Grünstadt Helfer mit Herz und Organisationstalent

„Ich will Menschen helfen und was Gutes tun“:
»Ich will Menschen helfen und was Gutes tun«:

Sanaa Schumacher ist gut gelaunt. Sie steht im Tafel-Laden in der Schillerstraße und hat für jeden, der bei ihr vor der Kühltheke steht, ein gutes Wort. Kleiner Wermutstropfen, trotzdem: „Ich habe heute sehr wenig für Moslems bekommen“, sagt sie, um sich dann selbst zu korrigieren. Sie frage nicht mehr, ob jemand Moslem sei, sondern, ob er Schweinefleisch esse. Das sei besser. Also: Heute ist wenig ohne Schweinefleisch dabei. Sanaa Schumacher ist über 70 Jahre alt und hatte das Gefühl, etwas tun zu müssen im Ruhestand. Schumacher ist vor 40 Jahren aus Ägypten nach Deutschland gekommen. Die stellvertretende Vorsitzende des Grünstadter Tafel-Vereins gibt Käse und Wurst, Pizza, Eiersalat oder ein abgepacktes Sandwich aus. „Alles hier ist sehr gute Ware“, sagt Schumacher – das Brot, das Obst, das Gemüse, die Konserven. Die Grünstadterin lobt die gute Atmosphäre im Helferkreis, die Arbeit macht ihr Spaß. Und im Großen und Ganzen gebe es auch mit den Kunden keine Probleme, erzählt Schumacher. Allerdings stört es sie, dass die Bedürftigen von den Vertretern der Behörden zur Tafel geschickt würden, ohne dass ihnen erklärt werde, was die Tafel eigentlich ist. „Ein Kunde hat uns mal gesagt, wir sollten mehr Personal haben“, erzählt Schumacher kopfschüttelnd. „Aber wir sind Ehrenamtliche.“ Freiwillige, die sich in ihrer Freizeit darum kümmern, dass andere Menschen Essen bekommen. Das scheint eines der großen Missverständnisse zu sein: Die Menschen kommen und holen sich Essen von der Tafel – aber was Ehrenamt ist, ist ihnen fremd. „Das habe ich nicht gewusst“, sagt eine 22-jährige Frau aus Syrien, die jede Woche von Mertesheim kommt, nachdem Schumacher ihr das Ehrenamt erklärt hat. Auch die Burschen, die vor der Kühltheke stehen, um für ihre Familien Essen mitzubringen, haben davon noch nichts gehört. Barbara Böckmann, die Vorsitzende der Grünstadter Tafel, sagt: „Die Tafelarbeit ist Arbeit, körperliche Arbeit.“ Die Helfer holen die Lebensmittel, die Supermärkte nicht mehr verkaufen können, schleppen Kisten, stehen an der Rampe, sortieren, räumen ein, geben aus. „Diese Tafel lebt von den Helfern“, sagt Böckmann und lädt jeden Interessierten ein, sich selbst ein Bild von der Tafel-Arbeit zu machen. Die TV-Debatten um die Essener Tafel, die knapp drei Monate lang einen Aufnahmestopp für Ausländer beschlossen hatte, haben sie nicht begeistert: „In den Talkshows sitzen keine Helfer, da sitzt niemand, der die Arbeit macht.“ Böckmann (60) macht die Arbeit seit zehn Jahren, sie ist eine Frau klarer Worte, die Tafel in Grünstadt ist mustergültig organisiert: „Wenn ich 200 Menschen vor der Tür stehen habe, muss ich ein System finden“, sagt sie. In Grünstadt hat jeder Haushalt eine Nummer, jede Nummer eine Uhrzeit, zu der der dazugehörige Kunde in den Laden kann, 20 Minuten für 20 Nummern. Es gibt keine Selbstbedienung bei der Ware, Ehrenamtler gehen mit den Kunden durch den Laden. Und auch hier: beste Orga. Eine Zahlenkombination, die die Tafel-Kunden sagen, verrät den Ehrenamtlern, wie viele Erwachsene und Kinder in der Familie leben (Beispiele: 1/2 = ein Erwachsener, zwei Kinder; 2/5 = zwei Erwachsene, fünf Kinder). Nach der Anzahl der Familienmitglieder richtet sich die Menge der Ware, die jeder bekommt. Alleinstehende zahlen einen Euro für die Lebensmittel, Familien zwei. „Das muss sein“, sagt Böckmann: „Wenn man das ohne Bezahlung abgibt, hat’s keinen Wert.“ Sie habe nie gedacht, dass eine „Einrichtung für eine Zusatzversorgung für bedürftige Menschen“, wie Böckmann die Tafel definiert, so lange gebraucht würde. „Das haben wir uns auch nicht vorgestellt, dass es so viele Jahre geht.“ Manche Menschen kämen von Anfang an. Auch Ernst Weber ist von Anfang an dabei, er ist Cheflogistiker der Tafel, kümmert sich darum, dass genügend Helfer und Fahrer da sind, die die Lebensmittel dienstags bis freitags mit zwei Autos von den Geschäften abholen und mittwochs und freitags ausgeben. Und er ist darauf bedacht, dass immer auch Reserven in den Lagerräumen liegen – wie ungarische Gulaschsuppe in der Dose, die ausgegeben werden kann, wenn sonst gerade nicht so viel Lebensmittel geholt werden konnten. Zu der ganzen Diskussion um die Essener Tafel sagt Weber: „Wir trennen nicht zwischen Ausländern und Deutschen.“ Die Grünstadter Tafel würde einen Aufnahmestopp erlassen, wenn nicht genügend Lebensmittel da wären, sagt Böckmann – da wären aber dann Deutsche und Ausländer gleichermaßen betroffen. „Denn die Tafel darf nichts kaufen.“ Gute Geister spenden deswegen regelmäßig H-Milch. Denn Milchprodukte gibt’s immer zu wenig. Kontakt Grünstadter Tafel, Schillerstraße 6, Internet: www.grünstadter-tafel.de Öffnungszeiten sind mittwochs von 11.30 bis 13 Uhr und freitags von 13.15 bis 16 Uhr.

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