Grünstadt Hilfe von der Basis

«Obersülzen.» Gerd Fath und Susanne Stauffer sind nicht überall willkommen. „Ganz bestimmt spende ich für diesen Verein nichts mehr“, sagt der Mann und lässt dann eine ganze Menge Frust ab. Es geht um Missverständnisse, Bandenwerbung und enttäuschte Erwartungen – und man ist gleich mittendrin in diesem Mikrokosmos Dorfverein. Hier gilt: Auch wer mit dem Club nichts am Hut haben will, hat irgendwie seine ganz persönliche Geschichte mit ihm. Stauffer und Fath lächeln, hören sich die Anschuldigungen geduldig an und ziehen dann unverrichteter Dinge ab. „Wer nichts macht, macht auch nichts falsch“, sagt Stauffer und zuckt mit den Schultern. Die beiden SVO-Mitglieder sind an diesem Tag in Obersülzen unterwegs, um Spenden für die Sanierung des vereinseigenen Kunstrasenplatzes zu sammeln. Ein Unwetter hatte das Spielfeld zu einem Flickenteppich werden lassen. Es geht um 300.000 Euro, eine gewaltige Summe für einen Verein mit rund 400 Mitgliedern. Um den dringend benötigten Kredit bewilligt zu bekommen und damit auch eine versprochene 60.000 Euro-Spritze der Dietmar-Hopp-Stiftung nicht verfallen zu lassen, muss der Klub bis heute, 10. Juli, 30.000 Euro an Eigenkapital vorweisen. „Es drängt“, sagt Fath. Im September dieses Jahres sollen die Arbeiten beginnen. Jetzt heißt es also: Klinkenputzen und sich auch mal harsche Worte anhören. Etwa 270 Haushalte wollen abgeklappert werden. Fath und Stauffer haben sich freiwillig gemeldet. Immer mit dabei: Ein Plan des künftigen Spielfelds, auf dem Bürger für zehn Euro den Quadratmeter Teile des Platzes erwerben können. Symbolträchtige Bereiche wie Strafraum oder Mittelkreis gibt es für deutlich höhere Summen. Als Dank lockt die Verewigung auf einer geplanten Spendertafel im Vereinsheim. Der 49-jährige Fath ist ein CDU-Mann, die 47-jährige Stauffer Sozialdemokratin – beide sitzen auch im Gemeinderat. Heute, auf den Straßen ihres Orts spielt der SVO-Mitgliedsausweis aber eine größere Rolle als das Parteibuch. „Kommunale Plätze haben es viel besser, die kriegen fast alles“, sagt Stauffer und Fath nickt. „Wir sind auf dem Sportförderplan des Kreises ganz weit hinten, da haben wir keine Chance.“ Sie sind nicht die einzigen, die diese Meinung teilen. Kurt Mauntz ist ebenfalls Mitglied beim Sportverein. Entsprechend herzlich fällt der Empfang für die beiden Vereinskollegen aus, es gibt Kirschen und Zeit für eine kleine Plauderei im Schatten seines Hofs. Was er davon hält, dass ein Verein auf die Großzügigkeit der Mitbürger angewiesen ist, um seinen Platz in Schuss zu halten? Mauntz lässt sich nicht lange bitten. „Was die Politiker immer vom Ehrenamt erzählen, das sind doch nur schöne Worte. Am Ende bleibt es immer an den Vereinen hängen, wie sie finanziell über die Runden kommen.