Grünstadt Im Supermarkt den Körper reinstellen

Freund der alten Schule: der Autor.
Freund der alten Schule: der Autor.

Wumms, das hat gesessen! Mehmet Scholl, ehemaliger Fußball-Nationalspieler, hat sich in Rage geredet und harte Worte für seine jungen Trainerkollegen gefunden. All die „Systemtrainer“ wie der Stuttgarter Hannes Wolf oder Schalkes Domenico Tedesco würden, so der ehemalige ARD-Experte Scholl, nicht nur geradezu „aus dem Boden sprießen“ – sie seien auch die Ursache, weshalb der deutsche Fußball bald „sein blaues Wunder erleben“ würde. Der Grund: Die neue Trainergeneration sei nur noch an Systemen interessiert, nicht mehr an den Spielern als Individuen. Findet zumindest der ehemalige Trainer der zweiten Mannschaft des FC Bayern, der von Kennern der Szene liebevoll Mehmet Schmoll genannt wird. Die öffentliche Empörung über Schmolls Kritik ist natürlich groß, die mediale Antwort vernichtend. Allerorten wird spekuliert, ob sich Schmoll intellektuell mittlerweile nicht „wund gelegen habe“. Doch dabei wird ein kleines Detail gerne vergessen: Der Mann hat völlig recht! Mit allem! Denn egal ob Julian Nagelsmann, Peter Bosz, Pal Dardai oder Peter Stöger – auf internationaler Ebene sind diese jungen, deutschen Laptoptrainer mit ihren Mannschaften krachend gescheitert. Weil sie schlichtweg die Grundtugenden des Trainer-Einmaleins nicht mehr beherrschen: Rumschreien, anschreien, schlecht gelaunt sein. Was Meistertrainer wie Aleksandar Ristic, Ede Geyer oder Werner Lorant aus dem Effeff beherrschten, findet in der heutigen Fußballlehrerausbildung quasi keinerlei Beachtung mehr. Einen Spieler vor versammelter Mannschaft in seine psychosomatischen Einzelteile zerlegen? Gilt als kontraproduktiv! Mit Zigarette im Mundwinkel am Spielfeldrand stehen? Schlechtes Vorbild! Im Anschluss an das Spiel dem Reporter Prügel androhen? Strafanzeige! Dabei zeigen die anhaltenden Erfolge im Amateurfußball bis heute die Wirksamkeit eines gut durchdachten Konzeptes, das auf Einschüchterung und Drohungsszenarien basiert. Noch immer schrecke ich nachts schweißgebadet auf und höre meinen Jugendtrainer schreien: „Aufwachen, Junge! Wach sein! Wach sein!“ Drängelt sich jemand an der Supermarktkasse vor, schlage ich mir selbst auf den Hinterkopf und fordere von mir ein, „jetzt mal richtig den Körper rein zu stellen“. Und beim lockeren Kick im Garten mache ich meiner sechsjährigen Tochter bereits beim ersten Zweikampf klar, „wer hier heute als Sieger vom Platz gehen wird!“ Das alles ist nur möglich, weil ich von Kindesbeinen an die alte Fußballschule des Schreiens-und-Angeschrien-Werdens genossen habe. Hätte mir hingegen ein Trainer auf dem Laptop bestimmte Laufwege im 4-2-3-1 aufgezeigt – ich wüsste nicht, wie ich heute durchs Leben kommen sollte. Dafür bin ich dankbar. Nicht zuletzt auch Mehmet Schmoll. Die Kolumne Unser Autor Christoph Rehm kann auf eine lange und erfolglose Karriere in den Niederungen des Amateurfußballs zurückblicken. Hier schreibt er wöchentlich über Schwalbenkönige, Kabinenrituale und Trainingsweltmeister – rein subjektiv natürlich, denn die Wahrheit liegt sowieso auf dem Platz.

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