Grünstadt „Es gibt in der Gegend eine lebendige Literaturszene“

Sieht sich nicht als Verfasser von Regionalkrimis: Helmut Orpel.
Sieht sich nicht als Verfasser von Regionalkrimis: Helmut Orpel.

Helmut Orpel, gebürtiger Grünstadter und Wahl-Mannheimer, hat kürzlich seinen zweiten Kunstkrimi „Der König von Burgund“ veröffentlicht, der in der Metropolregion Rhein-Neckar spielt. Mit dem promovierten Kunsthistoriker sprach Doris Schweitzer über Kunst, die ehemalige Kurpfalz, Regionalkrimis und die Zukunft des Buches.

Herr Orpel, Sie haben kürzlich Ihren zweiten Kunstkrimi veröffentlicht. Wie kamen Sie zum Schreiben von Romanen?

Geschrieben habe ich ja schon seit langem, schon vor und während des Studiums. Das waren freilich Texte für Zeitungen und Zeitschriften. So war ich von 1987 bis 1995 Redakteur bei der damals in Heidelberg erschienenen Fachzeitschrift „Der Kunsthandel“ und von 1995 bis 2007 Chefredakteur beim Kunstmagazin „ArtProfil“. In dieser Zeit sind auch zahlreiche Künstlerbücher und Kataloge erschienen, unter anderem auch über den Künstler Karl Unverzagt aus Grünstadt. In Zusammenhang mit der Begegnung von Kunst und Künstlern steht auch mein erster Roman – mittlerweile sind es sechs. Ihr erster Kunstkrimi „Tintorettos Geheimnis“ spielt überwiegend in Worms, der zweite in der Metropolregion Rhein-Neckar. Was macht für Sie der Reiz dieser Region aus? Der Reiz der Metropolregion, zu der ja auch Worms gehört, liegt für mich in der ungeheuren Vielfalt an geschichtlichen Epochen, die sich hier überlagern und die in Gestalt von Bauwerken und anderen Artefakten ihre bleibenden Spuren hinterlassen haben. Vielschichtige Nahrung für die schriftstellerische Fantasie und Inspirationsquellen, die niemals versiegen. In meinem aktuellen Roman sind dies die kurpfälzischen Schlösser in Heidelberg, Schwetzingen und Mannheim. Vor allem aber der Schwetzinger Schlossgarten mit seinen geheimnisvollen Bauwerken, um die sich viele Geschichten ranken. Diesen Dingen nachzuspüren, macht den eigentlichen Reiz der Romanschriftstellerei aus. Diese Gebäude und Plätze mit den Menschen zu bevölkern, die einst hier gelebt, gehofft und geliebt hatten. Und dann haben wir noch eine Vielzahl von Kunstgegenständen, wie der geheimnisvolle Sekretär im Wormser Museum oder das Rembrandt-Gemälde, das im Schlossmuseum geraubt wird und keiner vermisst es. Regionalkrimis sind seit Jacques Berndorfs Eifelkrimis sehr beliebt. Wie viel Wert legen Sie auf die regionale Einbettung? Mit dem Begriff „Regionalkrimi“, besonders als Bezeichnung für meine beiden letzten Romane, habe ich Probleme. Schon bei den beiden davor, also „Tödliche Illusionen“ und „Erntezeit“, die in Mannheim spielen, wo ich seit über 40 Jahren lebe, wird eine Entwicklung deutlich, die heute für unsere Gesellschaft charakteristisch ist. Diese Entwicklung würde ich als Verlust der Heimat bezeichnen, weil die Regionen heute längst nicht mehr als idyllische Inseln zu verstehen sind, sondern von internationalen Entwicklungen durchdrungen werden, die weltweit ähnlich sind. Wir haben auf der einen Seite die Migrationsbewegungen, auf der anderen Seite die globalisierte Wirtschaft. Beides wirkt auf die Region ein und hebt die regionale Eingrenzbarkeit in einem gewissen Sinne auf. Deshalb unterscheiden sich die Strukturen meiner Krimis deutlich von denen eines Jacques Berndorfs. In „Tintorettos Geheimnis“ kommt die Hauptfigur Oliver Treschko aus Norddeutschland. Treschko hat sich in Madrid und Rom sozialisiert und sein bester Freund lebt in Paris. In „Der König von Burgund“ habe ich Worms eine dunkelhäutige Stadtkonservatorin verpasst, die an der Pariser Sorbonne studiert hat. Die Region, das ist nicht mehr die Heimat wie man sie noch vor 15 Jahren gesehen hat, als Berndorf seine Erfolge feierte. Die Globalisierung mit ihren positiven und negativen Auswirkungen ist längst dort angekommen, nicht nur in Mannheim, Worms oder der Eifel, sondern auch in Grünstadt. Sie sind gebürtiger Grünstadter und haben Ihre Kindheit und Jugend dort verbracht. Haben Sie noch Kontakte in Grünstadt? Kommen Sie noch öfter in die Vorderpfalz? Ich komme relativ häufig nach Grünstadt, weil ich hier noch Familie habe. Zusammen mit meiner Frau gehe ich oft an der Weilach spazieren. Der Annaberg ist gewissermaßen unser Hausberg. Lange Zeit gehörte auch das Asselheimer Weinfest zu den Highlights im Jahreskalender. Ja, und als ich mich vor 17 Jahren entschloss, doch noch zu heiraten, passierte das in der Friedenskirche in Grünstadt, wo ich vor ziemlich langer Zeit getauft wurde. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels spricht von einer schwierigen Zeit für den Buchmarkt. In den letzten sechs Jahren ist die Anzahl der Buchkäufer/innen um gut sechs Millionen gesunken. Wie sehen Sie die Zukunft des Buches? Es gibt hier in unserer Gegend, und damit meine ich nicht nur Mannheim und Heidelberg, sondern Neustadt, die gesamte Pfalz und Nordbaden, eine sehr lebendige Literaturszene, die kaum über die Region hinaus bekannt ist. Das liegt nicht nur an der Qualität der Texte, sondern einfach daran, dass es kaum Verlage gibt, die diese Bücher publizieren. Dies wiederum hat seinen Grund in der Nachfrage. Die großen, kapitalstarken Verlage, die diese Nachfrage über gigantische Werbebudgets schaffen, publizieren Millionenauflagen, zeigen aber nur selten Interesse für uns bodenständige Autorinnen und Autoren. Ob die Nachfrage auf dem Buchmarkt nach Massenauflagen sinkt oder steigt, berührt den Kreis von Literaten, die nicht ins Verlagsprogramm der Großen gehören, meines Erachtens kaum. Die müssen sowieso eigene Wege der Vermarktung gehen, da die Plätze in den verkaufsstarken Buchhandlungen meist den Großverlagen besetzt sind und es in der Regel klar ist, welche Bücher in den populären Fernseh- und Rundfunksendungen besprochen werden. Lesen Sie selbst gerne Krimis? Ich mag Krimis von Henning Mankell sehr und habe sie wohl alle gelesen. Zu meinen Favoriten gehört unbedingt der Schweizer Martin Suter. Auch die Literatur von den Kolleginnen und Kollegen lese sich sehr gern. Zurzeit lese ich gerade einen Roman von Meinrad Braun, der mich sehr fasziniert.

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