“ Klar, dass er Fath vor dem Abschied noch ein paar Scheine in die Hand drückt. Tatsächlich haben Gemeinden eine größere Auswahl an Fördertöpfen, wenn es um den Geldregen von oben geht. Und genauso wahr ist auch, dass der SVO nach aktuellem Stand mindestens vier Jahre warten müsste, um auf Zuschüsse vom Land hoffen zu können. Denn bis Vereine auf den ersten Platz der Prioritätenliste vorrücken, vergehen meist mehrere Jahre (wir berichteten). Ziemlich unpraktisch also, wenn es wie in Obersülzen wegen eines akuten Unwetterschadens schnell gehen muss. Ganz so einfach ist es allerdings nicht: Auch die Kommunen können nicht nach Herzenslust bauen. Zudem bleibt die ketzerische Frage: Warum sollte die Allgemeinheit überhaupt für einen Verein und dessen Eigentum einspringen? Die Antwort darauf scheint erst einmal naheliegend. Schließlich erfüllen die Ehrenamtler wichtige Funktionen in der Gesellschaft wie Integration und Jugendförderung. Aber übernehmen sich manche Vereine vielleicht nicht einfach, wenn sie auf der eigenen Sportanlage beharren, ohne die notwendigen finanziellen Mittel für den Ernstfall zu besitzen? So wie die Halbstarken mit den teuren Sportwagen, die bei der ersten anfallenden Reparatur schon das Konto überziehen müssen? Der SVO hatte nach Angaben des Vorsitzenden Norbert Bölger zwar eine Elementarversicherung, die rund 70.000 Euro gedeckt hat, die Schäden am Spielfeld selbst waren indes nicht versichert. „Die Beiträge wären nicht bezahlbar“, räumt Bölger ein. Zurück auf den Straßen von Obersülzen, auf der Suche nach Antworten. Was ist den Bürger ihr Dorfverein wert? Im Ortskern stoßen Gerd Fath und Susanne Stauffer mittlerweile fast überall auf offene Ohren. „Ich weiß, wie schwierig es ist, solche Summen zu stemmen“, sagt einer. Die meisten geben an diesem Tag zwischen zehn und 100 Euro. „Ich finde es einfach wichtig, dass die Jugendarbeit gefördert wird“, sagt eine Frau. Dass Vereinsmitglieder mit dem Klingelbeutel von Tür zu Tür ziehen, findet hier keiner befremdlich. „Man muss eben kreativ sein“, kommentiert ein Bürger. Am Ende des Tages gehen Fath und Stauffer mit 460 Euro nach Hause. Ein paar Wochen später, einen Tag vor Ablauf der Frist. Zähltag. Nach etwa einer Woche Straßensammlung haben Fath und Stauffer 4430 Euro zusammengetragen. „Das ist einfach toll“, sagt SVO-Vize Valentin Hoffmann. Was ihn und auch die Spendensammler besonders zuversichtlich stimmt: Auch in den beiden Obersülzer Neubaugebieten war die Spendenbereitschaft hoch – so etwas wie ein Elchtest für die Zukunftsfähigkeit des Vereins. Denn in Zeiten erhöhter Mobilität wird es für die Dorfvereine immer stärker darauf ankommen, auch die Neubürger an ihr lokales Freizeitangebot heranzuführen. „Viele wohnen zwar jetzt hier, aber leben nicht wirklich im Ort“, sagt Stauffer. Und Hoffmann spitzt zu: „Mittlerweile ist es oft so, dass die Kinder zwar im Verein spielen, die Eltern aber nicht mal wissen, wo der Fußballplatz ist.“ Die direkte Ansprache durch die Straßensammlung sei da sicherlich förderlich gewesen, glaubt er. Ein bisschen Anspannung ist kurz vor dem entscheidenden Gespräch mit Kreisverwaltung und Bank dennoch zu spüren. Denn der Verein hat zwar dank weiterer Spenden von Unternehmen und Parteien nun rund 20.000 Euro zusammen – Vorgabe waren allerdings 30.000. „Wollen Sie mein Bauchgefühl hören?“, fragt Hoffmann. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass der Kredit jetzt an ein paar Tausend Euro scheitern sollte. Das wäre ja blanker Hohn und außerdem eine Katastrophe für unseren Spielbetrieb.“ Aber auch Hoffmann weiß: Der Kampf um die Zukunftsfähigkeit der Vereine hat gerade erst begonnen.

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