchen. „Die regelmäßige Medikamenteneinnahme zu verschweigen, ist immer der falsche Weg“, betont sie und ergänzt: „Einfach darüber reden, dann findet man immer einen Weg.“

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